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Super League: Der Basketball zeigt, welches Chaos dem Fußball droht

Vier europäische Wettbewerbe und wenig Transparenz

Super League: Der Basketball zeigt, welches Chaos dem Fußball droht

Die Euroleague ist der beste europäische Basketball-Wettbewerb - mit geschlossenem Teilnehmer-Feld.

Die Euroleague ist der beste europäische Basketball-Wettbewerb - mit geschlossenem Teilnehmer-Feld. imago images

Bayern München scheitert auf dem Weg zum Meistertitel schon früh, darf aber trotzdem im besten europäischen Wettbewerb antreten. RB Leipzig wird Vize-Meister, spielt aber in keinem der vier europäischen Wettbewerbe. Borussia Dortmund weiß lange nicht, in welchem Wettbewerb es auflaufen darf und tritt einfach freiwillig für die kommenden fünf Jahre in der Europa League an. Borussia Mönchengladbach dürfte an der Königsklasse wahrscheinlich teilnehmen, bekommt aber keine Startlizenz, weil der Standort zu unattraktiv ist. Und Schalke 04 steigt ab, darf aber weiterhin in der Champions League spielen.

Allesamt verrückte Szenarien, die undenkbar scheinen - im europäischen Basketball aber undurchsichtige Realität sind. Wie konnte es dazu kommen? Der Blick zurück zeigt viele Wirren und einige Parallelen zum eingeschlagenen Weg im Fußball.

Die FIBA stellt ihre Turniere ein

Die Geschichte des zerstückelten europäischen Basketballs begann so richtig in den 1990er Jahren, als sich mehrere europäische Top-Klubs zusammenschlossen, um ihre Interessen gegenüber den Verbänden zu stärken - vor allem in Sachen TV-Vermarktung. Aus ihr ging Anfang der 2000er Jahre die Euroleague hervor, die stark an das nun geplante "Super League"-Modell im Fußball erinnert: Die Euroleague wurde zu einem geschlossenen Wettbewerb geformt, ohne Absteiger und die Möglichkeit, sich direkt sportlich zu qualifizieren. Der Weltverband FIBA konnte nur zuschauen, versuchte seine Vereinswettbewerbe am Leben zu erhalten, musste aber letztlich einsehen: Ohne die Topteams hatten sie an Wert verloren. Der ehemals existierende Europapokal der Landesmeister bzw. dessen Nachfolge-Turniere wurden eingestellt, auch wenn die FIBA später nochmal neue Anläufe für eigene Turniere unternahm.

In der Euroleague folgten derweil Jahre mit wechselnden Modi (Aufstockung auf über 30 Teilnehmer, Reduzierung, Gruppenphasen), die auch den nationalen Ligen immer größere Konkurrenz machen. Inzwischen gibt es 18 Starter (aus zehn Ländern) in der Euroleague, die in der Hauptrunde Hin- und Rückspiele austragen und an die sich die Play-offs mit einem Final Four anschließen. Für die beiden inzwischen festen deutschen Vertreter heißt das vor allem ein dichter Terminkalender. Bayern München und Alba Berlin bestreiten sowohl in der Bundesliga als auch in der Euroleague 34 normale Punktspiele, einige davon - weil es ja in der Euroleague keinen Abstieg gibt - ohne großen Wert. Hinzu kommen Play-offs und Pokalwettbewerbe.

2015 droht die FIBA auch den Nationalmannschaften - plötzlich gibt es vier europäische Wettbewerbe

Während der erste Bruch zwischen der Euroleague und FIBA noch relativ geräuschlos verlief, eskalierte er 2015 - vergleichbar mit der jetzt drohenden Explosion des Fußballs. Denn in einer groß angelegten Aktion versuchte die FIBA die Euroleague wieder unter ihren Einflussbereich zu kriegen. Das Vorhaben misslang. Es entstanden stattdessen neben der Euroleague und dem von ihr initiierten Eurocup zwei weitere Wettbewerbe: die Champions League und der Europe Cup, die die FIBA organisiert.

Das Chaos war komplett, nachdem der Weltverband den Nationalverbänden mit dem Ausschluss von großen Turnieren drohte, sollten sich diese nicht von der neuen Liga abkehren. Übertragen auf den Fußball würde das heißen: Eine EM oder WM findet ohne die besten Spieler wie Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi statt, weil ihre Teams in einem nicht von der FIFA (bzw. UEFA) organisierten Wettbewerb antreten - ein Drohszenario, das bereits jetzt schon im Raum steht.

Die Fans bleiben auf der Strecke

Im Basketball wurde immerhin ein wackliger und wenig befriedigender Kompromiss gefunden. Für Qualifikationsspiele werden die Euroleauge-Spieler (wie auch die NBA-Profis) nicht abgestellt, was zur Folge hat, dass in nahezu allen Verbänden "B-Teams" die Qualifikationsturniere spielen. Erst für die Final-Turniere für EM, WM oder Olympia kommen dann die Topspieler dazu.

SAP Garden

Der SAP Garden in München - einer der gewünschten Standorte in der Euroleague. imago images

Was auf der Strecke bleibt, sind die Fans. Denn die bekommen größtenteils nicht nur unattraktive Länderspiele zu sehen. Sie haben auch kaum Chancen, die Qualifizierungswege auf Klub-Ebene zu durchschauen. Wer tritt wo an, welches Ziel muss erreicht werden, um in welchem Wettbewerb zu starten?

Die Euroleague sucht sich ihre Teilnehmer selbst aus

Gespräche über feste Starter in der Euroleague, die sich durch die nationalen Ligen oder die FIBA-Wettbewerbe qualifizieren, sind gescheitert. Wer an den bedeutsamen Euroleague- und Eurocup-Saisons teilnimmt, entscheidet die Euroleague selbst. Sie vergibt A-Lizenzen und Wildcards, ohne Rücksicht auf das nationale Abschneiden. So tritt der FC Bayern Basketball in dieser Spielzeit in der Euroleague an, obwohl er beim Kampf um die deutsche Meisterschaft im Sommer 2020 schon im Viertelfinale ausgeschieden ist. Vize-Meister Ludwigsburg hingegen verzichtete für diese Saison gleich komplett auf einen Europa-Wettbewerb.

Deshalb wird auch immer wieder über weitere Euroleague-Starter aus Deutschland spekuliert. Die Hamburg Towers sind zwar erst im vergangenen Jahr aufgestiegen und qualifizierten sich kürzlich das erste Mal für die Play-offs in der Bundesliga. Aber wäre Hamburg nicht ein schicker Standort für die Euroleague oder den Eurocup? Dass dieses Vorgehen umgekehrt auch zum Ausschluss durch die Hintertür führen kann, zeigt das Beispiel Brose Bamberg.

Bamberg musste 2018 gehen - nicht ganz unfreiwillig

Der Traditionsklub aus Oberfranken, der zwischen 2010 und 2017 siebenmal die deutsche Meisterschaft gewann und phasenweise als deutscher Starter in der Euroleague spielte, zog sich 2018 aus den Wettbewerben zurück. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Finanzielle Einsparungen beim Klub und der nicht gewünschte sportliche Erfolg spielten eine Rolle. Vor allem aber auch, dass die Euroleague-Organisatoren die Bamberger lange hinhielt und nicht mit einer Startlizenz ausstattete, bis sich diese mit dem Verweis auf nötige Planungssicherheit selbst für fünf Jahre der Champions League anschlossen.

Bedeutet: Würde Bamberg etwa in dieser Saison Meister werden, dürften sie nicht in der geschlossenen Euroleague antreten. Denn die hätte zum einen wohl kein Interesse am vergleichsweise kleinen Standort. Zum anderen hat sich Bamberg eben für fünf Jahre der Champions League verschrieben.

Weil die Liga es will: Wer baut einen Standort in London auf?

Das Beispiel Bamberg zeigt vor allem, wie sehr die Euroleague auf große, bekannte Standorte mit ausreichend Wirtschaftskraft setzen will. Insofern ist Bayern München, das zudem 2022 mit dem SAP Garden eine neue hochmoderne Arena im Olympiapark beziehen will, auch dank seines renommierten Namens nicht überraschend mit einer festen Lizenz ausgestattet worden. Alba Berlin als zweiter deutscher Standort erfüllt ebenfalls einige Kriterien: Eine Metropole, eine topmoderne Halle und durchaus ein über die vergangenen Jahrzehnte gewachsener Name im Basketball.

Jordi Bertomeu

CEO, Organisator und höchster Vertreter: Jordi Bertomeu. imago images

Dass vor allem Letzteres nur bedingt wichtig ist, zeigen andere Starter in der Euroleague - und das Beispiel London. Dem Vernehmen nach hätte die Euroleague gerne auch einen festen Standort in Großbritannien, wo Basketball allerdings nicht die ganz große Rolle spielt. Da die Insel aber wirtschaftlich interessant ist, soll am Aufbau eines Teams in London gearbeitet werden. Ob und wie fest dieser Klub dann in einer nationalen Liga verwurzelt wäre oder ob sich nicht ein schon bestehendes Team aus der britischen Liga als Starter anbietet, spielt eine untergeordnete Rolle.

Welche Rolle spielen nationale Ligen auf lange Sicht?

Liegt da also nicht auch die Frage nahe, welche Rolle nationale Ligen überhaupt auf lange Sicht spielen? Schon jetzt sind die Klubs an ihrer Belastungsgrenze durch Euroleague-Spiele, nationale Wettbewerbe, Play-offs und Pokal-Partien... Weil die Euroleague-Vereine aber meist als Zugpferde ihrer Liga fungieren, haben sie viel Einfluss, der zu teils seltsamen Auswüchsen führt. In Spanien verlangten Real Madrid und der FC Barcelona beispielweise, nicht mehr bei allen Teams aus der nationalen ACB antreten zu müssen. In Griechenland musste Olympiakos Piräus nach nationalen Streitigkeiten sogar in die 2. Liga absteigen, nahm das aber mehr oder minder achselzuckend in Kauf - in der attraktiven Euroleague spielen die Hafenstädter weiter mit ihrem A-Kader, dort gibt es dann schließlich auch das hitzige Derby gegen Panathinaikos.

Hoeneß und die Bayern bekennen sich zur Bundesliga - noch

Und die Bayern? Uli Hoeneß, der die Basketball-Abteilung des Fußball-Rekordmeisters förderte und auf nationales Topniveau hievte, bekannte sich immer wieder zur Bundesliga, ähnlich wie die große Fußballabteilung zur DFL-Liga. Aber das bedingungslose Bekenntnis bröckelt. Das letztlich abgesagte und von der BBL organisierte Pokalturnier kritisierten die Bayern harsch, weil es die Vorbereitung auf das erste Play-off-Duell gegen Mailand in der Euroleague erschwerte. Und Hoeneß selbst räumte letztens im "MagentaSport"-Interview ein, die Teilnahme am Final Four der Euroleague in Köln einer deutschen Meisterschaft vorzuziehen.

Entspannung ist nicht in Sicht

Womöglich ein Fingerzeig, was die Zukunft angeht? Für viele Fans hat die Euroleague hohen Unterhaltungswert. Aber nicht wenige wünschen sich transparente und einheitliche Regeln, wie sich ein Klub durch Leistung auf nationaler Ebene für europäische Wettbewerbe qualifizieren kann, die nicht mehr wie jetzt parallel ablaufen, kreuz und quer durch Verbände und Kalender.

Der Konflikt zwischen Euroleague und FIBA ist seit Jahren aber derart festgefahren, dass eine solche Einigung nicht in Sicht ist. Das Chaos bleibt.

Frederik Paulus

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