3. Liga

VfB Lübeck | Reinhardt hofft, dass "die Entwicklung fortgeführt wird"

Abschied vom VfB Lübeck mit gemischten Gefühlen

Reinhardt: "Ich hoffe, die Entwicklung wird fortgeführt"

Verlässt den VfB Lübeck: Bastian Reinhardt.

Verlässt den VfB Lübeck: Bastian Reinhardt. IMAGO/Nordphoto

Für Hannover 96, Arminia Bielefeld und den Hamburger SV bestritt Bastian Reinhardt (48) zwischen 1997 und 2010 knapp 300 Spiele in der 1. und 2. Bundesliga. Nach einem Intermezzo als HSV-Sportdirektor unmittelbar nach seiner aktiven Karriere fungierte der frühere Verteidiger noch rund zwei Jahre lang als Nachwuchsleiter des Klubs, startete dann eine Trainerlaufbahn. Ab 2015 war Reinhardt als Nachwuchscoach wieder für den HSV tätig und betreute verschiedene Jahrgänge bis zur Freistellung im April 2023, als sich seine U 16 im Abstiegskampf befand. In der abgelaufenen Spielzeit verstärkte Reinhardt als HSV-Leihgabe das Trainerteam des Drittligisten VfB Lübeck und spricht zum Abschied mit dem kicker über Erfahrungen und Perspektiven.

Mit dem spektakulären 3:3 gegen RW Essen am letzten Spieltag endete Ihre Zeit als Co-Trainer beim VfB Lübeck. Mit welchen Gefühlen verlassen Sie den Klub?

Mit gemischten. Im Vordergrund steht die sportliche Enttäuschung, den Klassenerhalt nicht geschafft zu haben. Sonst wäre ja auch mein Vertrag noch eine Saison weitergelaufen. Doch für mich persönlich bedeutet das Jahr trotzdem eine sehr wertvolle Erfahrung und Entwicklung.

Inwiefern?

Die Zusammenarbeit mit erwachsenen Spielern habe ich als sehr erfüllend empfunden. Fußball auf Drittliganiveau, in vollen Stadien, mit dem wöchentlichen Ergebnisdruck - das übt schon einen immensen Reiz aus, der mich sehr stark wieder in die eigene Zeit als Profi versetzt hat.

Sie nehmen nun ihren unbefristeten Vertrag in der Nachwuchsabteilung des Hamburger SV wieder auf, von wo Sie ausgeliehen waren. Sehen Sie Ihre eigentliche Perspektive jetzt aber eher im Erwachsenenbereich?

Perspektivisch schließe ich da gar nichts aus. Von den Erkenntnissen, die ich in Lübeck gewonnen habe, könnte ich künftig jedenfalls auch als Nachwuchstrainer profitieren. Weil ich aus nächster Nähe gesehen habe, was es für junge Spieler braucht, um sich auf Profiniveau durchzusetzen. Physisch, technisch, taktisch, in puncto Handlungsschnelligkeit und mental.

"Es war für mich keine Frage, loyal als Co-Trainer unter Florian weiterzuarbeiten"

Sie haben in Lübeck drei Spiele als Interimschef absolviert, dabei gegen die Aufstiegsaspiranten Sandhausen, Essen und Regensburg sechs Punkte geholt. Trotzdem wurde Ihnen in Person von Florian Schnorrenberg Ende Dezember bzw. Jens Martens im Frühjahr gleich zweimal ein neuer Chefcoach vorgezogen.

Ich hatte schon im Winter Interesse, aber keine Pro-Lizenz. Also war es für mich keine Frage, loyal als Co-Trainer unter Florian weiterzuarbeiten. Mit Jens war es ab Ende März dann völlig anders. Er hat mich und Arvid Schenk (Co- und Torwarttrainer, Anm. d. Red.) im Trainerteam mit allen Freiheiten und großem Gestaltungsspielraum arbeiten lassen. Jens war dabei unser Gesicht nach Außen. Das war tolles Teamwork.

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Der 68-jährige Martens war also faktisch ein Strohmann, weil Ihnen die nötige Fußballlehrer- bzw. Pro-Lizenz fehlte und der Klub sich die dadurch drohenden Strafzahlungen sparen wollte?

Ich möchte es so sagen: Auch für die Ergebnisse unter Jens ab dem 31. Spieltag fühle ich mich sehr verantwortlich.

Mit dem Neustart in der Regionalliga betraut der VfB Guerino Capretti und wollte unbedingt wieder auf einen Fußballlehrer setzen. In der 4. Liga wäre diese Lizenz aber gar nicht notwendig, aus Ihrer Enttäuschung machten Sie keinen Hehl.

Aber nicht wegen der Entscheidung als solcher, obwohl sie nicht inhaltlich begründet wurde, sondern lediglich mit Hinweis auf die fehlende Lizenz. Was mich gestört hat: Dass ich diesen Beschluss des Aufsichtsrats nicht direkt erfahren habe, sondern später über Umwege aus den Medien. Aber mittlerweile ist mein Ärger darüber verraucht, meine positiven Erinnerungen an den VfB überwiegen.

"Bei Gelegenheit würde ich auch die Pro Lizenz sehr gerne in Angriff nehmen"

Dazu dürfte die Integration junger Spieler wie Emanuel Adou, Jannik Westphal, Mika Lehnfeld und Yasin Varol zählen, die in der Regionalliga zu festen Größen heranwachsen könnten.

Diese Entwicklung haben Arvid und ich angestoßen. Ich hoffe, sie wird fortgeführt. Was soll ich sagen? Ich hätte für den Klub und die Jungs gerne weiter daran gearbeitet.

Im Januar 2023 haben Sie die A+Lizenz des DFB absolviert, also das höchste Trainerlevel für den Nachwuchsbereich erreicht. Streben Sie nach den Erfahrungen in Lübeck auch noch die Pro-Lizenz an, die dem einstigen Fußballlehrerschein entspricht?

Wenn ich die Gelegenheit bekomme, würde ich das sehr gerne in Angriff nehmen. Ich hatte mich ursprünglich als HSV-U15-Trainer beim DFB für beide Top-Lizenzen beworben, bekam dann für den Nachwuchsbereich den Zuschlag.

"Der Spieler muss im Mittelpunkt stehen. Das kann ich auch aus Sicht eines Profi-Trainers nur bestätigen."

Welche Erkenntnisse konkret könnten Sie aus Ihren Erfahrungen mit einem Drittligateam für eine künftige Arbeit als Jugendtrainer ableiten?

Vieles wurde mir nochmal deutlich vor Augen geführt. Zweikampfverhalten, Torgefährlichkeit, Beidfüßigkeit, Intensität, optimale Entscheidungsfindung unter hohem Zeit- wie Gegnerdruck - das stellt schon auf Drittliganiveau eine sehr große Herausforderung für jeden Spieler dar, der aus der Jugend kommt. Deshalb muss man früh beginnen, die entsprechenden Schwerpunkte im Training zu setzen und die Spieler auch individuell weiterzuentwickeln. Dabei ist das Spielen an sich unersetzlich.

Was halten Sie unter solchen Aspekten von der durch DFB-Nachwuchsdirektor Hannes Wolf seit einiger Zeit propagierten Trainingsphilosophie?

Da bin ich komplett dafür. Im Mittelpunkt muss stehen, jeden Nachwuchsspieler individuell auf sein bestmögliches Niveau zu heben und Freude am Fußball zu vermitteln. Das Ergebnis darf ruhig erstmal zweitrangig sein, der Ergebnisdruck kommt dann schon früh genug. Das kann ich auch aus der Sicht eines Profi-Trainers nur bestätigen.

Interview: Thiemo Müller

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