Tennis

Becker schießt gegen Kohlschreiber

Viel Kritik nach Olympia-Absage

Becker schießt gegen Kohlschreiber

Im Kreuzfeuer der Kritik: Philipp Kohlschreiber.

Im Kreuzfeuer der Kritik: Philipp Kohlschreiber. Getty Images

Florian Mayer hatte mit seiner frühzeitigen Olympia-Absage aus Gründen seiner Turnierplanung und seines Alters (bald 30) bereits für Kopfschütteln gesorgt. Als es ihm am Samstag Philipp Kohlschreiber, die deutsche Nummer eins, gleichtat, brach ein Sturm der Kritik los - von Fans, dem Tommy-Haas-Manager und Boris Becker.

"Das ist für mich absolut nicht nachvollziehbar", wetterte Becker gegenüber dem SID. "Die Topstars Federer, Djokovic und Murray haben das Turnier zum Highlight der Saison erklärt. Ich weiß nicht, warum das Kohlschreiber und Mayer anders sehen." Tatsächlich hatten Roger Federer, Novak Djokovic und Andy Murray nach dem Wimbledon-Spektakel vor drei Wochen eine Turnierpause eingelegt und sich akribisch auf den Medaillenkampf vorbereitet.

Kohlschreiber nicht - und so bleiben offene Fragen: Warum wollte der Augsburger in dieser Woche unbedingt in Kitzbühel an den Start gehen, obwohl dort auf Sand gespielt wurde und das Finale des Turniers am Tag des Olympia-Auftakts angesetzt war? Und wie schwerwiegend ist die Verletzung, die er sich in Österreich prompt zuzog, wirklich?

Es kommt nicht von ungefähr, dass die deutschen Herren nicht so beliebt wie die Damen sind.

Boris Becker

Zwar berichtete Kohlschreiber in dem von ihm veröffentlichten Handy-Video, dass er "die ganze Woche schon mit einem verhärteten Fuß gekämpft" habe, was sich im Finale dann verschlimmert hätte, und sprach auch von "leichten Einrissen im Oberschenkel". Allerdings räumte er gleichzeitig ein, dass er sich erst in Rücksprache mit seinem Trainer und dem ATP-Physiotherapeuten entschieden habe, "dass es keinen Sinn macht" - der Arzt hatte ihm freigestellt, in London aufzuschlagen.

"Wenn Olympia zu meiner Zeit in Wimbledon stattgefunden hätte, dann hätte ich ein dreiwöchiges Trainingslager gemacht", sagte Becker: "Ich wäre sicherlich nicht nach Kitzbühel gefahren." Warum tat es Kohlschreiber? "Ich mag das Turnier extrem gern", versuchte er seine Entscheidung zu erklären und sprach davon, dass man mit einer Verletzung eben nicht rechnen könne.

Die Kritik ist trotzdem heftig, zumal sein Davis-Cup-Kollege Christopher Kas sich selbst von einem Muskelbündelriss in der Gesäßmuskulatur nicht von einer Teilnahme hatte abhalten lassen. "Die Absagen sind nicht förderlich, um das deutsche Tennis zu promoten", befand Becker. "Es kommt allerdings auch nicht von ungefähr, dass die deutschen Herren nicht so beliebt wie die Damen sind."

Kühnen: "Für mich ist absolut nichts fragwürdig"

Davis-Cup-Teamchef Patrik Kühnen dagegen stellte sich demonstrativ hinter Kohlschreiber. Das Video, sagte er dem SID, habe er gar nicht gesehen. "Ich habe von ihm ein Attest geschickt bekommen. Für mich ist absolut nichts fragwürdig." Hätte er nicht vorgehabt, an den Spielen teilzunehmen, "hätte er sich doch gar nicht auslosen lassen", pflichtete ihm DTB-Sportdirektor Carl-Uwe Steeb bei.

Nur einer schwieg vorsorglich: Tommy Haas. Der wiedererstarkte Routinier hatte vergeblich auf eine Nominierung durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gehofft, auch ohne die Erfüllung der strengen DOSB-Kriterien hätte er so eine der acht Wildcards erhalten können. Jetzt musste der Halle-Sieger und Hamburg-Finalist in Washington erfahren, dass nach Mayer auch Kohlschreiber andere Prioritäten setzte - und ihm trotzdem die letzte Chance auf eine Olympia-Teilnahme verbaute.

"Für Tommy gab es kein größeres Ziel als die Olympischen Spiele", sagte Haas' Manager Edwin Weindorfer dem SID. "Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer haben ja offenbar eine andere Einstellung zu den Spielen. Die kann Tommy aber nicht teilen." Haas, der unlängst schon von einer "top-peinlichen" Entscheidung des DOSB gesprochen hatte, sei "extrem enttäuscht über die ganze Situation", berichtete Weindorfer. "Der DOSB hat sich mit der Nicht-Nominierung selbst disqualifiziert."