Motorsport

Plug-in-Hybrid für Flugzeuge: Kommen jetzt die Öko-Flieger?

Energiewende am Himmel

Plug-in-Hybrid gegen Flugscham

Plug-in-Hybrid-Flugzeug: Die Konfiguration des DLR könnte 500 Kilometer rein elektrisch zurücklegen.

Plug-in-Hybrid-Flugzeug: Die Konfiguration des DLR könnte 500 Kilometer rein elektrisch zurücklegen. DLR

"Skolstrejk för klimatet" stand auf dem Pappschild, mit dem die damals 15-jährige Umweltaktivistin Greta Thunberg in Stockholm ihren "Schulstreik für das Klima" illustrierte. Es war der August 2018 und der Beginn der internationalen Klimabewegung "Fridays for Future". Schon ein Jahr vorher war in Schweden ein anderer Begriff geboren worden, der ebenfalls zum Vokabular von Klimaschützern werden sollte: Flygskam, auf Deutsch "Flugscham". Dahinter stand die Ansicht, dass Flugpassagiere wegen der klimafeindlichen Wahl ihres Verkehrsmittels Schamgefühle empfinden sollten.

Nach Zahlen des Portals Statista sind im Jahr 2019 rund drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen auf den Luftverkehr zurückzuführen gewesen. Das ist deutlich weniger als der Straßenverkehr (knapp 18 Prozent) produziert hat. Doch auf Passagierkilometer umgerechnet ist es das Flugzeug, das die Umwelt am meisten belastet. Laut Statista werden beispielsweise im deutschen Inlands-Luftverkehr durchschnittlich 214 Gramm Treibhausgase pro Personenkilometer verursacht und damit rund sieben Mal so viel wie im Reisebus-Verkehr. Daneben emittieren Flugzeuge unter anderem Stickoxide und Wasserdampf in die hohen Luftschichten.

Vom Fliegen wird die Menschheit auch in Zukunft nicht lassen. Deshalb tut es not, an klimafreundlicheren Flugzeugen zu arbeiten. Wie solche Modelle aussehen könnten, loten seit gut vier Jahren 20 Forschungsinstitute des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Rahmen des Projekts EXACT (Exploration of Electric Aircraft Concepts and Technologies) aus. Im Auge behalten die Forscher einerseits einen Rückgang der Emissionen, andererseits aber auch den Aspekt vertretbarer Wirtschaftlichkeit. "Bei der Erforschung ökologischer Flugzeugkonzepte zeigt sich, dass die Auswirkung der Luftfahrt auf das Klima um mindestens 80 Prozent reduziert werden kann und die Kosten dabei nicht steigen", zieht Björn Nagel, Direktor des Hamburger DLR-Instituts für Systemarchitekturen in der Luftfahrt, ein ermutigendes Fazit.

Als vielversprechendste Konzepte für die Kurz- und Mittelstrecke und für Verkehrsmaschinen, die 250 Passagiere befördern können, haben sich der DLR-Analyse zufolge drei herauskristallisiert:

Plug-in-Hybrid

"Was auf den ersten Blick vielleicht überraschen mag, ist die Tatsache, dass das batterieelektrische Hybridkonzept am besten abgeschnitten hat", sagt Daniel Silberhorn, Leiter des EXACT-Projekts. Plug-in-Hybride kennt man bereits aus dem Automobilbereich - sie verfügen über eine extern aufladbare Antriebsbatterie und können gewisse Distanzen rein elektrisch zurücklegen, daneben befindet sich aber auch ein Verbrennungsmotor an Bord.

Nur mit Strom zu fliegen, ist in der Luftfahrt bislang als nicht besonders zielführend bewertet worden. "Aufgrund der hohen Masse und der eher geringen Reichweiten galt der Batterie mit Batterien bislang eher als vielversprechend für kleinere Flugzeuge und bei dem Einsatz auf der Kurzstrecke", nennt Silberhorn die Gründe. Mit der Plug-in-Hybrid-Architektur aber könnten "auch größere marktrelevante Flugzeuge angetrieben werden". Ein batterieelektrischer Flugbetrieb sei so bis zu 500 Kilometer weit möglich, "hybridelektrisch mit nachhaltigen Treibstoffen" könne man sogar 2800 Kilometer schaffen.

Um den Öko-Aspekten gerecht zu werden, müssten freilich Bedingungen wie "eine nachhaltige Produktion mit sehr hoher Recyclingrate sowie eine lange Lebensdauer der Batterien" erfüllt sein. Für die Wirtschaftlichkeit des Flugzeugs wiederum betrachtet das DLR geringe Produktionskosten und eine schnelle Ladefähigkeit als relevant, konkret wird eine Ladezeit von 20 bis 30 Minuten genannt.

Dem Plug-in-Hybrid-Flugzeug schreiben die Forschenden ein Klimawirkungspotenzial von 65 bis 95 Prozent zu, dies sogar bei einer Betriebskostenreduktion von 5 bis 15 Prozent. Beim Energieverbrauch wird von 9 kWh pro Person und 100 Kilometern ausgegangen und als Referenzgröße der Stromverbrauch eines Elektroautos mit 15 kWh/100 km herangezogen.

Turboprop-Flugzeug

Turboprop-Modell: Bei langsamerer Reisegeschwindigkeit sparsam. DLR

Kurzstrecken-Turboprop

Turboprops sind an sich nichts Neues, entsprechende Flugzeuge werden vor allem im regionalen Betrieb eingesetzt. Ökologisch sinnstiftend, so das DLR, sei die Technik, weil "das Flugzeug bei einer geringeren Reisegeschwindigkeit signifikant weniger Treibstoff verbraucht" als ein Düsenjet. Das wiederum wäre für die Airlines auch in wirtschaftlicher Hinsicht von Vorteil. Bei Betankung mit fossilem Kerosin könne sich die Klimawirkung gegenüber Jet-Triebwerken um 40 Prozent reduzieren, kämen nachhaltige Treibstoffe wie E-Fuels zum Einsatz, seien 65 bis 95 Prozent möglich. Die Reichweite des von den Forschenden betrachteten Flugzeugs beträgt 2800 Kilometer.

Wasserstoff-Mild-Hybrid-Flugzeug

Wasserstoff-Mildhybrid-Flieger: Fürs Klima der größte Gewinn. DLR

Wasserstoff-Mild-Hybrid

Ökologisch gesehen sind Wasserstoff-Flugzeuge eigentlich die großen Favoriten der Forschenden. H2-Flieger, meinen sie, "können die Klimaauswirkungen um mindestens 80 Prozent reduzieren". Speziell das DLR-Konzept bedient sich außerdem eines sogenannten Mild-Hybrid-Brennstoffzellensystems, das in den Flügeln sitzt und den beiden wasserstoffbetriebenen Gasturbinen minimal zuarbeitet. "Brennstoffzellen zur Unterstützung auf dem Rollfeld, im Sinkflug oder für die Bordsysteme hätten eine deutliche Emissionsminderung bis 1500 Kilometer Reichweite zur Folge", heißt es dazu. Ein Fragezeichen setzen die Experten allerdings hinter die Wirtschaftlichkeit. Sie hänge wesentlich davon ab, wie hoch die Produktionskosten für Wasserstoff und synthetisches Kerosin ausfallen.

Hochklappbare Spitzen

Gemeinsam haben die drei vorgestellten Konzepte unter anderem 40 Meter breite, hochgestreckte Flügel, die einen besseren Auftrieb und somit effizientere Flugeigenschaften erbringen sollen. Dank eines Hochklapp-Mechanismus lassen sich die Spitzen am Flughafen hochklappen, auf diese Weise reduziert sich die Spannbreite auf platzsparende 36 Meter.

Folgeprojekt mit Flugzeugbauern

In einem Folgeprojekt sollen nun in Kooperation mit Flugzeugbauern, Zulieferern und Forschungseinrichtungen weitere Details potenzieller Öko-Flieger erarbeitet werden - beispielsweise, was die Aerodynamik oder das exakte Gewicht der Wasserstofftanks betrifft.

Start-ups, aber auch große Unternehmen wie Airbus oder Boeing arbeiten schon seit Längerem an alternativen Antriebskonzepten für Flugzeuge. Die ganz große Energiewende am Himmel dürften sie in absehbarer Zeit aber nicht bringen, unter anderem ist man noch zu weit von ausreichend großen Mengen an bezahlbarem synthetischem Kerosin und grünem Wasserstoff entfernt.

ule