Bundesliga

Stadionsprecher Hafner: "Ich bin und bleibe Nullfünfer"

Mainz: Emotionaler Abschied nach 30 Jahren

Stadionsprecher Hafner: "Ich bin und bleibe Nullfünfer"

Ur-Mainzer: Klaus Hafner feiert nach 30 Jahren als Stadionsprecher des 1. FSV Mainz 05 seinen Abschied.

Ur-Mainzer: Klaus Hafner feiert nach 30 Jahren als Stadionsprecher des 1. FSV Mainz 05 seinen Abschied. imago images

Samstag, 17:10 Uhr, es läuft die Schlussphase der Partie gegen die TSG Hoffenheim - und Klaus Hafner wird wohl ein letztes Mal sein legendäres "Auf geht's" ins Mikrofon rufen, um das Publikum für die letzten Minuten der Saison 2018/19 zu animieren. Es werden auch die letzten Minuten Hafners als Stadionsprecher sein. Für den selbst gewählten Abschied nach drei Jahrzenten sei "die Zeit gekommen". Doch ein wirklicher Abschied ist es eigentlich nicht. Von seinem Arbeitsplatz an der Seitenlinie zwischen den Trainerbänken wird er zukünftig nur wenige Meter entfernt auf der Haupttribüne sitzen. "Ich bin und bleibe Nullfünfer, werde immer mit Herz und Seele dabei sein. Jetzt kann ich endlich auch mal von der Tribüne schimpfen", meinte Hafner lachend. Der sympathische Ur-Mainzer und der FSV sind unzertrennlich. Die Vorfreude darauf, die Fußballspiele in der Rheinland-Pfälzischen Landeshauptstadt zukünftig aus der Fan-Perspektive verfolgen zu können, ist ihm durchaus anzusehen.

"Es wird sicher emotional werden", sagte Hafner im Gespräch mit dem kicker an seinem 65. Geburtstag. Die Feier an diesem Tag war - wie vieles in seinem Leben - fest mit dem FSV verbunden. Das vorletzte Heimspiel der Saison gegen RB Leipzig stand auf dem Programm. So gesehen Hafners Generalprobe für die Abschiedsgala an diesem Samstag. Für ihn selbst war es immer eine Freude, ins Stadion zu kommen. Selbstverständlich auch am eigenen Geburtstag. "Es ist kein Beruf für mich. Sondern eines der schönsten Hobbys, das ich je hatte." Abseits des Fußballplatzes ist Hafner noch als Eventmanager tätig, bis er auch dort in diesem Jahr in den Ruhestand geht.

Besuch bei Klopp in Liverpool

Durch die dann neu gewonnene Freizeit ist endlich die Möglichkeit gegeben, einen Freund zu besuchen. Es geht nach Liverpool an die Anfield Road. Denn das Verhältnis zu Jürgen Klopp ist ein ganz besonderes. "Was wir alles zusammen erlebt haben, ist unbeschreiblich. Wir haben uns blind verstanden. Der Jürgen hat eine Überzeugungskraft, der würde selbst dem Papst ein Doppelbett verkaufen (lacht). Dazu hat er ein sensationelles Gefühl und Gespür für Menschen." Bisher blieb für den Besuch beim englischen Spitzenklub noch keine Zeit. Das soziale Engagement, seit Jahren ein großes Steckenpferd Hafners, ist sehr zeitaufwändig.

Erinnerungen an den Aufstieg 2004 - und an 2003

Viele Momente, positive wie negative, haben sich seit 1989 in Hafners Gedächtnis verankert. "Logischerweise der Aufstieg in die Bundesliga 2004. Die Feiern rund um den Theaterplatz mit 30.000 Leuten werde ich nie vergessen. Im Stadion kam die Polizei zu mir und meinte, ich solle jetzt an den Theaterplatz, um dort zu moderieren. Dort angekommen wollte ich erstmal etwas essen (lacht). Daraus wurde aber nichts, denn auf dem Platz standen schon 15.000 Menschen. Ich dachte mir in dem Moment nur, wo sollen die ganzen Fans aus dem Stadion noch hin", erzählte Hafner vom wohl bedeutendsten Moment in der Geschichte der Rheinhessen. Ein Jahr zuvor sah die Welt noch ganz anders aus: "Die tragischen Momente, wie der verpasste Aufstieg 2003, bleiben ebenso immer dabei. Ein Hoffen und Bangen, dann die Aussichtslosigkeit. Die Tränen flossen." Der FSV verpasste den Aufstieg, weil Eintracht Frankfurt dank dreier Treffer in den Schlussminuten mit dem besseren Torverhältnis noch am Nachbar vorbeizog.

Auszeichnung über die Fair-Play-Wertung

Hafner hat den Klub und damit auch die Bundesliga geprägt. Einzigartig in den Fußballstadien der Republik, dass die Gästefans ihre Aufstellung selbst skandieren dürfen. Eine Idee Hafners, die dazu beigetragen hat, dass die Nullfünfer über die Fairplay-Wertung in der Saison 2005/06 an der Europa League teilnehmen durften. "Ich habe mich immer über die Beleidigungen geärgert beim Vorlesen der Namen. Die Idee ist mir dann ganz spontan gekommen. Danach dachte ich zuerst: Oh, jetzt kannst du das Mikro gleich hinlegen und heimgehen. Doch die Leute haben applaudiert. Der Plan war dann zunächst, das ein Jahr zu testen. Hätte es nicht geklappt, hätte ich mich in den Mittelkreis gestellt und gesagt: Entschuldigung, das war eine Fehleinschätzung. Aber die Reaktionen waren durchweg sehr positiv. Es ist auch einer der Gründe, weshalb unsere Fans in der Fremde oft sehr freundlich aufgenommen werden", erklärte Hafner.

Das Wohl des Vereins steht bei ihm an erster Stelle. Da wird auch vor deutlichen Worten nicht zurückgeschreckt. Als Anhänger von Hannover 96 den Gästeblock mit dem Zünden von Pyrotechnik in eine Rauchwolke steckten, hallte es durchs Stadion: "Es wird ja auch ein paar Vernünftige bei Euch im Block geben. Fackel abnehmen und denen in den Hals stecken!" Es ist seine ehrliche, nicht verstellte Art, die geliebt wird, aber auch polarisiert.

"Wie die Jungfrau zum Kind" zum Posten am Mikrofon

Die Zusammenkunft war für beide Seiten - Hafner und den FSV - jedenfalls ein absoluter Glücksfall. Dabei kam er, wie er selbst sagt, "wie die Jungfrau zum Kind" zu seinem Posten am Mikrofon. Ex-Präsident Harald Strutz stellte ihn vor 30 Jahren vor vollendete Tatsachen. "'Am Samstag bist du Stadionsprecher', meinte Harald zu mir. Ich nahm es gar nicht ernst. Erst als er am nächsten Tag erneut anrief, wurde mir das klar", meinte Hafner. Seit 1981 bereits als Jugendtrainer im Verein aktiv, war er spätestens ab dann ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der 05-Familie. Die Entwicklung des Vereins hat er somit erlebt wie kaum ein Zweiter. "Es ist wirklich phänomenal. Es gab Zeiten, da waren wir eigentlich zahlungsunfähig. Ich habe gemeinsam mit Harald Strutz Schreibmaterial und weitere Utensilien von unserem eigenen Geld gekauft. Wenn man das miterlebt hat, kann man heute umso mehr nachempfinden, was für eine Riesenleistung es war, den Verein zu dem zu machen, der er heute ist."

Übergabe an Andreas Bockius

Trotz vieler gesundheitlicher Beschwerden, einem Schlaganfall, einem Sprunggelenksbruch - Hafner hat sich immer zurück in sein Leben und auch auf den grünen Rasen gekämpft. "Doch irgendwann ist es an der Zeit, den Weg freizumachen", erklärte er. Der frühzeitige Klassenerhalt ist für ihn das perfekte Abschiedsgeschenk. Einer unbeschwerten Feier steht nichts im Wege. Und an den Nachfolger Andreas Bockius übergibt er seinen Verein in die "richtigen Hände". Und zukünftig wacht er ja nur wenige Sitzplatzreihen weiter oben darauf, dass die besondere Atmosphäre in Mainz erhalten bleibt.

Moritz Kreilinger

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