2. Bundesliga

Palikuca betreibt ein letztes Mal Schönfärberei

Kommentar

Palikuca betreibt ein letztes Mal Schönfärberei

Wird den 1. FC Nürnberg nach kaum mehr als einem Jahr wieder verlassen: Sportvorstand Robert Palikuca.

Wird den 1. FC Nürnberg nach kaum mehr als einem Jahr wieder verlassen: Sportvorstand Robert Palikuca. imago images

Der 1. FC Nürnberg ist im Juli 2020 wieder im Februar 2019 angekommen. Wie vor eineinhalb Jahren steht er ohne Sportvorstand und Trainer da. Die erste, wichtigere Personalie obliegt erneut dem Aufsichtsrats-Chef Dr. Thomas Grethlein, der den Neuen finden und dem neunköpfigen Gremium zur Abstimmung vorschlagen soll. Mit Robert Palikuca, von dem sich der Verein zum Ende dieses Monats einvernehmlich trennt, landete er einen Fehlgriff, der den Club weit zurückgeworfen hat. Wer dies anzweifelt, sollte sich die Pressekonferenz vom späten Dienstagnachmittag noch einmal zu Gemüte führen. Er sei sehr selbstkritisch, betonte Palikuca eingangs, ehe er in Schönfärberei abdriftete.

Seine zwei Trainerfehlentscheidungen? Der eine, Damir Canadi, sei ein international renommierter gewesen. Nun ja. Eher einer, der bei seiner einzigen großen Trainerstation davor, Rapid Wien, ebenso schnell gescheitert war wie beim Club. Der andere, Jens Keller, habe über Zweitligaerfahrung verfügt und eigentlich sei es ja auch lange gut gelaufen. Noch einmal stimmte Palikuca das Lied von den vielen guten Leistungen der Mannschaft an, dabei waren die Leistungen höchst selten melodisch. Klipp und klar: Diese Mannschaft, dieser Verein hat eine schlechte Saison gespielt und landete am Ende verdient in der Relegation. Mit Pech hatte das nichts zu tun.

Trainersteckbrief Wiesinger
Wiesinger

Wiesinger Michael

1. FC Nürnberg - Vereinsdaten
1. FC Nürnberg

Gründungsdatum

04.05.1900

Vereinsfarben

Rot-Weiß

mehr Infos

Dem Kader traut der scheidende Sportvorstand eine sehr gute nächste Saison zu. Möglich. Aber wahrscheinlich? Er ist gespickt mit Spielern, die unnötig lange Verträge bekamen (Mathenia, Sorg, Geis, zuletzt Valentini), mit solchen, die ihren Zenit überschritten (Behrens, Margreitter) oder die Erwartungen nicht erfüllt haben (Dovedan, Gnezda Cerin, Medeiros). Die guten Spieler mit Perspektive sind schon weg (Mavropanos) oder werden es vermutlich bald sein (Hack, Erras). Alles in allem ein unstimmiges Gebilde mit einer fragilen Hierarchie.

Viel wurde am Dienstag auf die äußeren Umstände geschoben. Auf Corona, auf - in der Tat - unschöne und belastende Drohungen, auf, na klar, die bösen, Unruhe stiftenden Medien. Wenn die verbleibenden, handelnden Personen tatsächlich nur darin die Ursachen für eine desaströse Saison sehen, dann fehlen Erkenntnis und in der Folge der Weg zur Besserung. Palikuca war im April 2019 angetreten mit einem Zweijahresplan, an dessen Ende der Verein mit einer Mannschaft in die Bundesliga zurückgekehrt sein sollte, die dort Perspektiven besitzt. Im Juli 2020 ist dieser Plan nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem er skizziert worden ist.

Eine gute Entscheidung hat Palikuca freilich getroffen, als er mit Michael Wiesinger einen Ex-Spieler und -Trainer zurück in den Verein holte und zum Leiter des Nachwuchsleistungszentrums ernannte. Der Relegationstrainer wird bis Ende des Monats kommissarisch die Geschäfte mitübernehmen, bis ein neuer Sportvorstand gefunden ist, der dann wiederum den neuen Trainer einstellen wird. Der Aufsichtsrat wäre gut beraten, würde er Wiesinger in diese Entscheidung miteinbeziehen.

Bis Anfang August sollen die Personalien geklärt sein. Zu einem Zeitpunkt, an dem andere Vereine ihre Planungen weit vorangetrieben haben werden. Ein mehrwöchiges Vakuum in den sportlichen Führungspositionen bedeutet ein höchst riskantes Spiel. Die Befürchtung muss darüber hinaus lauten, dass sich das Hamsterrad dieses in seiner Struktur gefangenen neunmaligen Deutschen Meister weiterdreht und der Moment eher früher denn später wieder kommt, an dem alles auf Neuanfang gedreht wird. Wie im Februar 2019, wie im Juli 2020.

Klub für Klub: Die Sommer-Transfers der Zweitligisten