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Formel 1 - Kommentar: Vettel und das Ende des roten Irrtums

Ein Kommentar von kicker-Redakteur Stefan Bomhard

Vettel und das Ende des roten Irrtums

Konnte die "vergiftete Offerte" der Scuderia nicht annehmen: Sebastian Vettel.

Konnte die "vergiftete Offerte" der Scuderia nicht annehmen: Sebastian Vettel. getty images

Vettel verlässt eine Scuderia, die mit ihren ständigen Führungswechseln an der Spitze (Stefano Domenicali, Marco Mattiacci, Maurizio Arrivabene, Mattia Binotto) nichts mehr zu tun hat mit jener der Schumacher-Ära, als ein starker Jean Todt von der Spitze her das italienische Chaosorchester zu einem Spitzenensemble formte und zu fünf WM-Titeln in Serie dirigierte. Seine vier Nachfolger in den letzten zwölf Jahren konnten daran nie anschließen.

Zu keiner Zeit gelang es ihnen, auch nur annähernd an die - mit Vettel - glanzvollen Red Bull und später dann an die überlegenen Mercedes heranzukommen. Nie in den fünf absolvierten Jahren (über 2020 lässt sich ja derzeit keine Aussage treffen) verfügte er über ein Auto, mit dem er hätte Weltmeister werden können. Unter dem Druck, es irgendwie doch zu schaffen, mussten Vettel am Lenkrad zwangsläufig Fehler unterlaufen. Jeder dieser Vorfälle nagte an ihm, ließ das Vertrauen seines Teams dahinschmelzen, schwächte kurzum die theoretische Schlagkraft der Kombination Ferrari-Vettel. Vettel, der im Grunde seines Wesens freundliche Rennfahrer, musste über die Jahre oft tief schlucken und an sich halten. Der lockere Umgang nach außen, mit dem er sich bei Red Bull ein sympathisches Image geschaffen hatte, war nicht mehr gefragt. Auch seinem engsten Umfeld blieb nicht verborgen, "dass bei Ferrari alles anders ist", wie es jemand mal gegenüber dem kicker ausdrückte. Andererseits muss ein Dickschädel sein, wer sich in der harten Welt der Formel 1 durchsetzen will. Und Vettel, das weiß man, kann ein echter Sturkopf sein.

Vergiftete Offerte - McLaren würde passen

Auch deshalb musste er die vergiftete Offerte ablehnen und einen Schlussstrich ziehen. Ihn abspeisen zu wollen mit einer lächerlichen Verlängerung um ein Jahr und das bei um mehr als die Hälfte gekürzten Bezügen, war eine Beleidigung - ein unmoralisches Angebot, das er nicht annehmen durfte. Hätte er es akzeptiert, wäre dies dem Eingeständnis gleichgekommen, sich zur Nummer 2 hinter dem jungen Charles Leclerc machen zu lassen. Als viermaligem Weltmeister war ihm klar, dass er diesen Schritt nicht gehen durfte. Am Ende stand die Einsicht, dass Ferrari ein roter Irrtum bleiben würde.

Und die Zukunft? Da nicht zu erwarten steht, dass Lewis Hamilton Mercedes verlassen wird, Vettel aber auch nicht gut beraten wäre, an dessen Seite zu treten, führt wohl kein Weg ins derzeit beste Team der Formel 1. Red Bull hingegen, seine einstige Mannschaft, hat mit Max Verstappen den Weltmeister der Zukunft längst in seinen Reihen; auch hier wäre Vettels Unterschrift unter einen Vertrag mit höchstem Risiko verbunden. Er muss jetzt andernorts beweisen, dass er an einem Team und dieses Team wiederum an ihm wachsen kann. Dazu bietet sich McLaren mit seiner einstigen Größe geradezu an. Hier herrschen in etwa Bedingungen, die auch Michael Schumacher vorfand, als er nach zwei WM-Titeln mit Benetton ab dem Jahr 1996 für Ferrari an den Start ging.

Die letzte verbleibende Alternative wäre das Karriereende. Das aber wäre gleichbedeutend mit dem Ende der glanzvollen Ära deutscher Rennfahrer in der Formel 1, mit nahezu 30 Jahren großer Triumphe.

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