Bundesliga

Trainertausch nicht genug: BVB braucht einen Kulturwandel

Kommentar von kicker-Reporter Matthias Dersch

Trainertausch nicht genug: BVB braucht einen Kulturwandel

Enttäuschung beim BVB: Wie ein angeknockter Schwergewichtsboxer taumelten die Dortmunder zu Platz 4.

Enttäuschung beim BVB: Wie ein angeknockter Schwergewichtsboxer taumelten die Dortmunder zu Platz 4. imago

Es war ein Finale, sinnbildlich für den Verlauf einer extremen Saison: Borussia Dortmund hat sich durch eine 1:3-Niederlage bei der TSG 1899 Hoffenheim für die Champions League qualifiziert . Wie angeknockte Schwergewichtsboxer taumelten die BVB-Profis am Samstag dem letzten Gong entgegen - und liefen am Ende auch deshalb auf Rang vier ein, weil die punktgleichen Leverkusener im Parallelspiel gegen Hannover nur 3:2 gewann.

Peter Stöger erfüllte somit seine Mission - wenn auch mit Ach und Krach nach nur noch einem Punkt aus den letzten drei Saisonspielen. Wenig überraschend erklärte er anschließend das Ende seiner Tätigkeit beim BVB . Doch wenn sich die Anstrengung und der Frust die vergangenen Monate gelegt haben, darf sich der Österreicher durchaus über seinen keinesfalls selbstverständlichen Erfolg freuen. Denn wenn es etwas gab, wovon die Dortmunder in dieser Spielzeit mehr als genug hatten, dann waren das Probleme.

Zur Erinnerung: Als Stöger am 10. Dezember 2017 seine halbjährige Mission antrat, befand sich der BVB im freien Fall und war nach einem beispiellosen Absturz binnen weniger Wochen von der Tabellenspitze bis auf Rang acht durchgereicht worden. Dortmund wartete seit acht Liga-Spielen auf einen Sieg, bis Stöger kurzfristig die Notbremse zog und die Borussia durch zwei Siege in Mainz (2:0) und gegen Hoffenheim (2:1) stabilisierte. In 19 Spielen unter der Leitung des Österreichers erspielte der BVB 33 Punkte und verlor außer gegen Hoffenheim nur gegen München, Schalke und Mainz. Stögers Punkteschnitt liegt bei 1,73 und damit im Soll. Hochgerechnet auf eine volle Saison hätte dieser Schnitt für Rang drei gereicht.

Inkonstanz blieb die einzige Konstante des BVB

kicker-Reporter Matthias Dersch

Der sehnsüchtige Wunsch nach Ruhe, er erfüllte sich allerdings auch unter Stöger nicht. Das Aus im DFB-Pokal in München, das Aus in der Europa League gegen Salzburg, die Demütigungen in der Liga in München (0:6) und auf Schalke (0:2), zuletzt der lustlos wirkende Auftritt beim 1:2 gegen Mainz - die Serie der Enttäuschungen riss unter dem 52-Jährigen nicht ab. Die Inkonstanz blieb die einzige Konstante des BVB.

Dass beide Seiten am Ende trotz der erfolgreichen Qualifikation für die Königsklasse nicht an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert waren, ist deshalb nachvollziehbar. Bereits frühzeitig dürfte Stöger nach seiner Amtsübergabe gespürt haben, dass die Probleme des BVB weit über die an Harakiri erinnernde Taktik des Bundesliga-Neulings Bosz hinausgingen - und weiterhin gehen.

Stöger gelang es zwar, die Symptome in den Griff zu bekommen, die komplexen Ursachen für die Wechselhaftigkeit der Dortmunder Darbietung allerdings konnte er nicht beseitigen. Umso höher ist es ihm anzurechnen, dass er zwischendurch nicht entnervt hinwarf, sondern das Ziel Champions-League-Qualifikation bis zum letzten Spieltag verfolgte.

Favre soll den Neuaufbau gestalten - und muss eine Einheit formen

Als sein Nachfolger soll in der kommenden Saison Lucien Favre den dringend nötigen Neuaufbau gestalten. Der Schweizer gilt als Experte in puncto Mannschaftsentwicklung und ist ein Verfechter einer klaren Spielphilosophie. Fähigkeiten, die er beim fast entgleisten BVB gut gebrauchen kann. Doch der als sensibel geltende Favre wird mehr leisten müssen, als dem Klub eine sportliche Identität zurückzugeben. Er wird auch aus der dann umformierten Ansammlung an noch immer überwiegend hochveranlagten Spielern eine funktionierende, fokussierte Einheit formen müssen.

Lucien Favre

Wird mehr leisten müssen, als dem Klub eine sportliche Identität zurückzugeben: Lucien Favre. imago

Eine Aufgabe, bei der er dringend die Unterstützung der Chefetage des BVB benötigt. Mit der Hinzunahme von Sebastian Kehl als neuem Leiter der Lizenzspielerabteilung und von Matthias Sammer als externen Berater haben Klubboss Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc erste wichtige Schritte vollzogen. Weitere werden folgen müssen. Die Verpflichtung charakterstarker Spieler etwa, die nicht nur Qualität, sondern auch Mentalität mitbringen, ist alternativlos, wenn die Borussen nicht in einem Jahr wieder vor einem Neuaufbau stehen wollen.

Und: Der BVB benötigt in Gänze einen Kulturwandel, um die angeknackste Stellung als zweiter Leuchtturm des deutschen Fußballs zu verteidigen. Mit einem Tausch des Trainers – das bewies die jüngere Vergangenheit des Klubs nur zu gut – kann es nicht getan sein.

Bilder zur Partie TSG Hoffenheim - Borussia Dortmund