Champions League

FC Bayern 1974: "Katsche war der wichtigste Mann in Brüssel"

Bayerns erster Henkelpott vor 50 Jahren

Roth und Schwarzenbeck erinnern sich: "Katsche war der wichtigste Mann in Brüssel"

Große Bayern-Helden: "Katsche" Schwarzenbeck (li.) damals, "Bulle" Roth heute.

Große Bayern-Helden: "Katsche" Schwarzenbeck (li.) damals, "Bulle" Roth heute. imago images (2)

Den ersten Europapokal für Deutschland gewann Borussia Dortmund, 1966 den der Pokalsieger. 1974 feierte der Europapokal der Landesmeister erst seinen 19. Geburtstag, den Henkelpott in die Höhe recken durfte bis dahin aber keine deutsche Mannschaft. Auch der FC Bayern hatte sich in den Jahren zuvor blutige Nasen geholt, unter anderem, als er 1969 in der ersten Runde einen 2:0-Hinspielerfolg gegen AS St. Etienne aus der Hand gab.

1974 änderte alles, es sollte das bis dahin größte Jahr für den FC Bayern und den deutschen Fußball werden, Stichwort Weltmeistertitel. "Die Zeit war reif. Wir wurden erfahrener und wussten, worauf es ankommt", erzählt Hans-Georg Schwarzenbeck, genannt Katsche, ein halbes Jahrhundert später. Die berühmte Achse befand sich im besten Fußballalter: Torwart Sepp Maier 30, Franz Beckenbauer und Gerd Müller jeweils 28. Dazu gesellten sich die jungen Wilden Paul Breitner und Uli Hoeneß, beide 22 Jahre jung. Die Arbeiter im Team hießen Schwarzenbeck, Rainer Zobel, Jupp Kapellmann und Franz "Bulle" Roth, der Schwede Conny Torstensson und der Däne Johnny Hansen rundeten als sogenannte Legionäre die Siegerelf ab. Nicht zu vergessen Bernd Dürnberger. Der 20-Jährige wurde im ersten Endspiel eingewechselt.

Das erste deutsch-deutsche Duell als hohe Hürde

Die Bayern benötigten auch Glück, um am Ende zu triumphieren. In der ersten Runde ging es gegen die unbekannten Schweden aus Atvidaberg ins Elfmeterschießen, Dynamo Dresden rangen sie im ersten deutsch-deutschen Europapokalduell mit 4:3 und 3:3 nieder. Und nach vergleichsweise leichten Runden gegen ZSKA Sofia und Ujpest Budapest rettete ein Verzweiflungsschuss von Schwarzenbeck in der letzten Minute der Verlängerung die Münchner gegen Atletico ins Wiederholungs-Endspiel. "Man gewinnt keine ganze Reihe von Spielen nur mit Glück. Wir haben den Europapokal gewonnen, sechs Spieler sind später Weltmeister geworden. So schlecht können wir nicht gewesen sein", betonte Hoeneß im vergangenen Oktober in einem kicker-Interview mit dem damaligen Dresdner Ede Geyer die Stärke der Münchner.

Diese allerdings verbargen sie im ersten Finale von Brüssel geschickt, am 15. Mai 1974 sah es nicht nach einem Triumph aus. "Wir waren angeblich der Favorit, das hat uns nicht gutgetan, wir waren verkrampft", erzählt Schwarzenbeck, während in Roths Erinnerung "die Spielanteile 50:50 waren, wir hatten unsere Chancen". Nach dem 0:1 durch einen direkt verwandelten Freistoß von Luis Aragones in der 114. Minute schien der Traum vom Cup ausgeträumt, doch dann nahm sich Schwarzenbeck in letzter Sekunde ein Herz und traf aus der Distanz. "Intuition", antwortet der heute 76-Jährige auf die Frage, was ihn getrieben habe. "Hätte ich lange nachgedacht, hätte ich nicht geschossen. Es hat mich auch niemand angegriffen." Auch Roth ist der Treffer, vielleicht der wichtigste in Bayerns Geschichte, präsent, als sei er gestern gefallen: "Das war ein Hammer, sensationell! Ich sehe den heute noch kerzengerade durchrauschen, der ist gefühlt durch 50 Beine durchgegangen."

Schwarzenbeck trifft gegen Atletico

Torschütze Schwarzenbeck ist nicht mal im Bild. Atletico-Keeper Reina streckt sich trotzdem vergeblich. imago/Fred Joch

Grenzenloser Jubel und Erleichterung beim FC Bayern, Frust und Enttäuschung bei den Spaniern. Eine Gefühlslage, die im Wiederholungsspiel nur zwei Tage später am 17. Mai neben der Kondition den Ausschlag geben sollte. "Wir hatten Aufwind, Atletico war im zweiten Spiel kaputt", nennt Schwarzenbeck den Unterschied.

Roth: Spezialist für Final-Tore

Nach einem Steilpass von Breitner zog Hoeneß auf und davon, die Führung in der 29. Minute. Zweimal Müller (56., 69.) und noch einmal der nicht zu bremsende Hoeneß (83.) sorgten für klare Verhältnisse. "Das war mein bestes Spiel", legt sich Hoeneß fest. Ohne den Treffer von Schwarzenbeck wäre es jedoch nie dazu gekommen. "Katsche war der Hauptdarsteller, der wichtigste Mann in Brüssel", zeichnet Roth seinen Freund aus, mit dem er sich zehn Jahre lang ein Zimmer bei Auswärtsspielen teilte. Roth, der 1967 (Pokalsieger-Cup), 1975 und 1976 jeweils das 1:0 im Endspiel schoss, ging 1974 leer aus. "Ich habe geschwächelt und gesagt: Katsche, hau ihn rein", witzelt er beim Termin mit dem kicker, er und Schwarzenbeck lachen herzlich.

Hoeneß bezeichnet diesen ersten Henkelpott als "das größte Erlebnis in meiner Spielerkarriere, mein schönster Tag als Spieler. Ich dachte mir: Wenn Du jetzt die Zeit anhalten könntest." Wäre das möglich gewesen, wäre es bei diesem einen Triumph geblieben, doch die goldene Generation des FC Bayern legte nach, schaffte durch ein 2:0 gegen Leeds United 1975 (Tore: Roth und Müller) sowie ein 1:0 gegen St. Etienne 1976 (Freistoß Roth) den Hattrick und begründete den großen Ruf des FC Bayern in Europa. Drei Cups folgten, 2001, 2013 und 2020, doch dieser erste von Brüssel wird ein ganz besonderer bleiben.

Ein ausführliches Interview mit Katsche Schwarzenbeck und Bulle Roth lesen Sie in der jüngsten Montagsausgabe oder im eMagazine.

Frank Linkesch

Müller holt den Spitzenreiter ein: Die Bundesliga-Rekordspieler des FC Bayern