3. Liga

RW Essen: Niklas Tarnat und Jakob Golz im kicker-Interview

Essen: Die Väter waren wahre Bundesliga-Größen

Tarnat und Golz: "Bis wir richtig angekommen sind, hat es gedauert"

Niklas Tarnat hat mit Essen noch einiges vor.

Niklas Tarnat hat mit Essen noch einiges vor. IMAGO/Eibner

Genau wie ihr Verein Rot-Weiss Essen absolvieren auch Jakob Golz (24) und Niklas Tarnat (24) jeweils ihre erste Saison in der 3. Liga. Der Torhüter und der Mittelfeldspieler sind mit dem Traditionsklub von der Hafenstraße auf einem guten Weg, sich im Profifußball zu etablieren. Sie treten dabei in große Fußstapfen, denn ihre Väter waren berühmte Bundesliga-Spieler.

Seit zehn Tagen ist RWE wieder im Training. Ist es die bislang ungewöhnlichste Vorbereitung Ihrer Karriere?

Jakob Golz: Vom Zeitpunkt her auf jeden Fall. Normalerweise fahre ich in der Winterpause in den Skiurlaub, diesmal war ich bei der Familie in Hamburg. Über Weihnachten haben wir noch einmal ein paar Tage frei, um zu entspannen. Ein solches Break tut während der Vorbereitung sicherlich auch mal gut.

Niklas Tarnat: Nach unserem letzten Ligaspiel bei 1860 München (1:1, d. Red.) hatten wir mit dem Staff und den Mitarbeitern der Geschäftsstelle schon eine kleine Jahresabschlussfeier. Ich habe dabei aus alter Gewohnheit allen schon frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr gewünscht. Und jetzt habe ich sie schon vorher wiedergesehen (lacht).

Sieben Spiele ohne Niederlage vor der Winterpause

RWE überwintert auf Rang 13, sechs Punkte vor einem Abstiegsplatz. Wie zufrieden sind Sie bisher?

Golz: Nach unserem missglückten Saisonstart können wir definitiv zufrieden sein. Dass wir in der Liga angekommen sind, zeigen die sieben Spiele ohne Niederlage vor der Winterpause. Darauf ruhen wir uns aber nicht aus, sondern wollen so weitermachen.

Sie gehören beide zu den Spielern, die schon Teil des Aufstiegskaders waren und erstmals in der 3. Liga am Ball sind. Was hat Sie am meisten überrascht?

Tarnat: Überrascht ist vielleicht das falsche Wort. Aber uns wurde gleich zu Beginn deutlich vor Augen geführt, dass in der 3. Liga - im Gegensatz zur Regionalliga - jeder Fehler sofort betraft wird. Beim 1:5 zum Auftakt gegen Elversberg waren vier der ersten fünf Torschüsse des Gegners direkt drin. Die Liga ist extrem ausgeglichen, jeder kann wirklich jeden besiegen. Es hat einige Zeit gedauert, bis wir richtig angekommen sind.

Golz: Das kann ich nur unterstreichen. Die zahlreichen Gegentore waren schon sehr bitter.

Mit einem spielentscheidenden Patzer waren Sie auch an der 0:1-Derbyniederlage in Dortmund beteiligt, Herr Golz. Wie gehen Sie grundsätzlich mit Fehlern um?

Golz: Es war natürlich kein angenehmes Gefühl, dass diese Niederlage auf meine Kappe ging. Ich bin grundsätzlich allerdings ein Typ, der solche Rückschläge gut verarbeiten und wegstecken kann. Das habe ich dann ja auch bewiesen. Dass mir unser Trainer Christoph Dabrowski gleich nach dem Spiel das Vertrauen ausgesprochen hat, tat ebenfalls sehr gut.

Der Trainer hat mit seinem Gespür für die gesamte Gruppe und mit seinen taktischen Vorgaben einen riesigen Anteil am Aufschwung.

Niklas Tarnat

Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Gründe für den folgenden Aufschwung?

Tarnat: Die nötige Qualität und ein gesundes Mannschaftsgefüge waren von Beginn an da. Als Team mussten wir aber erst verstehen, dass wir nicht mehr in der Regionalliga und damit in jedem Spiel automatisch der Favorit sind, sondern auch mal die Außenseiterrolle annehmen müssen. Das hat ein wenig gedauert. Der Trainer hat mit seinem Gespür für die gesamte Gruppe und mit seinen taktischen Vorgaben, die wir dann nach und nach umgesetzt haben, einen riesigen Anteil daran.

Was ist Ihr Ziel für den Rest der Saison?

Golz: Oberstes Ziel ist und bleibt der Klassenverbleib. Dafür wollen wir nach der Pause so schnell wie möglich die nötigen Punkte holen.

In Fußball-Deutschland wird Essen als "schlafender Riese" wahrgenommen. Teilen Sie diese Ansicht?

Tarnat: Zu 100 Prozent. Wenn ich beispielsweise zu Hause in München bin und auf RWE zu sprechen komme, dann weiß direkt jeder Bescheid. Das unterstreicht die Historie, aber auch die aktuelle Bedeutung des Vereins.

Golz: Das kann ich nur bestätigen. Welche Unterstützung wir schon in der Regionalliga hatten, ist einmalig.

Tarnat: Um im Bild zu bleiben: Richtig erwachen wird der Riese aber erst, wenn es eines Tages eine Liga weiter nach oben geht. Dabei wollen wir dem Verein sehr gerne helfen.

Das war im Alter von sechs, sieben Jahren natürlich etwas Besonderes.

Jakob Golz

Im Profifußball ist es eher ungewöhnlich, dass sich Teamkollegen schon seit Kindertagen kennen. Haben Sie sich schon damals gut verstanden?

Tarnat (grinst): Das soll mal lieber Jakob beantworten.

Golz: Als unsere Väter zusammen für Hannover 96 gespielt haben, saßen wir oft gemeinsam auf der Tribüne und waren nach den Partien auch regelmäßig unten auf dem Platz. Das war im Alter von sechs, sieben Jahren natürlich etwas Besonderes. Später war der Kontakt nicht mehr so intensiv, ganz abgerissen ist er aber nie.

Torwart Jakob Golz

Jakob Golz ist ein echter Rückhalt für RWE. IMAGO/Sven Simon

Wie war es, sich in Essen wiederzusehen?

Golz: Ich muss zugeben, dass ich mich schon gefreut habe, als mir Niklas im letzten Herbst via Instagram geschrieben hat, dass er mal bei uns vorbeikommt, um sich vorzustellen. Es war für ihn sicher nicht schlecht, dass er schon einen aus dem Team kannte.

Tarnat: Man sagt ja, dass man sich im Leben immer zweimal sieht. Das war bei uns definitiv der Fall. Dass wir schon als kleine Kinder zusammen auf dem Platz standen, wenn auch nicht im Verein, ist sehr lustig. Damals war ich auch noch größer als Jakob. Jetzt hinke ich ein paar Zentimeter hinterher (lacht).

Welche persönlichen Eigenschaften und welche sportlichen Qualitäten schätzen Sie am jeweils anderen?

Tarnat: Jakob ist als Torwart ein sehr guter Fußballer. Man kann mit ihm immer spielerische Lösungen suchen. Dass er ab und zu auch mal Bälle fangen kann, hat er ebenfalls in dieser Saison bewiesen. Dazu hat er großen Anteil an der guten Stimmung in der Kabine.

Golz: Als Mitspieler schätze ich an Niki besonders, dass er sich immer zeigt und den Ball haben will. Sein Einfluss auf dem Platz wird von außen oft unterschätzt, dabei ist er ein sehr wichtiger Faktor für unser Spiel. Außerdem bringt er sich manchmal als Mannschafts-DJ ein.

In England wurde mein Interesse deutlich intensiver.

Niklas Tarnat

Wollten Sie Ihren Vätern nacheifern und schon immer Profifußballer werden?

Golz: In meinen Fragebogen in der Grundschule habe ich eingetragen, dass ich Tennisspieler werden möchte. Ich habe es später auch versucht, bin dann aber doch beim Fußball geblieben. Wahrscheinlich war die Entscheidung nicht ganz falsch.

Tarnat: Ich fand es schon cool, meinen Papa im TV zu sehen und auch selbst ein Trikot zu tragen. Der Wunsch, Profi zu werden, hat sich aber erst wesentlich später entwickelt, vor allem während unserer Zeit in England. Dort wurde mein Interesse deutlich intensiver.

Genau wie Ihr Vater Richard, der 453 Bundesligaspiele bestritten hat, wurden Sie Torhüter, Herr Golz. Kam keine andere Position infrage?

Golz: Zu Beginn meiner Jugendzeit habe ich alle möglichen Positionen auf dem Feld gespielt - vom Innenverteidiger bis zum Stürmer. Ab der U 12 beim HSV war ich dann im Tor. Dabei blieb es dann auch, obwohl ich in der U 17 wegen einiger verletzungsbedingter Ausfälle in einem Test- und einem Pokalspiel noch einmal im Feld spielen durfte und in den beiden Partien dann auch noch insgesamt drei Tore erzielt habe.

Als zentraler Mittelfeldspieler nehmen Sie dagegen eine andere Rolle ein als Ihr Vater Michael, Herr Tarnat. War das eine bewusste Entscheidung?

Tarnat: Meine Mama sagt immer, ich habe das Talent von ihr geerbt und spiele deshalb im Zentrum (lacht). In der Allstars-Mannschaft des FC Bayern läuft mein Papa inzwischen aber auch nicht mehr als Außenverteidiger auf, sondern ebenfalls auf der Sechs. Bei mir liegt es wohl daran, dass ich noch nie der schnellste Spieler war. Ich bin eher ein Typ, der viel denkt und versucht, das Spiel zu lenken. Das kommt in der Mitte am besten zur Geltung.

Nehmen Sie sich Ratschläge Ihrer Väter zu Herzen?

Golz: Da er häufiger bei unseren Spielen vor Ort ist oder sich die Partien im Fernsehen anschaut, sprechen wir natürlich darüber. Das Feedback ist mir auch wichtig. Schließlich weiß er genau, wovon er spricht.

Tarnat: Wer in einer Fußballerfamilie aufwächst, für den hat das Wort der Eltern ein besonders großes Gewicht. Auch mein Papa hat das alles selbst erlebt, den Beruf erlernt und über viele Jahre ausgeübt. Da hört man natürlich hin.

Sie sind beide 24 Jahre und sind Stammspieler. Sehen Sie sich bereits in einer Führungsrolle?

Tarnat: Da antworte ich mal für Jakob (lacht). Er ist unser erster Torwart und damit der erste Mann in unserer Achse. Wenn er nicht so lautstark auf dem Platz wäre, dann hätten wir ein großes Problem. Von daher ist die Antwort klar. Er weiß allerdings auch, dass er noch besser werden kann.

Golz: Niklas hat von der zentralen Achse gesprochen, die für das Team sehr wichtig ist. Zu dieser Achse gehört er als Sechser auch. Entsprechend übernimmt er viel Verantwortung.

Der Verein will sich zunächst in der 3. Liga etablieren, strebt aber mittelfristig höhere Ziele an. Sehen Sie die Spielklasse auch als Sprungbrett?

Golz: Jeder Spieler sollte ambitioniert und nie zufrieden sein. Wir sehen uns und den Verein nicht am Ende der Entwicklung und wollen weiter nach oben, ganz klar.

Mit Rot-Weiss noch einmal aufzusteigen, hätte mit Sicherheit seinen Reiz.

Niklas Tarnat

Welche persönlichen Ziele verfolgen Sie grundsätzlich?

Golz: Ich halte nicht viel davon, sich ein festes Ziel zu setzen. Jeder will so weit wie möglich nach oben kommen. Sollte ich eines Tages 300 Spiele für RWE bestritten haben, wäre das auch nicht so verkehrt.

Tarnat: Im Fußball kann man nie vorhersagen, wohin der Weg führt. Neben Talent und Ehrgeiz benötigt auch jeder das nötige Glück, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Mit Rot-Weiss noch einmal aufzusteigen, hätte mit Sicherheit seinen Reiz.

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