Handball

Nicht nur Gensheimer: Die Gründe für das Spanien-Debakel

Kollektiver Kollaps des DHB-Teams

Nicht nur Gensheimer: Die Gründe für das Spanien-Debakel

Kollektives Grübeln: Das DHB-Team hat mit sich selbst zu kämpfen.

Kollektives Grübeln: Das DHB-Team hat mit sich selbst zu kämpfen. imago images

Ganz klar, Uwe Gensheimer spielt keine gute EM. Erst der Fauxpas mit der Roten Karte gegen die Niederlande, dann die äußerst durchwachsene Leistung gegen Spanien mit (wie schon gegen Oranje) zwei verworfenen Siebenmetern und einer Wurfquote von 57 Prozent (4/7). Ist der Kapitän dem Druck seiner Führungsrolle nicht gewachsen?

"Ich glaube nicht, dass er überfordert ist mit seiner Rolle. Aber ich gebe Ihnen recht, dass er momentan von seiner Chancenverwertung her nicht optimal spielt", so Bundestrainer Christian Prokop, der aber auch sagte: "Das ist ein Weltklassespieler. Es wird abgehakt, der kann super Handball spielen, da wird das nächste Spiel genommen und nicht lange nachgekartet." Die Leistung des 33-Jährigen als einen der Gründe zu nennen für die Pleite gegen Spanien, wäre viel zu einfach und gäbe den anderen Spielern ein Alibi. Gensheimer hatte immerhin mit seinen Treffern in der Anfangsphase dafür gesorgt, dass das DHB-Team den Start nicht völlig verschlief (vier der ersten sieben Treffer erzielte der Linksaußen). In der zweiten Halbzeit wurde er überhaupt nicht mehr eingesetzt, was durchaus überraschte. Ersatzmann Patrick Zieker machte es schließlich nicht besser, sein einziger Wurf fand nicht den Weg ins Tor.

Die "Katastrophe" (Hendrik Pekeler) gegen die Iberer an einzelnen Spielern festzumachen, wäre falsch. Es war vielmehr ein kollektiver Kollaps. Besonders fatal waren in der Offensive die...

...Leichtsinnsfehler und Wurfauswahl:

Mit der offensiven Deckung Spaniens kam das DHB-Team überhaupt nicht klar. Unzählige Wechsel misslangen in der Anfangsphase, mündeten in Gegenstößen und damit in leichten Gegentoren. Auch die Wurfauswahl war überhastet, als Beispiel sei Kai Häfner genannt. Er konnte seine fatale Wurfquote (3/8, 38 Prozent) erst in der Schlussphase schönen, als das Match längst entschieden war. Auch Spielmacher Paul Drux (1/3) leistete sich zahlreiche Unkonzentriertheiten, und das nicht nur offensiv. Stellvertretend eine Szene in der ersten Hälfte, als sich Spaniens Linksaußen Arino Bengoechea bereits gegen Patrick Wiencek festgelaufen hatte, Drux ihn im Gesicht erwischte und sich eine völlig unnötige Zwei-Minuten-Strafe einhandelte.

Das deutsche Team wirkte in der Offensive generell einfallslos. Wenn einmal Tempo aufgenommen wurde, rannte man sich fest oder, noch schlimmer, beging Stürmerfouls. "Unsere Angriffseffektivität war unterirdisch. Wir haben keine Lösung gegen die spanische Defensive gefunden", räumte Prokop ein. Ein weiteres Problem waren die...

...Unkonzentriertheiten in der Abwehr:

Spielend leicht fanden die starken Spanier die Lücken im deutschen Verbund. Die taktische Umstellung auf eine offensive 5-1-Deckung brachte nach ordentlichen Ansätzen letztlich nicht die erhoffte Wende. Vor allem den Halbrechten Alex Dujshebaev bekam das deutsche Team überhaupt nicht in den Griff, alle seine sieben Würfe fanden den Weg ins Tor. Das lag aber natürlich auch an...

...den Torhütern:

"Die Spanier waren abgezockt und hatten einen Klassetorwart. Den hatten wir heute nicht", sagte Prokop. Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen, Andreas Wolff hielt direkt den ersten Wurf von Kreisläufer Aguinagalde - es sollte seine letzte Parade in der gesamten Partie bei 16 Würfen gewesen sein (6 Prozent). Nicht viel besser machte es Pendant Bitter, der sechs Paraden bei 26 Würfen verbuchte (26 Prozent). Prokop tat sich dennoch sicherlich keinen Gefallen damit, den desolaten Wolff in der zweiten Hälfte wieder beginnen zu lassen. Bitter fand nach seiner erneuten Einwechslung überhaupt nicht mehr ins Spiel. Zum Vergleich: Spaniens Keeper Perez de Vargas (wurde zum Man of the Match gewählt) parierte 12 von 35 Würfen (34 Prozent). Die Misserfolge beim Abschluss hinterließen bei Deutschland deutliche Spuren, womöglich ein Problem der...

...Einstellung:

"Ich bin unzufrieden mit der Endphase. Da gebe ich recht, dass wir dann an Leidenschaft und Emotionen deutlich abbauen", analysierte Prokop. Abwehrchef Pekeler sagte: "Uns hat die Galligkeit, die Emotion gefehlt." Führungsspieler wie Gensheimer oder Wolff, die in der zweiten Hälfte gar nicht oder kaum eingesetzt wurden, beschäftigten sich auf der Bank mehr mit sich selbst als mit dem Spiel. Auch bei Prokops Ansprache beim Stand von 18:23 fehlte es an Emotionen. "Wir müssen zusammen davon überzeugt sein", sagte er. Doch man gewann kaum den Eindruck, dass er selbst davon überzeugt war.

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