2. Bundesliga

Tim Walter wirkt - aber kann er auch aufsteigen?

Es gibt gute Gründe, weshalb der HSV-Trainer große Rückendeckung bekommt, doch auch Zweifel

Walter wirkt - aber kann er auch aufsteigen?

Wird in der kommenden Saison das große Ziel Aufstieg erneut in Angriff nehmen: HSV-Trainer Tim Walter.

Wird in der kommenden Saison das große Ziel Aufstieg erneut in Angriff nehmen: HSV-Trainer Tim Walter. IMAGO/Eibner

Wie sehr die Spieler Ausführungen und Botschaften des gebürtigen Badeners verinnerlicht haben, wird in einem Satz deutlich, den am späten Montagabend Sebastian Schonlau ausgesprochen hat, als er von der Unterstützung der Hamburger Anhänger schwärmte. Es sei unvorstellbar wie sehr sie sich bemühten, den HSV wieder in die Bundesliga zu bringen und wie selbstverständlich übernahm der Kapitän Walters Bezeichnung von den "Jungs und Mädels, die alles auf sich nehmen." Es ist ein äußerliches Zeichen dafür, wie es innen aussieht, wie sehr der Coach seine Führungsspieler hinter sich versammelt hat.

Walter hat in Hamburg eine Einheit geformt

Der Faktor Fans ist ein weiterer zentraler Bestandteil, der für Walters Wirken spricht. In Hamburg ist wieder eine Einheit entstanden. "Der HSV hat wieder eine Identität", sagt Schonlau, und auch dieser Satz könnte von seinem Chef stammen. Walter betont dies bei beinahe jeder sich bietender Gelegenheit und stellt damit natürlich auch seine Arbeit heraus. Er sagt deshalb zur Zukunft: "Wir wissen, dass wir eine gute Basis haben."

Probleme in der zweiten Saisonhälfte

Vor einigen Wochen hatte er erklärt: "Wir wissen, dass wir aufsteigen." Und genau an dieser Stelle besteht der Knackpunkt in der Causa Walter. Er hat unzweifelhaft wichtige Prozesse vorangetrieben. Aber es sind eben auch Entwicklungen ausgeblieben. Zum Beispiel in der zweiten Saisonhälfte, als nach der Sperre von Innenverteidiger Mario Vuskovic die Lösungen fehlten: Den Bossen auf dem Transfermarkt und dem Trainer auf dem Platz. Eine Anpassung ist in seiner Welt nicht vorgesehen. Die Folgen waren beim 0:3 im Relegations-Hinspiel in Stuttgart zu sehen, aber auch schon in manchem Ligaspiel dieses Jahres.

Kurzum: Die Fähigkeit, ein Aufstiegs-Trainer zu sein, hat Walter in zwei Jahren an der Elbe bislang nicht nachgewiesen - und soll dafür ein drittes erhalten.

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Das liegt einerseits an seinen Sympathiewerten, die innerhalb Hamburgs deutlich höher sind als außerhalb und an der Rückendeckung innerhalb der Mannschaft. Es liegt aber auch darin begründet, dass er und Boss Boldt mit Horst Hrubesch als Nachwuchs-Chef, Finanzvorstand Dr. Eric Huwer und dem zum Sportdirektor beförderten Claus Costa eine gewisse Hausmacht aufgebaut haben. In den Gremien fehlen schlichtweg Figuren, die eine Gegenposition einnehmen.

Wir haben so viel auf die Fresse gekriegt.

HSV-Coach Tim Walter

Walter präsentiert sich angriffslustig im Hinblick auf die bereits Ende Juli beginnende Zweitligasaison, die dann sechste des HSV. "Ich bin wie ein Boxer, der einen Schlag abbekommt", sagt er. "Ich schüttele mich, aber ich und wir alle haben Nehmer-Qualitäten. Wir haben so viel auf die Fresse gekriegt."

Zu Recht führt er an dieser Stelle die Vuskovic-Sperre an, die schweren Verletzungen der beiden Winter-Transfers Noah Katterbach und Andras Nemeth. Was für ihn spricht: Er hat es zwischen dem chancenlosen und schon vorentscheidenden ersten Spiel in Stuttgart (0:3) am späten Donnerstagabend und den wenigen Tagen bis zum Rückspiel geschafft, trotz Personalnot eine Mannschaft auf den Platz zu bekommen, die das Messer zwischen die Zähne und ihr Herz in die Hand genommen hat.

Dritter Anlauf in der kommenden Saison

"Ich brauchte ein, zwei Stunden, und ab dann bin ich wieder vorangegangen. Weil ich diese Jungs liebe." Daran, dass Walter seine Spieler und ein Umfeld anzünden kann mit seiner polarisierenden und eindringlichen Art, haben noch nie Zweifel bestanden. Die Zweifel, ob sein Stil auch aufstiegstauglich ist, konnte er in zwei Anläufen noch nicht ausräumen. Mit dieser Hypothek tritt er zum dritten Anlauf an.

Sebastian Wolff

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