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Boris Becker: Der unbegreifliche Champion wir 50

Zum 50. Geburtstag der Tennis-Ikone

Boris Becker: Der unbegreifliche Champion

Blick zurück auf sein Tennisleben: Boris Becker feiert seinen 50. Geburtstag.

Blick zurück auf sein Tennisleben: Boris Becker feiert seinen 50. Geburtstag. imago

Kein deutscher Sportler hat das Land mehr bewegt. Fritz Walter nicht und Franz Beckenbauer nicht, Max Schmeling nicht und Michael Schumacher nicht. In der Person von Boris Becker bündelte sich der Sporthunger einer ganzen Nation wie bei keinem Zweiten, er schuf ein Interesse und litt darunter, kaum hatte er am 7. Juli 1985 den Matchball im Wimbledon-Endspiel gegen den Südafrikaner Kevin Curren verwandelt. Becker, der ab diesem Tag für den Rest seines Lebens zum 17-jährigen Leimener wurde, wird also 50. Nehmen wir es als das, was es ist, nämlich als reinen Zufall, dass der Tag seiner Geburt im Jahr 1967 wie nun auch sein 50. Geburtstag auf den zur Selbstkritik mahnenden Buß- und Bettag fielen bzw. fallen.

Dennoch: Kann es wirklich sein, dass dieser Tennis-Hero irgendwie immer etwas Besonderes darstellt und zu bieten hat? Dabei ist es oft egal, von welcher Seite man sich der Person Beckers versucht zu nähern. Nur ein bis zwei Prozent der Weltbevölkerung sind rothaarig, womit Becker von Geburt an zu einer Minderheit gehörte.

Wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass Rothaarige sehr häufig Schmerz leichter ertragen können als andere. Genau diese Erfahrung machte auch sein einstiger Trainer und Entdecker Günther Bosch. Der erzählte dem kicker vor wenigen Wochen in einem ausführlichen Interview die folgende Geschichte: "Boris war in vielerlei Hinsicht anders als andere junge Spieler. 1982 hatte ich für die Jugendlichen eine Party organisiert. Wein und Bier waren kostenlos, Wasser und Cola kosteten. Alle besoffen sich hemmungslos. Außer Boris", sagte Bosch.

Günzi, müssen muss ich nur sterben!

Boris Becker zu seinem damaligen Coach Günther Bosch

"Was nicht heißt, dass er ein einfacher Schützling war. Er sagte immer: 'Günzi, müssen muss ich nur sterben!' Aber ich lernte schnell, wie ich ihn zu nehmen hatte", so der Tennislehrer. "Weil er so gerne tanzen ging, marschierte ich einfach mit und wartete mit Wechsel-Shirts am Tresen, damit er sich nicht erkältete. Die Tanzerei sah ich als zusätzliche Konditionseinheit. Ich versuchte, ständig positiv auf ihn einzuwirken. Beim Konditionstraining rief ich: 'Mann, du läufst ja schneller als Carl Lewis!' und nahm ihn dann mit zur Vorbereitung zweier Boxer in L.A., die um den WM-Gürtel boxten. Boris war fasziniert von deren Trainingsmethoden, anschließend bettelte er mich quasi an, mit Sprungseilen zu arbeiten."

Becker bleibt unberechenbar

Wer, wie der Autor dieser Zeilen, das Glück hatte, ihn aktiv im Wettbewerb und bei Trainingseinheiten beobachten zu können, erlebte immer jemanden, der mehr wollte, der sich selbst geißelte, der sich hasste und beschimpfte, der aber beim Mini-Fußball-Training mit den Davis-Cup-Kollegen einen Treffer bejubeln konnte, mehr noch als so manchen seiner Turniersiege. Wer sich allerdings anmaßte, auch nur eine seiner Reaktionen richtig vorhersagen zu können, musste erkennen, dass dies zum Scheitern verurteilt sein musste. Becker ist bis heute noch unberechenbarer als sein einstmals gefürchteter Aufschlag.

Das ist immer euer Irrtum gewesen. Ich bin nicht euer Boris.

Boris Becker

Dieser so überaus besondere Becker wurde einmal mehr zu Beginn dieser Woche präsentiert, als ihn die ARD am Montagabend 90 Minuten lang unter die Lupe nahm. Zur Primetime geplant, musste das hintergründige Stück in den späteren Abend verschoben werden, weil das Platzen der Jamaika-Sondierungen den TV-Abend durcheinanderwirbelte. Dass Becker eines Tages mal gegen Christian Lindner und Angela Merkel verlieren würde... Was unabhängig von der Sendezeit aber hängenbleibt von dieser außergewöhnlichen öffentlich-rechtlichen Hommage an den Außergewöhnlichen, ist der folgende Satz Beckers: "Das ist immer euer Irrtum gewesen. Ich bin nicht euer Boris."

Dass Männlein und Weiblein von acht bis jenseits der achtzig ihn als ihren Boris wollten, hat ihn belastet, es hat aber so manches Mal auch dazu geführt, dass er durch nichts und niemanden mehr einzufangen und auf dem Erdboden zu halten war. Becker konnte und kann in Ebenen entfliehen, die unvorstellbar sind - man mache sich nur mal die Schuldensumme von mehr als 50 Millionen Euro bewusst, die er laut Medienberichten aus diesem Jahr angehäuft haben soll. Wo die Wahrheit liegt? Leicht zu finden war und ist sie bei Becker ganz selten.

Bewunderung und Kritik – sie werden zu eineiigen Begriffszwillingen, sobald die Sprache auf Becker kommt. Der Sohn eines Architekten und einer Hausfrau kann einfach nicht nur so oder nur so erfasst und eingeordnet werden. Er selbst hat dem kicker im Vorfeld der diesjährigen French Open ein ausführliches Interview gegeben, in dem er auch auf diese Schwierigkeit hingewiesen hat: "Von außen vergisst man immer leicht, dass da ein Mensch steht, keine Maschine, und dass wir Gefühle haben, Erwartungen und Hoffnungen - noch dazu vor den Augen von Hunderten Millionen von Menschen."

Wimbledon: Einst Geburts-, irgendwann letzte Stätte

Der, der sich darüber beklagt, über Gebühr öffentlich zu sein, hat die Weltöffentlichkeit gerade in diesen Tagen wissen lassen, dass er eines Tages auf dem Friedhof von Wimbledon beerdigt werden will. Sechs Gehminuten von jenem Ort entfernt, an dem er wurde, was er für immer bleiben wird - der unbegreifliche Champion.

Der besondere Becker? Ohne ihn wäre die Sportgeschichte nicht um ein Kapitel ärmer, sondern um einen ganzen Roman, dessen Ausgang wir noch gar nicht kennen. Becker bleibt so spannend wie jedes seiner Spiele.

Stefan Bomhard

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