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Amnesty International übt erneut scharfe Kritik an Katar

Menschenrechtsorganisation nimmt FIFA in die Pflicht

Reformen "nicht angemessen umgesetzt": Amnesty übt erneut scharfe Kritik an Katar

Amnesty International hat die Umstände rund um die WM 2022 erneut kritisiert.

Amnesty International hat die Umstände rund um die WM 2022 erneut kritisiert. AFP via Getty Images

In ihrem "Reality Check 2021" kommen die Experten der Organisation zu dem Schluss, "dass Fortschritte 2021 stagnierten und alte missbräuchliche Praktiken sogar wieder aufgetaucht sind". Mit anderen Worten: Trotz einer Gesetzesänderung im Sommer 2020 bestehen nach wie vor massive Abhängigkeiten von Gastarbeitern gegenüber ihren Arbeitgebern. Eigentlich hatte sich das Emirat darauf verständigt, Arbeitsplatzwechsel oder Ausreisen zu vereinfachen und damit die ausbeuterischen Praktiken des sogenannten Kafala-Systems zu schwächen.

"Arbeiterinnen und Arbeiter berichteten Amnesty International jedoch, dass sie beim Arbeitsplatzwechsel weiterhin auf erhebliche Hürden stoßen und unter Druck gesetzt werden, zu bleiben", heißt es in dem Bericht. Und weiter: "Katar hat seit 2017 eine Reihe von Reformen zugunsten von Arbeitsmigrantinnen und -Migranten eingeführt. Diese Reformen werden jedoch nicht angemessen umgesetzt, was bedeutet, dass die Ausbeutung weitergeht." Diverse Partner des Emirats aus dem Sport loben den angeblichen Fortschritt, der durch den kritischen Diskurs in Folge der WM-Vergabe entstanden sei.

"Umsetzung der Reformen erheblich ins Stocken geraten"

In der Praxis scheint es jedoch extreme Lücken zu geben. Einerseits seien die angestoßenen Reformen in der Region einmalig, betont Katja Müller-Fahlbusch. "Die Reformumsetzung ist jedoch halbherzig und wenig konsequent. Im vergangenen Jahr ist die Umsetzung der Reformen erheblich ins Stocken geraten, obwohl der internationale Druck auf Katar erheblich war", sagt die Expertin für die Region Naher Osten und Nordafrika bei Amnesty International Deutschland. Sie spricht von Widerständen der katarischen Wirtschaft und fordert die Regierung, "Verstöße gegen das Arbeitsrecht konsequent zu ahnden und missbräuchliche Arbeitgeber zur Rechenschaft zu ziehen. Tut sie das nicht, darf es die katarische Regierung nicht verwundern, dass Fragen nach dem politischen Willen für echte Reformen aufgeworfen werden."

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Katar 2022: Der Weg von der WM-Vergabe bis heute

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  • Im Dezember 2010 wird die WM 2022 an Katar vergeben.
  • Fünf Jahre später beschließt die FIFA, erstmals eine WM in den Wintermonaten auszutragen.
  • Seit elf Jahren dominieren nicht-sportliche Themen die WM: Es geht um Stimmenkauf, Ausbeutung von Arbeitern auf Baustellen und fundamentale Menschenrechte.

Müller-Fahlbusch sieht "die FIFA als Ausrichterin der Fußball-WM gemäß den VN-Leiprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte in der Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass Menschenrechte nicht verletzt werden und dass Abhilfe geschaffen wird, falls es doch passiert". Der Weltverband müsse unabhängig, regelmäßig und sorgfältig die Lage der Menschenrechte prüfen und darf sich bei dieser Prüfung nicht auf Dritte verlassen. "Um Transparenz und Glaubwürdigkeit zu schaffen, sollte die FIFA auch öffentlich über Missstände sowie ergriffene Maßnahmen zu deren Beseitigung Bericht erstatten."

Der Sport hat Probleme mit öffentlicher Kritik an Katar

Öffentlichkeit und Kritik an Katar, damit hat der Sport bisweilen so seine Probleme, auch wenn immer wieder aufs Neue von unmenschlichen Bedingungen für Gastarbeiter in dem Wüstenstaat berichtet wird. Auch wenn noch so viele Todesfälle auf den Baustellen enthüllt wurden. Man spreche die Dinge an, heißt es bei den Funktionären gerne.

Zeitplan: Die wichtigsten Termine bis zur WM 2022

"Bayern München hat mit Qatar-Airways eine Partnerschaft und ich war da auch nie ein Pharisäer, wenn ich das mal so sagen darf. Wir haben gutes Geld aus diesem Vertrag bekommen", erklärte zuletzt etwa Ex-FCB-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Die Münchner würden sich gesellschaftspolitisch in dem Emirat engagieren - wie konkret allerdings, das ist die Frage. Rummenigge hat nicht unrecht, wenn er erläutert: "Man muss grundsätzlich auch sagen, dass in Katar von allen arabischen Staaten im Moment die besten oder die größten Verbesserungen da sind in Sachen Menschen- und Arbeitsrechte." Soweit die Theorie, die der neueste Amnesty-Report in der Praxis zumindest als lückenhaft darstellt.

T-Shirt-Aktion des DFB? "Ein guter Ausgangspunkt"

Dass der Deutsche Fußball-Bund eine Position zur WM in Katar verabschiedet hat, lobt Müller-Fahlbusch. "Auch die Spieler der Nationalmannschaft haben mit ihrer T-Shirt-Aktion ein wichtiges Zeichen gesetzt. Das alles ist ein guter Ausgangspunkt. Öffentliche Äußerungen dürfen aus unserer Sicht aber nicht einmalig sein, wenn sie etwas bewirken sollen", fordert die Amnesty-Expertin, den Druck hochzuhalten.

"Unserer Einschätzung nach kann der DFB als wichtiges Mitglied in der FIFA und der UEFA noch mehr dazu beitragen, dass Menschenrechte im Sport auch auf internationaler Ebene ein zentrales Thema werden. Wenn die FIFA, wie beispielsweise bei der Vergabe der Klub-WM 2022 an die Vereinigten Arabischen Emirate, ihre eigenen Menschenrechts-Prinzipien über Bord wirft, dann kann und sollte sich der DFB durchaus öffentlich positionieren."

Benni Hofmann

Die Wüsten WM - Katar 2022