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Tour-Aus! Martin bricht sich das Schlüsselbein

6. Etappe, Abbeville - Le Havre (191,5 km)

Tour-Aus! Martin bricht sich das Schlüsselbein

Große Schmerzen: Für Tony Martin ist nach seinem Schlüsselbeinbruch die Tour de France beendet.

Große Schmerzen: Für Tony Martin ist nach seinem Schlüsselbeinbruch die Tour de France beendet. Getty Images

Eskortiert von vier Teamkollegen quälte sich Tony Martin mit großen Schmerzen die letzten Meter bis ins Ziel nach Le Havre. Ein Sturz gut 1000 Meter vor dem Ende der sechsten Etappe der 102. Tour de France bedeutet für den dreimaligen Zeitfahr-Weltmeister das bittere Ende seiner Triumphfahrt in Gelb.

"Das Schlüsselbein ist außen in mehrere Teile gebrochen. Ein Knochenteil durchdrang die Haut", sagte Teamarzt Helge Riepenhof nach der Diagnose im Krankenhaus von Le Havre. Martin muss schnellstmöglich operiert werden. Noch am Donnerstagabend flog er deshalb nach Hamburg. "Die OP wird ein Puzzle, ist aber ein Routine-Eingriff. In sechs Wochen kann er wieder Rennen fahren", gab der Arzt eine Prognose ab.

"Es ist eine Schande. Glück und Pech liegen bei der Tour so eng beieinander", sagte Martin. Rund zwei Stunden nach seinem Sturz bestätigte sein Teamchef Patrick Lefebre den Zwangs-Ausstieg des Gesamtführenden. Der Chirurg habe Martin gesagt, dass es unmöglich sei weiterzufahren. "Bis zum Etappensieg war es eine Achterbahn der Gefühle. Der heutige Tag setzt dem Ganzen die Krone auf. Das ist bitter. Solche Geschichten kann nur die Tour de France schreiben. Ich hoffe, dass der Tag kommt, an dem ich darüber schmunzeln kann", sagte ein sichtlich geknickter Tony Martin auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Teamhotel Le Lion D'Or.

Martin war bei dem Sturz auf seine linke Schulter gefallen und musste von seinen Etixx-Teamkollegen fast schon den kleinen Berg hinauf geschoben werden. Der 30-Jährige verteidigte seine Spitzenposition mit zwölf Sekunden Vorsprung auf Christopher Froome erfolgreich, weil er innerhalb der Drei-Kilometer-Marke zu Fall kam. Doch das dürfte Martin kaum trösten.

102. Tour de France

So verkam beim Etixx-Team der Sieg ihres Fahrers Zdenek Stybar (Tschechien) fast schon zur Nebensache. Dass John Degenkolb seinem Happy End erneut vergeblich hinterherjagte, passte an dem so bitteren Tag für die deutschen Radprofis ins Bild. Degenkolb landete nach 191,5 Kilometern von Abbeville nach Le Havre hinter Stybar, dem Slowaken Peter Sagan und Bryan Coquard aus Frankreich auf dem vierten Platz. Der Klassikerkönig, der schon vier zweite Plätze in seiner Tour-Karriere belegte, muss damit weiter auf einen Sieg bei der Frankreich-Rundfahrt warten.

Die Schlüsselszene des Rennens war aber der Martin-Sturz. Der Deutsche fuhr einen kleinen Schlenker, touchierte einen weiteren Fahrer, wodurch schließlich auch Vorjahressieger Vincenzo Nibali zu Fall kam. Der Italiener schien aber das Malheur gut überstanden zu haben. "Das ist unglaublich. Ich weiß gar nicht mehr, wie es passiert ist. Das ist schade", sagte Martin, der bandagiert und ins Krankenhaus gebracht wurde.

Ein grüner Hoffnungsschimmer

Immerhin behielt André Greipel sein Grünes Trikot, auch wenn für das Kraftpaket beim schweren Finale in Le Havre ein dritter Tagessieg nicht möglich war. Der gebürtige Rostocker liegt nur noch drei Punkte vor Sagan.

Auf Degenkolb war die 850 Meter lange Passage mit durchschnittlich sieben Prozent Steigung eigentlich perfekt zugeschnitten. Doch die Attacke von Stybar blieb ohne Reaktion. "Wir haben zu spät reagiert. Meine Form ist eigentlich gut, die Tour geht noch lange", sagte Degenkolb frustriert.

Damit wartet er immer noch auf die Krönung seines bislang so traumhaften Jahres 2015, nachdem er im Frühjahr bei den Monumenten Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix triumphiert hatte. Bei der Tour läuft es für den 26-Jährigen überhaupt nicht nach Plan. Viermal war er bereits auf Platz zwei gefahren, dazu hatten zwei schwere Stürze im Vorjahr dem Frankfurter eine Tour der Leiden beschert.

Erster Afrikaner im Gepunkteten Trikot

Auch sein Rennstall sehnt einen erlösenden Sieg herbei. In den Sprints spielte Giant-Alpecin ohne den daheim gebliebenen Marcel Kittel kaum eine Rolle, außerdem musste Zeitfahrer Tom Dumoulin nach seinem schweren Sturz auf der dritten Etappe (ausgekugelte Schulter und Bruch im Schultergelenk) bereits die Heimreise antreten.

Auf der Fahrt durch die Normandie setzte sich zunächst eine dreiköpfige Ausreißergruppe in Szene. Der Belgier Kenneth van Bilsen, der Franzose Perrig Quéméneur und Daniel Teklehaimanot aus Eritrea rissen sechs Kilometer nach dem Start aus und fuhren zwischenzeitlich einen Vorsprung von über zwölf Minuten heraus. Auch wenn das Unterfangen erfolglos blieb, zahlte sich die Flucht für Teklehaimanot aus. Dank der gewonnenen Bergwertungen unterwegs übernahm er als erster Afrikaner das Gepunktete Trikot bei der Tour.

Seinen ersten Auftritt im neuen Gewand hat Teklehaimanot am Freitag auf der siebten Tour-Etappe, wenn es über 190,5 Kilometer von Livarot nach Fougères geht. Am Ende des Teilstücks könnten vorerst zum letzten Mal die Sprinter um Greipel zum Zug kommen. Ein Massensprint ist das wahrscheinlichste Szenario. Martin jedoch wird nicht mehr dabei sein.

dpa

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