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Stuttgarter Kickers: Frage des Wollens, nicht des Müssens

Oberliga Baden-Württemberg

Stuttgarter Kickers: Eine Frage des Wollens, nicht des Müssens

Vertrauen statt Wintertransfers: Sportdirektor Marc Stein fokussiert sich bei der Kaderplanung der Stuttgarter Kickers auf die kommende Saison.

Vertrauen statt Wintertransfers: Sportdirektor Marc Stein fokussiert sich bei der Kaderplanung der Stuttgarter Kickers auf die kommende Saison. imago images/Sportfoto Rudel

Oberliga Baden-Württemberg

Marc Stein ist angekommen bei den Stuttgarter Kickers. Der Sportdirektor, der zum 1. Januar seinen Dienst in Degerloch antrat, blickte bei seinem Start in einige bekannte Gesichter aus seiner Zeit als Spieler zwischen 2013 und 2016.

Damals waren die Kickers Drittligist und sollen das auch bald wieder sein, darauf hofft zumindest ein Teil der noch immer großen Fangemeinde. Stein denkt in kleineren Schritten: "Wir müssen uns Step-by-Step weiterentwickeln." Natürlich, so weiß auch Stein, planen die Kickers mittel- bis langfristig wieder Teil des Profifußballs zu werden, "und dafür muss man dann mehr als nur eine Liga höher spielen", doch erstmal lautet das Ziel Regionalliga. "Dort wollen wir uns erstmal etablieren und eine gute Rolle spielen, sobald der Aufstieg geklappt hat."

Im engen Titelrennen der Oberliga Baden-Württemberg müssen die Kickers zwangsläufig zum schärfsten Konkurrenten SGV Freiberg blicken. "Generell schauen wir aber lieber auf uns", unterstreicht Stein, der selbstbewusst anfügt: "Wenn wir uns gut weiterentwickeln, wird es unumgänglich, dass wir irgendwann hochgehen."

Wenn wir uns gut weiterentwickeln, wird es unumgänglich, dass wir irgendwann hochgehen.

Marc Stein, Sportdirektor

Irgendwann, das verlangt einem für Oberliga-Verhältnisse großen und emotionalen Umfeld - die Kickers spielen schließlich regelmäßig vor einer vierstelligen Kulisse - viel Geduld ab. Doch immerhin, das Wohl und Wehe des Traditionsklubs hängt nicht am kurzfristigen Erfolg: "Natürlich wollen wir hoch, wir müssen es aber nicht", wischt Stein sämtliche Unterstellungen beiseite, dass Oberliga auf der Waldau so langsam aber sicher nicht mehr finanzierbar sei. Im Gegenteil, ligaunabhängig läuft die Kaderplanung bereits auf Hochtouren, mit Flamur Berisha haben die Kickers schon einen vielversprechenden Neuzugang für 2022/23 in trockenen Tüchern. "Vier bis fünf Neue im Sommer könnten es werden", kündigt der Sportdirektor an, dem es ansonsten wichtig ist, dass der eigene Nachwuchs regelmäßig neue Spieler für die erste Mannschaft liefert: "Sowohl in der U 19 wie auch in der U 17 haben wir gute Jungs." Stein sieht in diesem Unterbau explizit einen Wettbewerbsvorteil seines Vereins.

Um den Oberliga-Kader mit dem Jugendbereich so eng wie möglich zu verzahnen, fungiert Yannick Dreyer in Personalunion als Co-Trainer der Ersten und Cheftrainer der U 19. Dreyer folgte in dieser Doppelrolle auf Mustafa Ünal, der diese Aufgabe bis Ende September ausfüllte, ehe er zum Chefcoach der Oberliga-Mannschaft befördert wurde. Über Ünal sagt Stein: "Er kennt den Verein sowie dessen Befindlichkeiten und hat eine klare Ansprache."

Nach Walldorf II wartet Reutlingen

Zurück zur Verzahnung: Im Winter war angedacht, dass auch die beiden höchsten Jugendmannschaften mit ins Trainingslager nach Side (Türkei) fliegen, doch das Szenario, dass minderjährige Spieler nach einer etwaigen Corona-Infektion fernab der schwäbischen Heimat in Isolation müssen, hat die Verantwortlichen zum Umdenken bewogen. Somit fuhr die Ünal-Truppe alleine, fand gute Bedingungen vor und will diesen Rückenwind mit in die am Samstag beginnende Rückrunde nehmen. "Mit Astoria Walldorf II haben wir noch eine Rechnung offen," erinnert Stein an die 0:1-Niederlage zum Saisonauftakt Anfang August. Auch danach geht es Schlag auf Schlag, mit dem Derby beim SSV Reutlingen, dem Heimspiel gegen den Tabellenvierten TSG Backnang und dem Topspiel-Kracher gegen den SGV Freiberg. Hier könnten erste Weichen gestellt werden. "Wir müssen in jedem Spiel liefern und wollen mit guten Ergebnissen den Druck auf Freiberg hochhalten", gibt der Sportdirektor die Marschroute vor.

Mijo Tunjic von den Stuttgarter Kickers

Kommt nach schwieriger Hinrunde wieder besser in Form: Angreifer Mijo Tunjic imago images/Pressefoto Baumann

Dass der Sprung in die vierte Liga alles andere als ein Selbstläufer wird, zeigte sich 2018/19, als die Kickers die Oberliga hinter dem Bahlinger SC als Zweiter abschlossen und anschließend in der Aufstiegsrunde scheiterten. Danach kamen zwei Saisons mit von Corona erzwungenen Abbrüchen und jetzt steht im Kampf um Platz eins mit Freiberg ein harter Brocken im Weg, der in regelmäßigen Abständen Ex-Profis verpflichtet, wie Mitte Januar den drittligaerfahrenen Marco Kehl-Gomez. Stuttgart hingegen ließ drei Spieler ziehen, darunter zwei Leihen von Talenten, holte aber keine Neuen. "Es gab für uns auf dem Transfermarkt keine Optionen, die einen Mehrwert für uns geboten hätten", so Stein, der sowieso großes Vertrauen in das aktuelle Aufgebot setzt. "In unserem Kader steckt richtig viel Potenzial, um in der Rückrunde noch besser Fußball zu spielen." Stellvertretend für die Hoffnung, dass der aktuelle Kader noch Luft nach oben hat, steht Mijo Tunjic: Der 33-Jährige mit dem exzellenten Torriecher steht in dieser Spielzeit erst bei einem Treffer. Doch nach Verletzungspech im Laufe der Hinrunde kam Tunjic während der Wintervorbereitung wieder besser in Form und kennt übrigens genauso wie sein Sportdirektor das Gefühl, im Kickers-Trikot 3. Liga zu spielen.

Stefan Wölfel

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