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Wie Forest Green Rovers zum grünsten Klub der Welt wurde

Englands klimaneutraler Klub will aufsteigen

Traum aus Holz: Wie Forest Green Rovers zum grünsten Klub der Welt wurde

Komplett aus Holz: So soll das neue Stadion, der "Eco Park", aussehen.

Komplett aus Holz: So soll das neue Stadion, der "Eco Park", aussehen. Forest Green Rovers

Es wirkt ein wenig wie im Mittelalter, dabei soll sich hier doch alles um die Zukunft drehen. Unten Stroud, ein Städtchen in Gloucestershire mit knapp 13.000 Einwohnern, oben auf einem Hügel das burgähnliche Anwesen, in dem zwar nicht der Fürst, aber doch der bekannteste Mann der Gegend wohnt und hinabschaut auf die Leute. Dabei will Dale Vince, der Hausherr, gar nicht von oben herab regieren, sondern die Menschen mitnehmen. Vor allem die Fans der Forest Green Rovers, aber bei weitem nicht nur die.

Sein Verein, knapp 180 Kilometer westlich von London gelegen, befindet sich auf einer Mission. Die Rovers möchten der Fußballwelt ein Beispiel sein - beim Essen, bei den Trikots, beim neuen Stadion, das komplett aus Holz gebaut werden soll. Das Thema Nachhaltigkeit war im Klub schon wichtig, als Bio noch nicht boomte. Aber natürlich wollen die Rovers auch aufsteigen in die League One, das ist Englands 3. Liga.

Eine Zeitlang sah es dafür in dieser Saison sehr gut aus, doch im Frühjahr begann der Sinkflug. Der Verein macht vieles anders, aber manchmal ist man auch bei den Rovers im Alltag des Geschäfts gefangen. Nach vier Niederlagen im Stück musste vor zwei Wochen schließlich Trainer Mark Cooper gehen, der seit 2016 im Amt war. Klubeigner Vince betont, man werde "für immer Freunde bleiben", schließlich war unter Cooper 2017 der Sprung in die League Two gelungen. Unter Interimscoach Jimmy Ball sollen nun wenigstens noch die Play-offs gesichert werden. Drei Spieltage sind es noch, die Rovers liegen auf Platz 6, gejagt von Salford City, dem Verein von David Beckham, Ryan Giggs, Paul Scholes, Nicky Butt und der Neville-Brüder.

Dale Vince

Besitzer mit besonderen Vorstellungen - und besonderem Outfit: Dale Vince. imago images

Vince, 59 Jahre alt, gilt als rastloser Schnellsprecher, der sowohl schüchtern als auch sehr direkt sein kann. Der "Guardian" besuchte ihn kürzlich und beschrieb ihn als "Großbritanniens reichsten Hippie". In jungen Jahren ist er lange durch die Welt gereist, teilweise in einem 30 Jahre alten Feuerwehrauto. Irgendwann Ende der 80er Jahre hatte Vince die Idee, Windräder aufzustellen und damit Strom zu erzeugen. Was zunächst als Spleen belächelt wurde, wuchs heran zu einem ordentlichen Business. Im Jahr 2019 machte sein Unternehmen Ecotricity einen Umsatz von 230 Millionen Euro, längst betreibt er auch Ladesäulen für Elektroautos.

Seit er 2010 die Rovers übernahm, bringt Vince seine Ideen auch im Fußball ein. "Green" hatte der 1890 gegründete Klub praktischerweise schon im Namen. "Es war eigentlich nur eine Rettungsmission, nicht mehr", sagt Vince. Der Verein war verschuldet, er half aus. "Doch schon am zweiten Tag habe ich bemerkt, dass wir unseren Spielern rotes Fleisch servieren." Er selbst lebt seit langem vegan, also ließ er die Mahlzeiten im Klub umstellen. Bei den Spielern sei das weniger das Problem gewesen, "sie haben eingesehen, dass Fleisch ihrer Leistung eher schadet". Aber als es darum ging, auch den Fans bei den Heimspielen Tofu-Burger und vegetarische Pies zu servieren, "da hatte ich Ausschreitungen befürchtet".

Ganz so schlimm kam es nicht, heute ist die anfängliche Skepsis weitgehend vorbei, auch wenn Auswärtsfans vor der COVID-Pandemie hin und wieder sangen: "Where's your burger van?" Seit 2015 sind die Rovers komplett vegan, allein das sorgte für Schlagzeilen. Inzwischen hat der Verein über 100 Fanklubs in 20 Ländern, Arsenal-Verteidiger Hector Bellerin, ein sehr reflektierter Fußballprofi, stieg als Teilhaber ein, die Vereinten Nationen zertifizierten die Rovers als ersten klimaneutralen Klub, von der FIFA erhielt man die Ehrung als "grünster Verein der Welt".

Bei den Forest Green Rovers wird ausschließlich veganes Essen serviert.

Bei den Forest Green Rovers wird ausschließlich veganes Essen serviert. Getty Images

Doch Vince machte weiter in punkto Nachhaltigkeit. Regenwasser wird gesammelt, natürlich kommt der Rasen ohne Kunstdünger aus, Strom für die Beleuchtung liefern Solarpanele, Müllvermeidung steht an oberster Stelle. Die Spieler tragen seit Kurzem Trikots hergestellt aus Kaffeeresten und Plastik aus der Recyclinganlage, obendrein in spektakulärem Design: limettengrün mit schwarzen Zebrastreifen. "Mir gefällt es einfach, das Unerwartete zu tun", sagt Vince, der weiß, dass sein Verein nur ein Zwerg ist, aber auf Nachahmer bei den Riesen der Branche hofft.

Das bislang größte Projekt der Rovers wird nun das Stadion. Das Büro der irakisch-britischen Stararchitektin Zaha Hadid gewann den Wettbewerb mit einem Modell samt einer elegant geschwungenen Dachkonstruktion, vor ein paar Wochen gab auch der Ligaverband sein Okay. Komplett aus Holz sollen die Tribünen gebaut werden, für Vince der nachhaltigste Rohstoff, und auch noch direkt in der Region geschlagen. Nur wann es losgeht, ist noch offen.

Der alte Platz heißt "The New Lawn" ("Der neue Rasen"), das hört sich fast ein wenig nach Camp Nou an, fasst aber nur rund 5000 Fans. Vor Corona kamen im Schnitt 2700 Leute zu den Spielen, aber auch das soll sich spätestens nach einem Aufstieg ändern.

Martin Gruener