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Was Froome widerfuhr, ist ungeheuerlich

Kommentar zur Tour de France

Was Froome widerfuhr, ist ungeheuerlich

Mal bejubelt, mal bepöbelt: Toursieger Christopher Froome.

Mal bejubelt, mal bepöbelt: Toursieger Christopher Froome. Getty Images

Eines vornweg: Ich lege die Hand nicht dafür ins Feuer, dass Christopher Froome bei seinem zweiten Tour-Sieg mit Blick auf die Doping-Richtlinien völlig sauber gewesen ist. Allerdings würde ich das auch bei keinem Hochleistungssportler machen, der unerlaubte Griff in die Chemie-Kiste ist generell in keiner Sportart auszuschließen. Und es ist nicht erst seit heute das generelle Dilemma in der Welt des Sports, dass selbst das engmaschigste Kontrollsystem Zweifel nie komplett beseitigen kann. Die Trickser und Betrüger sind ihren "Jägern" meist einen Schritt voraus - mal nur einen winzigen, mal einen größeren.

Aber solange kein hieb- und stichfester Beweis vorliegt, gilt die Unschuldsvermutung - dies ist übrigens ein Grundprinzip unserer Gesellschaftsordnung. Deswegen ist das, was Christopher Froome in den vergangenen Tagen widerfahren ist, ungeheuerlich - und damit ist nicht der Becher voller Urin oder das Bespucken gemeint, denn beides ist ohnehin meilenweit unter jeder Gürtellinie und bedarf keiner Worte.

Dass man dessen Leistung nicht blindlings bejubelt, ist das eine, dass man sie generell in Frage stellt und gar nicht respektiert, ist das andere. Besonders skurril wird es, wenn dies jemand macht, der nachweislich eine dunkle Doping-Vergangenheit hat. Siehe Antoine Vayer, jahrelang Trainer der berüchtigten Festina-Equipe, die in den 90er Jahren einem Arzneimittelschrank auf zwei Rädern glich. Und dass ausgerechnet der als Doper überführte Franzose Laurent Jalabert dessen Ball aufnimmt , erstaunt einen gelinde gesagt.

Dem angeblich so renommierte Sportwissenschaftler fehlte der wichtigste Wert

Für Letzteres sorgt auch der angeblich so renommierte Sportwissenschaftler, der seriös ausgerechnet haben will, dass Froomes Sieg bei der ersten Bergankunft in La Pierre-Sant-Matin ohne Doping nicht möglich gewesen sein soll. Der Haken: Ihm lagen viele Daten gar nicht vor, allen voran der alles entscheidende Parameter - das exakte Gewicht von Froome. Und dass ein, zwei Kilo mehr oder weniger gerade bei einem langen Anstieg eine Menge ausmachen, weiß selbst jeder Hobbyradler.

Der Blick in die Sportgeschichte zeigt übrigens, dass es ohnehin so eine Sache ist mit dem, was Sportwissenschaftler auf dem Reißbrett entwerfen und dann als unumstößlichen Fakt verkaufen. In den 50er Jahren "belegten" viele, viele Studien, dass es dem Mensch aufgrund seiner Physiognomie für immer verwehrt bleiben wird, die Meile unter vier Minuten zu laufen. Ein gewisser Roger Bannister widerlegte sie am 6. Mai 1954 - in den darauffolgenden zwölf Monaten durchbrachen übrigens gleich zig weitere Athleten die Vier-Minuten-Schallmauer.

Doch zurück zu Froome: Man muss ihn weder mögen noch seinen Triumph glorifizieren. Aber Respekt verdient er allemal - wie auch seine Mannschaftskollegen. Ohne die starke Unterstützung seiner Equipe, die wohl beste im Peloton, hätte er diese Tour niemals gewinnen können.

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