Wintersport

Ski-Königin Shiffrin: Die Rekorde purzeln, der Druck fällt ab

Die US-Amerikanerin dominiert den Weltcup nach Belieben

Ski-Königin Shiffrin: Die Rekorde purzeln, der Druck fällt ab

Strahlefrau: Auch in der laufenden Weltcup-Saison ist Mikaela Shiffrin eine Klasse für sich.

Strahlefrau: Auch in der laufenden Weltcup-Saison ist Mikaela Shiffrin eine Klasse für sich. imago

Wenn es ihn in dieser Deutlichkeit tatsächlich noch gebraucht hatte, wurde der symbolische Generationswechsel nach dem Super-G im italienischen Cortina d'Ampezzo endgültig vollzogen. Lindsey Vonn, die Grande Dame vergangener Tage, die in Cortina d'Ampezzo insgesamt zwölfmal gewonnen hatte, wurde - nachdem sie wegen eines Fahrfehlers ausgeschieden war - mit frenetischem Jubel verabschiedet. Währenddessen fuhr Mikaela Shiffrin, längst der neue Stern am Ski-Himmel der Frauen, einmal mehr zum Sieg. Die Umarmung beider Protagonistinnen, inklusive Glückwünschen zu dem, was war (Vonn), und zu dem, was ist (Shiffrin), besiegelte die Wachablösung ein für alle Mal.

Keine Frau vor ihr, kein Mann vor ihr

"Was Lindsey geleistet hat, wird ihre Karriere überdauern. Sie hat so viele Fans auf der ganzen Welt", adelte Shiffrin Vonn im Sieger-Interview, das sie nach fast jedem Rennen zu geben hat. Auf die Zahl von inzwischen 54 Weltcup-Erfolgen sollte man sich bei ihr aber besser nicht festlegen - sie wird quasi von Wochenende zu Wochenende größer. In dieser Saison sind es bereits zehn Siege, bevorzugt in ihrer Parade-Disziplin, dem Slalom. Doch die Ausnahmekönnerin ist weitaus mehr als eine Slalom-Spezialistin: Am 2. Dezember 2018 gewann die zweimalige Gesamt-Weltcup-Siegerin erstmals einen Super-G und war damit in allen sechs alpinen Disziplinen (Slalom, Riesenslalom, Super-G, Abfahrt, Parallelrennen, Kombination) mindestens einmal erfolgreich - das schaffte keine Frau und kein Mann vor ihr.

Ich kann es nicht erklären. Ich bekomme das gar nicht so wirklich mit.

Mikaela Shiffrin über ihre unglaublichen Erfolge

Von Rekorden will sie nichts wissen

Der Slalom-Sieg am 29. Dezember 2018 brach Marlies Schilds Rekord für die meisten Siege einer Frau in der technischen Disziplin, gleichzeitig stellte er Shiffrins 15. Weltcup-Erfolg des Kalenderjahres dar - auch das war ein absolutes Novum. Regelmäßig zu hören, sie habe diesen Rekord gebrochen oder jene Bestmarke durchstoßen, geht Shiffrin nicht nur auf die Nerven, es hat sie inzwischen auch abgestumpft. "Ich habe mich daran gewöhnt. Das macht es leichter, sich auf das Wesentliche konzentrieren zu können. Und das ist das Skifahren." Was sie zurzeit besser macht als alle anderen. Vielleicht besser als alle, die es bisher versucht haben. Für Landsmann und Ski-Legende Bode Miller ist die 23-Jährige schon jetzt die beste Fahrerin aller Zeiten.

Sie übergab sich zwischen den Olympia-Läufen

Mikaela Shiffrin

Durch ihre nahezu perfekte Technik setzt sich Shiffrin häufig von ihrer Konkurrenz ab. imago

Die Gefeierte selbst, die eine ganze Menge an Superstar-Ausstrahlung mitbringt, bleibt dabei auf eine authentische Art und Weise ziemlich bescheiden: "Ich kann es nicht erklären. Ich realisiere zwar, dass ich in dieser Saison oft gewonnen habe, aber auf einer täglichen Basis bekomme ich das gar nicht so wirklich mit." Es gelingt ihr inzwischen, all die mediale Aufmerksamkeit auszublenden. Nicht immer kam Shiffrin, deren Ehrgeiz und Opferbereitschaft schnell einmal übersehen werden, damit zurecht. Sie zeigte Schwächen, musste sich bei den Olympischen Winterspielen 2018 zwischen ihren Slalom-Läufen übergeben. Aktuell wirkt sie an den meisten Renntagen unschlagbar. Weil ihr der Dauererfolg irgendwie unter die Arme greift. "Ich verspüre keinen Druck mehr. Ich fühle, dass ich in einer fantastischen Position bin, für die ich dankbar sein sollte." Es ist eine Komfortzone, aus der sie Geschichte schreibt.

Noch 32 Siege bis Stenmark

Im Alter von 16 Jahren stand das amerikanische Ski-Wunderkind erstmals auf einem Weltcup-Podest, mit 17 gewann sie ihr erstes Rennen, mit 18 Olympisches Gold. Alles noch einmal schneller, noch einmal kometenhafter als ihre legitime Vorgängerin Vonn. Deren Weltcup-Rekord von 82 Siegen Shiffrin - auch wenn sie das nicht offen zugeben würde - unaufhaltsam jagt. Geschlechterübergreifend führt Herren-Ikone Ingemar Stenmark dieses Ranking mit 86 Erfolgen an. Und selbst wenn es ihr auf einer täglichen Basis kaum auffallen mag: Kommt es zu keinen einschneidenden Zwischenfällen, ist die 23-jährige Mikaela aus Vail, Colorado, auf bestem Wege, auch in dieser Rangliste bald ganz oben zu stehen.

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