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Solskjaers unruhiger Umbau - Manchester United im Check

Premier-League-Vorschau, Teil 3

Solskjaers unruhiger Umbau - Manchester United im Check

Steht gleich unter Druck: Ole Gunnar Solskjaer.

Steht gleich unter Druck: Ole Gunnar Solskjaer. picture alliance

Es wäre vielleicht auch zu kitschig gewesen. Ole Gunnar Solskjaer hat in der vergangenen Saison nicht das Ende bekommen, das nach dem Start als Interimstrainer mit acht Siegen in Folge und nur einer Niederlage aus den ersten 17 Partien erwartet worden war. Trotz des zwischenzeitlichen dritten Platzes wurde Manchester United nur Sechster, die Euphorie nach der knatschenden Ära Mourinho wieder deutlich gedämpfter.

Doch Solskjaer, seit März Cheftrainer, arbeitet - anders als Mourinho - daran, auf dem Platz mit der Premier-League-Elite Schritt zu halten. Der Norweger setzte in der Vorbereitung auf Fitness und Kondition, ließ jeden Lauf aufzeichnen, um in der kommenden Spielzeit das hohe Tempo von Meister ManCity und Champions-League-Sieger Liverpool mitzugehen. Unter Mourinho war ManUnited eine Kontermannschaft, Solskjaer will das Spiel selbst gestalten und den Gegner früh unter Druck setzen.

Deshalb hätte der Trainer seinen endgültigen Kader auch gerne schon vor dem Abflug zur Vorbereitungstour nach Asien vollständig gehabt oder kurz danach - nur hat Vorstandsboss Ed Woodward das mit dem hohen Tempo noch nicht komplett verinnerlicht. Daniel James (21, offensives Mittelfeld, für 17 Millionen Euro von Swansea City gekommen) und Aaron Wan-Bissaka (21, Rechtsverteidiger, für 55 Millionen Euro von Crystal Palace) waren zwar früh da, nur der dritte und teuerste Transfer ließ, wie sich nun herausgestellt hat, unnötig lange auf sich warten.

Woodward brauchte drei Monate, um den vollen Preis dann doch zu zahlen

Im Mai hatte Leicester seinem WM-Fahrer Harry Maguire (26) Berichten zufolge ein 80-Millionen-Pfund-Preisschild umgehängt. Nach drei Monaten intensiver Verhandlungen hat Woodward 80 Millionen Pfund (ca. 87 Millionen Euro) gezahlt und Maguire damit zum teuersten Abwehrspieler der Welt gemacht. Der 20-malige Nationalspieler soll bei United das werden, was Liverpool vom bisherigen Ablöserekordhalter Virgil van Dijk (28, 85 Millionen Euro) bekommen hat: ein intelligenter und robuster Innenverteidiger mit spielerischen Qualitäten - und der dringend benötigte Leader.

Über 140 Millionen Euro hat United in diesem Sommer in zwei Abwehrspieler investiert. Für Liverpool und Jürgen Klopp waren van Dijk und Torhüter Alisson (26, zusammen um die 147 Millionen Euro) die Eckpfeiler auf dem Weg zur Rekord-Vizemeisterschaft und zum CL-Sieg. Pep Guardiola brauchte für seinen Fußball bei ManCity offensivstarke Außenverteidiger, moderne Innenverteidiger und einen mitspielenden Torwart, also ließ er 300 Millionen Euro für zwei zentrale (John Stones, Aymeric Laporte), drei Außenverteidiger (Benjamin Mendy, Kyle Walker, Danilo) und Schlussmann Ederson ausgeben - und formte das dominanteste Premier-League-Team der Historie. Jetzt macht Solskjaer das eben auch.

ManUnited kann sich einen Di-Maria-Alexis-Sanchez-Typ nicht mehr erlauben

Für ManUnited werden Maguire und Wan-Bissaka noch nicht die Schlüssel sein, um gleich wieder nach der Ligakrone zu greifen. Ganz sicher aber sind es zwei Neuzugänge, die Solskjaer genau so in seinem System vorgesehen hat. Viel zu oft hat United nach der Ferguson-Ära Geld für Namen ausgegeben (Alexis Sanchez, Angel di Maria), ohne zu schauen, ob die Spieler charakterlich und spielerisch auch wirklich reinpassen.

Solskjaer versichert, dass zum Start der Saison (gleichbedeutend mit dem Ende von Englands Transferfenster) keine "Spieler hier sind, die ich nicht hier haben will". Paul Pogba (26) ist damit gemeint, der Verkauf des wechselwilligen Eigengewächses ziemlich sicher vom Tisch. Romelu Lukaku (26) durfte den Rekordmeister verlassen, auch wenn der wuchtige Belgier in seinen zwei Jahren im Old Trafford jeweils Uniteds erfolgreichster Stürmer war.

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Der anvisierte Tausch mit Juventus und Wunschspieler Paulo Dybala ist gescheitert, Lukakus Weg führte daher zu Antonio Conte und Inter. Das macht in der vorgesehenen 4-2-3-1-Formation den Weg frei für Marcus Rashford (21), der dort noch mehr Torgefahr ausstrahlen muss, oder Anthony Martial (23), der seine beste Saison bei den Red Devils als Mittelstürmer ablieferte (2015/16 - 17 Tore, neun Vorlagen), allerdings auch im linken offensiven Mittelfeld eine Option ist.

Fred und Alexis: Taut ein Missverständnis noch auf?

Für die Außen hat Solskjaer sonst nur den noch unerprobten Neuzugang James, Jesse Lingard (26), Andreas Pereira (23) und Routinier Juan Mata (31, mit einem frischen Vertrag ausgestattet) als Optionen. Was mit Alexis Sanchez passiert oder ob der 30-Jährige, mit einem Verdienst von 500.000 Pfund in der Woche wohl nur schwer loszukriegen, irgendwann doch noch Fuß fasst in Manchester, bleibt abzuwarten.

Paul Pogba

Solskjaer setzt auf ihn: Paul Pogba. picture alliance

Im Mittelfeld wird die Lage noch überschaubarer. Pogba, den Solskjaer auch aus seiner Zeit beim ManUnited-Nachwuchs bestens kennt, sollte die erste Option auf der Zehn sein. Immerhin war der Weltmeister mit wettbewerbsübergreifend 16 Treffern bester Torschütze der Vorsaison und unter Mourinho fast schon eine Verschwendung im defensiveren Bereich. Dahinter fehlt neben einem schwächelnden Nemanja Matic (31) ein starker Part auf der Doppelsechs. Fred (26), im vergangenen Sommer für fast 60 Millionen Euro aus Donezk gekommen, ist im Dress der Red Devils bislang jeden Nachweis internationaler Klasse schuldig geblieben.

Vor David de Gea (28), den United in Kürze zum bestbezahlten Torwart der Welt machen wird, werden Wan-Bissaka und Luke Shaw (24) vermutlich die Außenpositionen in der Viererkette besetzen. Und wer darf neben Maguire starten? Für Phil Jones (27) und Marcos Rojo (29) sind die Aussichten überschaubar, Eric Bailly (25) fällt mit einer Knie-OP erneut lange aus. Es wird auf einen Zweikampf zwischen Victor Lindelöf (25) und Chris Smalling (29) hinauslaufen.

Verpasst United wieder die CL, greift auch der Sponsor ein

Wie auch Frank Lampard benötigt Solskjaer eigentlich Zeit, um seine Idee und seine Methoden in Manchester umzusetzen. Anders als bei Lampard wird jedoch spekuliert, dass der Norweger sie aufgrund der schwachen Schlussbilanz der Vorsaison (acht Pleiten aus den letzten zwölf Spielen) nicht zwingend erhält - und weil es eben Manchester United ist, das sich über die Champions League definiert (und bei einem erneuten Verpassen dem Vernehmen nach sogar rund 23 Millionen Euro weniger von Ausrüster "Adidas" erhalten würde). Böse Zungen behaupten, Woodward habe Solskjaer den Dreijahresvertrag etwas zu vorschnell ausgehändigt. Manche wiederum sagen, dass es andere Trainer mit diesem zwar teuren, aber längst nicht überall gut besetzten Kader nicht besser gemacht hätten.

Es war seit Sir Alex, übrigens einer der größten Befürworter Solskjaers, nicht mehr klar, für was ManUnited eigentlich steht; was für einen Fußball der zweimalige Champions-League-Sieger spielen will. Entweder wurden Trainer, System oder Spieler wieder durchgetauscht. Es liegt an Solskjaer, eine für ihn schaurige Serie zu beenden: Immer wenn Manchester United die Qualifikation für die Königsklasse verpasst hat, musste der Trainer, der die folgende Saison begann, auch in jener noch gehen...

Manchester United 2019/20: Wer kam, wer ging

Platzierung in der letzten Saison: 6.

Neuzugänge: Harry Maguire (26, Abwehr, Leicester City), Aaron Wan-Bissaka (21, Abwehr, Crystal Palace), Daniel James (21, Mittelfeld, Swansea City)

Abgänge: Ander Herrera (29, Mittelfeld, Paris Saint-Germain), Romelu Lukaku (26, Angriff, Inter Mailand), Antonio Valencia (33, Abwehr, LDU Quito), James Wilson (23, Angriff, Aberdeen)

mkr

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