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Spaniens 1115 Pässe sagen mehr als 1000 Worte

Verbleib von Coach Hierro eher unwahrscheinlich

Spaniens 1115 Pässe sagen mehr als 1000 Worte

Zuvor ideenlos, dann ratlos: Spanien verabschiedete sich bereits im Achtelfinale von der WM.

Zuvor ideenlos, dann ratlos: Spanien verabschiedete sich bereits im Achtelfinale von der WM. Getty Images

Sergio Ramos sprach kurz nach Schlusspfiff von "einem der schwersten Momente". Der Kapitän erklärte: "Es gibt viele Formen zu verlieren - aber so ist Fußball. Du tust alles dafür, um zu gewinnen, aber es sollte nicht sein." Sollte es wirklich nicht sein? Zumindest die Statistik sprach für einen Sieg der Spanier. Der Monster-Wert von 1115 Pässen war neuer WM-Rekord. Dabei fanden nur 107 keinen Mitspieler. Zum Vergleich: Russland spielte insgesamt (!) 291 Pässe, wobei 99 nicht ankamen. Es waren nach 120 Minuten 79 Prozent Ballbesitz für die Iberer - doch auch das reichte nicht.

Hat Spanien das Viertelfinale in gewisser Weise also auch "ver-passt"? Die Russen zumindest taten nicht allzu viel dafür, den Ball in den eigenen Reihen zu halten. Und waren damit gut beraten: Der Weltmeister von 2010 wirkte ideen- und inspirationslos, Kreativität ging eigentlich nur von einem Spieler aus. "Mal sehen, ob in Katar jemand Isco hilft, die Weltmeisterschaft zu gewinnen", titelte die "Marca" vielsagend. Sie hatten beim tristen Auftritt ihrer Mannschaft "das Spanien von gestern" gesehen. Andres Iniesta saß überraschend nur auf der Bank, konnte nach seiner Einwechslung für den blassen David Silva aber auch keine entscheidenden Akzente mehr setzen. Später am Abend trat Iniesta wenig überraschend aus der Nationalmannschaft zurück ("alles in allem der traurigste Tag meiner Karriere").

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Jeder Spanier hat gesehen, dass wir alles auf dem Platz gegeben haben.

Kapitän Sergio Ramos über die Leistung der "Furia Roja"

Was nütze der ganze Ballbesitz, das exzessive Passspiel, wenn so gut wie nichts dabei herausspringe, fragten spanische Gazetten wenig überraschend. Sergio Ramos setzte zur Verteidigung seines Teams an: "Jeder Spanier hat gesehen, dass wir alles auf dem Platz gegeben haben. Es tut weh, aber wir haben unsere Seele auf dem Platz gelassen. Als Kapitän bin ich stolz auf die Mannschaft", so der Innenverteidiger, der beim Elfmeterschießen wieder in die Psycho-Kiste griff.

De Geas Bilanz des Grauens

In Russland hatte aber bei weitem nicht nur die Offensive enttäuscht, vielmehr offenbarte die Hintermannschaft ungewohnt große Schwächen. Sergio Ramos hatte gegen Russland zwar 197 Ballkontakte und eine Passquote von 95 Prozent, eine Zweikampfquote von 47 Prozent ist allerdings so gar nicht Sergio-Ramos-like. Dazu kommt Gerard Piqué, der komplett unnötig den Handelfmeter zum 1:1 verschuldete. Er ist der erste Spanier (seit Datenerfassung 1966), der bei einer WM gleich zwei Elfmeter auf seine Kappe nehmen muss.

Er bekam in Russland auch tatsächlich kaum eine Hand an den Ball: David de Gea.

Er bekam in Russland auch tatsächlich kaum eine Hand an den Ball: David de Gea. Getty Images

Die unglücklichste Figur in Russland machte allerdings fraglos Keeper David de Gea, der eine überragende Saison für Manchester United in der Premier League gespielt hatte. Seine Schreckensbilanz (samt dem Elfmeterschießen gegen Russland ): Während der WM bekam er elf Schüsse auf sein Tor, zehnmal schlug der Ball auch ein. Vom Punkt blieb er gegen die Sbornaja im Gegensatz zu seinem Pendant Igor Akinfeev komplett glücklos. Spanien hatte damit nach 1986 (gegen Belgien) und 2002 (gegen Südkorea) im vierten Anlauf sein drittes Elfmeterschießen verloren.

Hierro: "Wenn man Kritik üben willen, dann an mir"

Und was sagt überhaupt Coach Hierro dazu, der vor der WM kurzfristig für Julen Lopetegui übernahm und der Mannschaft nur wenig Esprit einhauchen konnte? "Wir sind mit großen Spielern hierhergekommen, um etwas Wichtiges zu schaffen. Es war mir eine Ehre, die Spieler trainiert zu haben. Wir haben alles versucht, auch etwas riskiert", resümierte der 50-Jährige.

Es sei einfach schwer für seine Elf gewesen, auch weil der Gegner "extrem defensiv eingestellt" war. Im gleichen Moment stellte Hierro aber auch klar: "Ich kann den Spielern keinen Vorwurf machen. Wenn man Kritik üben willen, dann an mir als Trainer. Ich übernehme die Verantwortung."

Das interessiert mich nicht.

Fernando Hierro über einen möglichen Verbleib als Trainer

Schwer vorstellbar, dass Hierro nach seiner Performance in Russland als Trainer der Spanier weitermachen darf. Aber was denkt er selbst darüber, wollten die Journalisten wissen. "Darum geht es gerade am wenigsten, das ist auch nicht meine Entscheidung. Das interessiert mich nicht", so der vorherige Sportdirektor des spanischen Verbandes. Präsident Luis Rubiales kündigte an: "Wir werden uns diese Woche beim Verband zusammensetzen und dann Entscheidungen treffen. Jetzt beginnt der erste Tag eines neuen Projekts, darüber werden wir jetzt in dieser Woche beim Verband sprechen."

Schuster sah Hierro schon vorher als Problem

Diesbezüglich klare Worte hatte Bernd Schuster, Kenner des spanischen Fußballs, schon vor dem Achtelfinale bei Radiosender "Onda Cero" gefunden: "Spaniens Problem Nummer eins ist, dass Hierro kein Trainer ist. Er hat keine Erfahrung auf diesem Niveau. Spieler zu sein ist nicht das Gleiche wie Trainer. Du brauchst schon einen sehr klaren Plan." Den hatte Spanien gegen Russland sicherlich nicht. Das sagen die 1114 Pässe auch aus.

msc