Bundesliga

Sportkardiologe über DFL-Spielordnung: "Das macht natürlich keinen Sinn"

Prof. Dr. Martin Halle im kicker-Interview

Sportkardiologe über DFL-Spielordnung: "Das macht natürlich keinen Sinn"

Kritisiert den Umgang bei internistischen Problemen im Hochleistungssport: Professor Dr. Martin Halle.

Kritisiert den Umgang bei internistischen Problemen im Hochleistungssport: Professor Dr. Martin Halle. picture alliance/dpa

Die Pandemie dauerte jetzt schon zwei Jahre, inwiefern hat sich der Blick verändert, was die Rückkehr von Hochleistungssportlern ins Training nach einer COVID-19-Infektion betrifft?

Es hat sich von einer Phase "Wir wissen nicht, was kommt" zu einer Phase "Wir wissen jetzt mehr" entwickelt. Ganz am Anfang hatte man unterschätzt, dass nach einer COVID-19-Erkrankung Herzmuskelentzündungen auftreten können, man hatte sich zu sehr auf die Lunge konzentriert. Zwischenzeitlich hieß es dann, dass es bei bis zu 70 Prozent der Infizierten zu Veränderungen des Herzens gekommen ist. Mittlerweile weiß man, dass es nur in ein bis zwei Prozent der Fälle so ist.

Wie gut lässt sich der Verlauf einer Corona-Infektion bei Sportlern heute vorhersagen?

Noch immer ist zu wenig bekannt, dass die Infektion in zwei Wellen verläuft. Es ist falsch, dass man mit dem ersten Negativtest wieder gesund ist. Das Virus ist aus der Schleimhaut weg, aber nicht aus dem Körper, dort kann es noch immer eine Herzmuskelentzündung verursachen. Das Virus kann das Immunsystem so stark stimulieren, dass zirka sieben Tage nach der Infektion eine zweite Welle entsteht. Diese hat dann mit dem eigentlichen Virus nichts mehr zu tun, sondern mit der Immunreaktion des Körpers. Diese kann so stark sein, dass die Gefäße in verschiedenen Organen angegriffen werden.

Wie groß ist die Gefahr für geimpfte Sportler?

Als wir noch keine Impfungen hatten, war diese zweite Welle die Regel und man musste unbedingt diese zweite Phase abwarten. Durch Omikron stecken sich mittlerweile auch Geimpfte an, durch die Impfung ist die Immunreaktion des Körpers geringer. Die Zeit ohne Sport hat sich dadurch verkürzt.

Welche Diagnoseverfahren gibt es vor der der Rückkehr ins Training?

Mediziner achten im Wesentlichen auf Herz und Lunge. Um die Lungenfunktion zu testen, macht man ein Belastungs-EKG und entnimmt vorher und nachher aus dem Ohrläppchen Blut, um die Blutgase zu messen. Wir erinnern uns an den Fall Joshua Kimmich, bei dem auf Röntgenaufnahmen Flüssigkeit aufgrund der Entzündung in der Lunge zu sehen waren. An diesen Stellen wird kein Sauerstoff transportiert.

Zu welche Untersuchungen raten Sie weiter?

Wenn Herzmuskelgewebe geschädigt wurde, kann man das ähnlich wie bei einem Herzinfarkt im Blut messen und erkennen, ob es bereits abgeheilt ist. Außerdem fließen bei einer Herzmuskelentzündung die elektrischen Ströme nicht mehr richtig, sodass man eine Problematik auch daran erkennen kann.

Sind bildgebende Verfahren nötig?

Ja, mit einem Herzultraschall kann man eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit sehr gut erkennen.

Für einen Leistungssportler spielt praktisch nur das Herz eine Rolle. Wenn die Lunge angegriffen ist, würde man das im Training schnell registrieren, es wirkt wie eine angezogene Handbremse, dazu kommt eine allgemeine Müdigkeit.

Prof. Dr. Martin Halle


Ist nach einem negativen PCR-Test und bei unauffälligen Untersuchungsergebnissen eine Woche nach der Infektion wieder Hochleistungssport angeraten?

Als verantwortlicher Arzt würde ich zudem eine Kernspinuntersuchung vom Herzen machen, die noch viel besser Wasser, Flüssigkeit oder Entzündungen erfassen kann. Wenn alles in Ordnung ist und auch die subjektiven Beschwerden verschwunden sind, würde ich den Sportler freigeben. Nur Labor, EKG und Ultraschall reichen aus meiner Sicht nicht aus bei Hochleistungssportlern.


Ist die Schädigung des Herzens die größte Gefahr?

Für einen Leistungssportler spielt praktisch nur das Herz eine Rolle. Wenn die Lunge angegriffen ist, würde man das im Training schnell registrieren, es wirkt wie eine angezogene Handbremse, dazu kommt eine allgemeine Müdigkeit. Herzmuskelentzündungen werden allerdings als nicht mehr so dramatisch erachtet, weil man inzwischen weiß, dass das Virus mehr in den Zwischenräumen der Herzmuskelzellen bleibt und nicht die Zellen selber zerstört. Damit ist auch die Gefahr eines plötzlichen Herztods gesunken. Nichtsdestotrotz muss natürlich die Gesundheit des Sportlers im Vordergrund stehen.

Sind die Pausen nach einer Infektion aus Ihrer Sicht zu kurz?

Wenn ein Sportler einen Muskelfaserriss hat, sagen alle, jetzt dauert es aber mehrere Wochen. Wenn jemand Corona hat, soll er am Samstag darauf wieder auf dem Spielfeld stehen. Es herrscht ein falsches Verständnis. Während bei orthopädischen Sachen klar ist, es geht einfach nicht, denkt man bei internistischen Problemen, es wird schon gehen. Hauptsache, die Beine bewegen sich.

Laut DFL-Spielordnung sollen wegen Corona ausgefallene Spiele möglichst innerhalb der folgenden Woche nachgeholt werden. Ist das angemessen?

Das macht natürlich keinen Sinn. Aus medizinischer Sicht wären 14 Tage zwischen der Infektion und dem nächsten Spiel das absolute Minimum. Wer im Leistungssport unterwegs ist, weiß zudem ganz genau, dass er nach einer Krankheit von der Leistungsfähigkeit nicht da weitermachen kann, wo er vor der Infektion aufgehört hat...

Interview: Michael Ebert