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Wenn Brasilien spielt, ist wieder "feriado"

Bom dia, Brasil - Die kicker-Kolumne vom Zuckerhut

Wenn Brasilien spielt, ist wieder "feriado"

Das brasilianische Gelb und Grün dominiert die Straßen.

Das brasilianische Gelb und Grün dominiert die Straßen. imago

Aus Brasilien berichtet Mounir Zitouni Renata, die um die Ecke von mir ein kleines Häuschen mit Mann und Tochter bewohnt, ist etwa 45 Jahre alt. Genaueres erfuhr ich nicht, denn fragen wollte ich sie nicht nach ihrem Alter. Kommt nicht immer gut an, dachte ich mir. Das Trikot mit der Nummer zehn und dem Namen Neymar auf dem Rücken spannte ganz schön, doch Renata trug es mit Würde und Stolz. Grün und Gelb flatterten auch die Fähnchen in ihrer Garage, auf dem Wagendach steckten zwei brasilianische Flaggen und mit dem Wimpelmeer, das quer über die Straße vor ihrem Haus gespannt war, hatte Renata sicher auch etwas zu tun.

Die Brasilianer lieben einfach ihre Farben, ihre Flagge, ihr Land und natürlich ihre Fußballer. Grün und Gelb, wo man hinschaut. Balkone, Menschen, Straßenbeläge, Häuserwände, alles trägt die Nationalfarben. Zu verdanken haben die Brasilianer das Gelb einer gebürtigen Wienerin, der Erzherzogin Leopoldine aus dem Hause Habsburg. Sie heiratete im 19. Jahrhundert den portugiesischen Kronprinzen Dom Pedro, der Brasilien 1822 die Unabhängigkeit bescherte.

Seitdem dominieren die Farben der beiden Adelsfamilien die Fahne des Landes, die in keinem Lokal, in keinem Geschäft fehlen darf. Dass die Regierung dem Land an Spieltagen der Selecao frei gibt, ist dahingehend nur konsequent. Es wäre ein heilloses Unterfangen gewesen, von den Brasilianern zu verlangen, auf Computer oder in Akten zu schauen, auf Baustellen oder Messen zu arbeiten, wenn ihre Nationalelf gleichzeitig Fußball spielt.

Seleçao sorgt regelmäßig für Ausnahmezustand

Also wird auch morgen "feriado" sein. In Fortaleza, dem Spielort, den ganzen Tag, im restlichen Land ab mittags. Und je näher das Spiel rückt, desto weniger geht. Taxis fahren nicht mehr, Menschen eilen gehetzt durch die Gegend, um es pünktlich zum Fernseher zu schaffen, die Straßen leeren sich zum Anpfiff hin auf groteske Weise und nur touristische Lokale öffnen ihre Türen. Den ganzen Tag wird man wieder Feuerwerkskörper hören, die in die Luft gejagt werden und vor Hauseingängen, wo Fernseher stehen, drängeln sich die Menschen. Spielt Brasilien, scheint im Rest des Landes die Zeit stillzustehen. Und wenn ein Tor fällt, dann kommt der Schrei aus der Umgebung tausendfach zurück.

Schon der Anblick des Busses der Seleçao sorgt ja für chaotische Verhältnisse. Die Menschen stürmen dann aus ihren Häusern auf die Straße, winken, tanzen und jubeln. Geschätzte 50 bis 60 Motorroller düsen laut hupend meist direkt hinterher bis der Bus die Unterkunft erreicht hat. In Fortaleza sind die Fußballer im Hotel Marina untergebracht. Das Dach der Nobelherberge direkt am Meer ist hell erleuchtet, wenn die Nationalmannschaft zu Besuch kommt. Grün, Gelb - und auch Blau schimmert es in die Nacht hinein. Denn Blau gehört ja zu den Landesfarben, symbolisiert es in der Flagge doch den Himmel von Rio de Janeiro. Unter diesem soll Scolaris Team am 13. Juli endlich den sechsten WM-Titel gewinnen.

Renata ist überzeugt davon, dass das so kommen wird. "Certamente", sicher, sagt sie. Ob dann der folgende Tag, der 14. Juli, auch zum Feiertag wird? Gute Frage, doch das könnte in diesem Land aber durchaus passieren.

Bom dia, Brasil! Die kicker-Redakteure Mounir Zitouni, Jörg Wolfrum, Hans-Günter Klemm und Oliver Bitter (v.l.)

Bom dia, Brasil! Die kicker-Redakteure Mounir Zitouni, Jörg Wolfrum, Hans-Günter Klemm und Oliver Bitter (v.l.).