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Schlüter: "Hier wirst du nicht nur als Maschine gesehen"

Torfrau aus Leidenschaft

Schlüter: "Hier wirst du nicht nur als Maschine gesehen"

In der Champions League zu spielen, taugt der ehrgzeigigen Carina Schlüter am meisten.

In der Champions League zu spielen, taugt der ehrgzeigigen Carina Schlüter am meisten. GEPA pictures/Manuel Binder

"Eigentlich stehe ich so ein bisschen zwischen den Stühlen", lacht Carina Schlüter im Gespräch mit dem kicker im Sportzentrum NÖ, "für meine wissenschaftliche Studie müsste ich theoretisch hoffen, dass sich eine von uns verletzt, um eine Bestätigung zu haben. Aber das sind ja alles meine Mädels, meine Mitspielerinnen, meine Freundinnen. Niemals würde ich da was riskieren!"

Die Nummer 1 der SKN-Frauen, die Ärztin werden möchte, misst im Rahmen einer retrospektivischen Interventionsstudie für die FHM Bielefeld bei ihren St. Pöltner Teamkolleginnen die "aMMP-8"-Werte, einen Biomarker für Entzündungen, der mittels Speicheltest quantifiziert und schon länger in der Zahnmedizin angewendet wird.

Ist der Entzündungswert einer Mitspielerin hoch, sucht Schlüter erst das persönliche Gespräch (allein schon aus Datenschutzgründen) und gegebenenfalls wird die betroffene "Wölfin" nach Rücksprache mit dem Trainerstab eine Zeit lang aus dem Manschaftstraining genommen, um etwaigen Muskelverletzungen vorzubeugen.

Carina Schlueter

Carina Schlüter bei der Auswertung der Speicheltests ihrer Kolleginnen. Carina Schlüter

Der Trainingsstart am 18. Jänner war gleichzeitig Untersuchungsbeginn. Dreimal die Woche wird getestet, zwei Unternehmen finanzieren die Studie. "Alle ziehen voll mit", berichtet Schlüter. Nebenbei ist die 26-Jährige noch als Gesundheitsberaterin und Mikronährstoffberaterin mit ihrer Firma "CAR(i)E for Health" selbständig erwerbstätig. Ab Oktober wird sie in Krems studieren.

"Sie ist ein absoluter Glücksfall für uns", lacht SKN-Frauen-Obmann Wilfried Schmaus. Auch dank des guten Rufs der Kremser Uni konnte St. Pölten somit nach dem Abgang von Isabella Kresche (Sassuolo Calcio) an eine international erfahrene Torfrau wie Schlüter herankommen, die auch schon für Bayern München, SC Sand und RB Leipzig ihre Handschuhe anzog und unter Horst Hrubesch 2018 ein A-Länderspiel für die DFB-Frauen (beim 3:2-Sieg im Testspiel in Kanada) absolvierte.

"Hierher gekommen bin ich aber hauptsächlich, um Champions League zu spielen und mich mit den besten der Welt messen zu können", stellt Schlüter klar, "erst in zweiter Linie wegen des Studiums. Und dann hatte ich schnell einen Wow-Effekt, habe gesehen, hier kann ich ich wirklich sein, wie ich bin. Hier wirst du nicht nur als Maschine gesehen, die funktionieren muss."

Die Infrastruktur bei Bayern München war das Nonplusultra. Aber die hier kommt dem schon sehr nahe.

Carina Schlüter vermisst nichts im Sportzentrum NÖ und der NV Arena

Gerade bei den Bayern-Frauen sei der Zusammenhalt auch sehr groß gewesen, was letztlich zum Gewinn der Meisterschaft 2020/21 entscheidend beigetragen habe. "Die Trainer hier interessieren sich aber auch dafür, wie man privat ist, was man abgesehen von der gemeinsamen großen Leidenschaft, dem Fußball, sonst noch so macht", erzählt Schüter. Die Infrastruktur in St. Pölten brauche keinen Vergleich scheuen: "Die bei Bayern München war das Nonplusultra. Aber die hier kommt dem schon sehr nahe."

Adina Hamidovic und Isabelle Meyer kannte sie schon aus der gemeinsamen Zeit beim SC Sand, Jasmin Eder und Stefanie Enzinger waren ihr aus diversen Länderspielen ein Begriff. "Aber das war gar nicht so wichtig. Hier bist du nach 14 Tagen voll integriert. Das war jetzt auch bei unseren Winter-Neuerwerbungen wieder der Fall", so Schlüter. Sarah Mattner-Trembleau, Jana Niedermayer und Natalia Piatek wurden quasi mit ihrem Arbeitsantritt zum Speicheltest gebeten.

Erst das Double

Die gemeinsamen Ziele liegen auf der Hand: Meisterschaft, Cup und der erneute Einzug in die Champions-League-Gruppenphase. Momentan genießt die Bundesliga Priorität. "Da ist Sturm der Hauptkonkurrent, aber aufpassen müssen wir auch auf Altach, das sich gut entwickelt hat, Neulengbach und die Austria", weiß Schlüter, "wir haben zwar alles gewonnen, aber unsere Leistungen waren oft nicht zufriedenstellend."

In der Champions League war Platz drei in der Gruppenphase "schon der Wahnsinn! Aber wenn wir da noch ein wenig an Erfahrungen sammeln können, ist sicher auch der nächste Schritt drin." Vielleicht überwintert die Nr. 1 im Wolfsrudel ja einmal als Dr. Schlüter in der Eliteliga.

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Thomas Schöpf

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