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Spielen vor Vielen - Woher Lampenfieber kommt

Experten erklären die Aufregung bei großen Turnieren

Spielen vor Vielen - Woher Lampenfieber kommt

Sobald Publikum dazukommt, flattern die Nerven. Aber warum ist das so? Wir fragen Experten.

Sobald Publikum dazukommt, flattern die Nerven. Aber warum ist das so? Wir fragen Experten. ESL

Endlich ist der große Moment da: Das erste eigene FIFA-Turnier steht an. Ihr kommt an, geht auf die Bühne und dann sind da Hunderte Teilnehmer und ganz unbekannte Zuschauer. Plötzlich schwitzen die Hände, das Herz rast, der Tunnelblick ist da und auf dem virtuellen Platz läuft nichts mehr zusammen. Noch an der heimischen Konsole haben alle Übersteiger und Berba-Spins einwandfrei funktioniert und Ihr habt ein Tor nach dem anderen geschossen. Dabei bleibt das Spiel ja eigentlich dasselbe. 'Mo_Aubameyang' hat schon vor großem Publikum gespielt und weiß, was anders wird: "Die größte Veränderung ist, dass man jede Sekunde beobachtet wird, ob spielerisch oder im Verhalten." Das kennt auch 'Nerchio'. Der StarCraft-Spieler aus Polen hat gerade erst die Niederlande per All Kill aus einem internationalen Turnier gekickt. Bloch spielt schon seit 2010. "Wenn Leute mich anfeuern, erzeugt das größeren Druck zu gewinnen und die Zuschauer zufrieden zu stellen", sagt er. Und das löst bei uns Menschen Stress aus. Wir wollen uns vor den anderen nicht blamieren.

Warum wir Lampenfieber haben

Prof. Dr. Ingo Froböse

Prof. Dr. Ingo Froböse beschäftigt sich wissenschaftlich an der deutschen Sporthochschule mit eSport und erklärt uns das Lampenfieber. Sebastian Bahr

In der Psychologie wird das Phänomen "Social Facilitation" genannt, im normalen Sprachgebrauch ist es einfach Lampenfieber. Professor Doktor Ingo Froböse leitet das Zentrum für "Gesundheit durch Sport und Bewegung" an der Deutschen Sporthochschule Köln und weiß viel über das Phänomen: "Social facilitation" ("soziale Aktivierung") besagt, dass Lebewesen bei bloßer Anwesenheit von Artgenossen bei einfachen Aufgaben bessere Resultate erzielen. Bei komplexen Aufgaben kehrt sich diese Aktivierung um und die Leistung der Person sinkt", erklärt Froböse der auch seit Jahren zum Thema eSport forscht.

Wenn der eSportler also weiß, dass ein Publikum zuschaut, wird seine Motivation gesteigert und sein Ehrgeiz geweckt, möglichst optimal zu performen.

Prof. Dr. Ingo Froböse

Laut der Theorien zur sozialen Aktivierung fällt ein Mensch in einer solchen Situation in dominantes Verhalten zurück, also in dass, was er instinktiv in der Situation tun würde. Im Stress wird der Controller dann vielleicht zu fest gehalten, oder die Sprinttaste zu lange gedrückt, der rechte Stick zu schnell geflickt und schon geht alles daneben. Dagegen hilft nur beinhartes Üben: Erst wenn Euch die Berba-Spins und Kombinationen wortwörtlich in Fleisch und Blut übergegangen sind, fallt Ihr in der Stresssituation darauf zurück. "Manchmal bringen mir die Zuschauer die Energie, noch besser zu spielen, aber genauso gut kann es dazu führen, dass ich Fehler mache, obwohl das fast nie (mehr) vorkommt", sagt 'Nerchio'. Wer Toreschießen also im Schlaf beherrscht, den wird das Publikum anspornen, noch bessere und noch viel mehr Dinger ins Netz zu knallen. Aber Vorsicht, hier lauert auch eine Gefahr, sagt Mohammed Harkous: "Viele versuchen ihren Spielstil attraktiver zu gestalten, was völlig Quatsch ist."

Kompliziertes lieber Zuhause

Artur 'Nerchio' Bloch.

Artur 'Nerchio' Bloch spielt seit über sechs Jahren professionell StarCraft. Mit uns spricht er über seine Erfahrungen auf Bühnen. Euronics Gaming

Komplizierte Tätigkeiten funktionieren besser daheim an der eigenen Konsole, wenn niemand schaut. Etwa das Lernen von neuen Tricks. Beobachtet dabei jemand, verschlechtern sich die Leistungen. Das weiß sogar ein Profi wie Bloch: "Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich zuhause spielen kann und bin sogar mit sechs Jahren Bühnenerfahrung immer noch ein wenig nervös, wenn ich vor vielen Menschen spiele."

Für das Phänomen der "sozialen Aktivierung" gibt es drei unterschiedliche Theorien, die versuchen, die Vorgänge zu erklären. Prof. Dr. Froböse erläutert mit einer davon, warum Aufgaben, die noch unzureichend beherrscht werden, vor Publikum problematisch sind: "Beobachtete Personen machen sich Gedanken über die Erwartungen der Zuschauer und sind deswegen emotional erregt, da sie sich nicht blamieren wollen und gut dastehen möchten."

Ich glaube, dass es nicht möglich ist so etwas zu üben. Das kommt mit der Erfahrung.

Artur Bloch zur Ruhe vor Publikum

Eine weitere Theorie geht davon aus, dass ein Teil der Aufmerksamkeit abgezogen wird, durch Publikum, Freunde oder dergleichen. 'Mo_Aubameyang' hingegen nutzt Zuschauer zu seinem Vorteil. Im Stream nämlich: "Bei der Weekend League ist es immer so, dass sich die 40 Spiele sehr in die Länge ziehen und bei mir ist irgendwann der Zeitpunkt gekommen, wo es mir langweilig wird und dann spiele ich nicht bei 100 Prozent. Beim Streamen bist Du gezwungen jede Sekunde Gas zu geben, weil die Zuschauer was sehen wollen und dort gibt man nicht so leicht eine 2:0-Führung her."

Auch die Wissenschaft stützt das: "Insbesondere im eSport, wo mittlerweile ein Millionenpublikum erreicht wird und professionelle eSportler wie 'Stars' in der Szene gehypt werden, gilt es seinem Ruf gerecht zu werden und eine möglichst gute Performance abzuliefern. Wenn der eSportler also weiß, dass ein Publikum zuschaut, wird seine Motivation gesteigert und sein Ehrgeiz geweckt, möglichst optimal zu performen", sagt Ingo Froböse.

Ist halt immer Kopfsache: Man sollte es genießen vor einem Publikum zu spielen.

Mohammed Harkous

Publikum motiviert

Wer also Motivation oder gar Legitimation fürs FIFA-Spielen braucht, der ist mit einem Publikum gut beraten, zum Beispiel in einem Stream. Nichtsdestotrotz leidet die Leistung dabei immer, sagt Harkous: "Es ist ein Unterschied, ob man vor Zuschauern spielt oder im Stream mit den Leuten redet. Ich würde auch bei mir sagen das 5-10 Prozent fehlen, wenn ich streame." Je nervöser jemand durch die Zuschauer wird, desto schlechter spiele er außerdem, sagt Harkous weiter.

Lampenfieber kommt und geht

Mohammed Harkous

Der deutsche Meister Mohammed Harkous kennt sich aus, mit dem Spielen vor Vielen. Mit uns spricht er darüber was hilft. kicker eSport

Und auch er kennt das Lampenfieber: "Beim Finale der Virtuellen Bundesliga war ich schon aufgeregt: Live auf Sky und zudem war ich noch krank. Da es im Fernsehen gezeigt wurde, haben es so viele mitbekommen. Das Spiel hab ich auch verloren." Aber es geht auch anders: "Das erste Mal vor einem großen Publikum war die ESL Meisterschaft. Nach dem Turnier war ich selbst überrascht, wie locker ich auf dem Event war. Wäre ich dort nervös gewesen, hätte ich das Turnier nicht gewonnen."

Bleibt also festzuhalten: Ist FIFA schon einfach für Euch, helfen Zuschauer. Lernt Ihr noch Tricks und übt das Toreschießen, solltet Ihr das erstmal zuhause alleine machen. Die Forschung dazu steckt aber laut Prof. Dr. Froböse noch in den Kinderschuhen: "Genaue Untersuchungen oder Studien gibt es zu diesem Phänomen in Bezug auf eSport noch nicht."

Aber nicht verzagen, jeder fängt mal klein an. 'Nerchio' war auch nicht immer so ruhig und entspannt: "Ich erinnere mich noch daran, dass ich ziemlich nervös und schüchtern war, als ich zu spielen begann. Heute bin ich selbstbewusst und habe keine Angst mehr, vor Zuschauern zu spielen." Zum Abschluss hat der Deutsche Meister noch einen Tipp für alle, die vor ein Publikum müssen: "Ist halt immer Kopfsache: Man sollte es genießen vor einem Publikum zu spielen und auch wenn man verliert, nicht die Nerven verlieren. Niederlagen machen einen nur stärker."

Holm Kräusche

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