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Wester: "Wichtig ist mein Bauchgefühl"

22 Jahre alte Weitspringerin träumt von Rio

Wester: "Wichtig ist mein Bauchgefühl"

Ein ordentlicher Satz: Beim Springen in Weinheim kommt Alexandra Wester auf 6,78 Meter.

Ein ordentlicher Satz: Beim Springen in Weinheim kommt Alexandra Wester auf 6,78 Meter. Picture Alliance

Am 13. Februar sprang Alexandra Wester beim Indoor-ISTAF in Berlin mit 6,95 Metern in die Weltklasse. Zwei Wochen später wurde die 22-Jährige in Leipzig erstmals Deutsche Hallen-Meisterin (6,75). Der "Budenzauber" endete für sie Anfang März in Portland als Sechste der Hallen-WM (6,67). In der olympischen Freiluftsaison verbesserte die Tochter eines Deutschen und einer Ghanaerin ihre Bestleistung aus dem Vorjahr bereits um 20 Zentimeter auf 6,79 Meter - aktuell Platz acht in der Weltjahresbestenliste. Alexandra Wester - ein frisches Gesicht mit Star-Potenzial.

kicker: Sie sind jetzt eine gefragte Frau. Wie fühlt sich die neue Popularität an, Frau Wester?

Alexandra Wester: Nach dem Hallen-ISTAF in Berlin hat es eingeschlagen wie eine Bombe. Interviews, Fernsehteams beim Training, ein Aufritt im ZDF-Sportstudio… Es hat sich viel gewandelt. Ich find's super! Solange es mein Training nicht beeinflusst.

kicker: Der Riesensatz auf 6,95 Meter; die Freiluft-Bestleistung auf 6,79 Meter gesteigert - worin liegt das Geheimnis Ihrer Leistungsexplosion?

Wester: Grob würde ich sagen, mein Wille, meine Selbstständigkeit und meine richtige Entscheidung im vorigen Jahr. Das alles hat mich so weit gebracht. Es ist wichtig, zuerst auf sich selbst zu hören, auf sein Bauchgefühl, nicht auf das, was einem andere einreden wollen.

kicker: Was hat Ihnen denn Ihr Bauchgefühl geraten?

Wester: Mich für Charles Friedek und damit für seine Art des Trainings zu entscheiden. Hohe Intensität, aber ein verändertes Krafttraining und eine total andere Sprungtechnik. Wir wussten gar nicht, wohin wir da gehen, aber ich spürte irgendwie: Das wird klappen. Und so war's dann auch zum Schluss.

kicker: Was ist denn so anders geworden?

Wester: Das Krafttraining habe ich umgestellt auf weniger Maximalkraft und mehr Explosiv- und Schnellkraft. Und im Weitsprung stemme ich nicht mehr, sondern schaffe einen fließenden Übergang.

kicker: Sie trainieren jetzt seit 2015 in Köln bei Charles Friedek, Dreisprung-Weltmeister 1999. Was zeichnet ihn als Trainer und Ihre Zusammenarbeit aus?

Wester: Er lässt einem viel Freiraum, auch im Training. Als ehemaliger Athlet weiß er, dass ein Sportler, wenn er auf seinen Körper hört, meistens das Richtige tut. Wir kooperieren auf Augenhöhe. Zum Beispiel vertraut er mir in Sachen Krafttraining, das ich selbst gestalte. Und er ist wahnsinnig gut in der Technik-Expertise, hat mich da auf einen super Weg geführt. Er hat zwar immer was auszusetzen - damit käme vielleicht nicht jeder Athlet zurecht -, aber ich finde das super. Ich muss nicht immer gelobt werden, sondern will eher wissen: Was kann ich noch besser machen? Da ist Charles genau der richtige Typ für mich.

kicker: Die nationale Konkurrenz ist stark, derzeit haben drei Springerinnen die Olympianorm von 6,70 Metern vorzuweisen, weiteren ist sie zuzutrauen. Wie gehen Sie die DM in Kassel an?

Wester: Mein Ziel ist es zu gewinnen. Kurzum. Das werden aber ungefähr sechs weitere Springerinnen versuchen. Denn in Kombination mit der Olympianorm ist dann der Sack zu.

Olympische Spiele in Rio? - "Dann habe ich mein Ziel erreicht"

Alexandra Wester

Der Blick geht konzentriert nach vorne, vielleicht sogar in Richtung Rio? Picture Alliance

kicker: Sollten Sie nach Rio fahren, mit welchem persönlichen Ziel?

Wester: Meinen Traum zu leben. Denn wenn ich mich für Rio qualifiziere, habe ich mein Ziel erreicht: Ich bin bei den Olympischen Spielen 2016 dabei. Was dann kommt, ist ein Extra: Atmosphäre aufsaugen, alles Positive mitnehmen und auf der Anlaufbahn umsetzen.

kicker: Bedingt durch eine langwierige Knieverletzung, haben Sie zwischenzeitlich gemodelt – durchaus mit Perspektive. Was haben ein Laufsteg und der Anlauf zum Weitsprung gemeinsam?

Wester: Was man in jedem Fall braucht, ist Selbstbewusstsein. Ich muss wirklich auf den Laufsteg oder die Bahn treten und sagen: Ich werde das Ding heute rocken. Das verbinde ich mit beidem.

kicker: Hat Ihnen das Modeln etwas vermittelt für Ihre sportliche Karriere?

Wester: Ich habe beim Modeln gelernt, im Moment des Loslaufens den Schalter umzulegen: ab jetzt positiv! Man braucht für beides mentale Stärke. Es ist ein Auftritt - alle schauen dir zu - und es kann viel passieren. Ich erinnere mich an meinen ersten Lauf 2012 - da war ich so aufgeregt, dass ich mitten im Winter noch kurz vorher frische Luft schnappen war. Allerdings ist für mich der Weitsprung die deutlich größere Herausforderung. Da geht es um echte Leistung, da musst du alles einsetzen.

kicker: Sind Sie eitel und achten auch beim Sporteln auf ein perfektes Äußeres?

Wester: Eigentlich gar nicht. Im Alltag stecke ich mir morgens meine Haare zum Dutt hoch, und das war's auch schon. Wenn ich mir Zeit nehme, mich mal zurechtzumachen, dann für die Wettkämpfe.

kicker: Die sportliche Laufbahn kann schnell ungewollt enden, reich werden auch nur wenige Leichtathleten. Warum die weitreichende Entscheidung zugunsten des Sports?

Wester: Weil Leichtathletik mein Leben ist. Das Modeln hat zwar Spaß gemacht, mich aber nicht so erfüllt wie der Sport. Er hat mir immer ein Ziel gegeben, nachdem ich gestrebt habe. Da war das Geld zweitrangig. Mir war wichtiger: Ich bin vollkommen glücklich.

Interview: Sabine Vögele