DFB-Pokal

Pokalfinale 1973: Besser geht's nicht!

Viel mehr als Netzers Selbsteinwechslung

Pokalfinale 1973: Besser geht's nicht!

Gladbachs Schlussmann Kleff (li.) im Fokus: Eine von vielen heißen Szenen aus dem DFB-Pokalfinale 1973.

Gladbachs Schlussmann Kleff (li.) im Fokus: Eine von vielen heißen Szenen aus dem DFB-Pokalfinale 1973. imago sportfotodienst

Es gibt mit Sicherheit keine zwei Meinungen darüber, wie sehr der Fußball an Tempo gewonnen hat in den vergangenen Jahrzehnten. Was 1970 noch Weltklasse repräsentierte, erscheint heute wie in Zeitlupe, würde man Spielszenen übereinander legen, es käme einem wahrscheinlich so vor, als liefen die Spieler von damals auf der Stelle, vielleicht sogar rückwärts. So sehr sich die Fans an alten Aufnahmen bei youtube erfreuen, so schonungslos führen diese vor, wie weit sich das Spiel in Sachen Tempo und Rasanz nach vorne entwickelt hat.

Wie immer gibt es auch hier Ausnahmen von der Regel. Am 23. Juni 1973 geschah eine solche Ausnahme, als zwei Mannschaften sich in Düsseldorf trafen, um bei tropischen Temperaturen das vielleicht beste Fußballspiel zu zeigen, das zwei deutschen Klub-Teams bis zum Champions-League-Finale 2013 gelang. Unstrittig spricht man bis heute vom besten DFB-Pokalendspiel der Geschichte dieses an Klasse und Dramatik sicherlich nicht armen Wettbewerbs.

Mehr Technik als bei Saturn

Trotz Günter Netzers unfreiwilliger Spielpause stand auf dem Rasen mehr Technik als in den Regalen aller Saturn-Märkte zusammen. Kein Mensch, schon gar kein Trainer, käme heute auf die Idee, ein Mittelfeld mit Wolfgang Overath, Herbert Neumann und Heinz Flohe zu bestücken! Rudi Schlott traute sich und öffnete so Tür und Tor für pure Offensive auf beiden Seiten. Heraus kam eine Partie, wie sie Deutschland so noch nicht erlebt hatte.

Es war auch ein Derby, deshalb ging es die ganze Zeit rauf und runter.

Christian Kulik

Binnen weniger Sekunden stand mal Gerd Welz im Tor der Kölner, dann wieder sein Gegenüber Wolfgang Kleff im Mittelpunkt, beginnend nach nicht einmal 120 Sekunden, als Kölns Nationalspieler Bernd Cullmann einen Ball von Bernd Rupp artistisch von der Linie des Kölner Tores kratzte. So ging es munter weiter. Christian Kulik, der Netzer vertrat, erinnerte sich im Magazin "11 Freunde" voller Enthusiasmus: "Es war schon ein besonderes Spiel, weil es nicht nur ein Endspiel, sondern auch ein Derby war. Deshalb ging es die ganze Zeit rauf und runter. Es war heiß, aber beide Mannschaften sind ein hohes Tempo gegangen. Und weil es am Ende gelaufen ist, wie es gelaufen ist, hat dieses Spiel einen hohen Stellenwert."

Vorgeschmack in der Bundesliga

Dies besonders für jeden, der dabei war. Ob für acht Mark auf dem Stehplatz des Rheinstadions oder eben auf dem brennend heißen Rasen der brodelnden Arena, die viele große Spiele erlebte, aber nie wieder eines von dieser Klasse, Brisanz, Intensität und Dramatik. Auf der Mönchengladbacher Bank saß der große Hennes Weisweiler, der FC wurde von dessen einstigem Assistenten Schlott betreut. Der hinterließ nicht wirklich tiefe Spuren in Köln, doch die Bilanz 1973 konnte sich sehen lassen: Hinter dem FC Bayern sprang der "Geißbock" auf Platz zwei der Tabelle, versüßt wurde die Vizemeisterschaft mit dem Einzug ins Pokalfinale.

Der Spielbericht

Die Ligaspiele der Finalisten in dieser Saison hätten aufmerksamen Beobachtern einen Hinweis darauf geben können, was auf die 70.000 Zuschauer in Düsseldorf und die Millionen vor den TV-Schirmen zukommen würde. Am 16. Spieltag dominierte die Borussia am Bökelberg, bezwang den rheinischen Rivalen mit 5:2 - ohne Netzer. Jupp Heynckes traf dreimal, dazu Bernd Rupp und Rainer Bonhof sowie Heinz Flohe und Heinz Simmet. Am 33. Spieltag verhinderte dann Kleff ein Debakel für die Borussen, die in der Müngersdorfer Radrennbahn mit 1:3 noch gut davonkamen. Jupp Kapellmann, Jürgen Glowacz und Flohe erzielten die Kölner Treffer, Kulik traf für die "Fohlen", bei denen Netzer eher unauffällig agierte.

Spielkunst, Offensive, Akrobatik

Drei Wochen später erreichten Spielkunst, Offensivdenken und Torhüterakrobatik in dieser Ballung nie gesehene Höhepunkte: Hackentricks, unwiderstehliche Dribblings, Volleyschüsse, ein gehaltener Elfmeter, rund zwei Dutzend Torchancen und doppelt so viele Strafraumszenen - aber nur zwei Tore durch Herbert Wimmer und Herbert Neumann - begründeten den legendären Ruf eines Spieles, das viel, viel mehr war als nur der Nachmittag, an dem sich Günter Netzer selbst einwechselte, um ein Tor des Jahres zu schießen. Aber genau das gab es an diesem Tag eben auch.

Frank Lußem

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