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Hat sich Winokurow den Sieg erkauft?

Bei Lüttich-Bastogne-Lüttich im Jahr 2010

Hat sich Winokurow den Sieg erkauft?

Hat sich Alexander Winokurow (re.) bei Lüttich-Bastogne-Lüttich im Jahr den Sieg von Alexandr Kolobnev erkauft?

Hat sich Alexander Winokurow (re.) bei Lüttich-Bastogne-Lüttich im Jahr den Sieg von Alexandr Kolobnev erkauft? Getty Images

Am 25. April 2010 hatten sich Winokurow und Alexandr Kolobnev (Katusha) rund 15 Kilometer vor dem Ziel aus einer Spitzengruppe heraus abgesetzt und machten im Finale auf der Cote de Saint-Nicolas den Sieg unter sich aus. Winokurow schüttelte rund 500 Meter vor dem Ziel seinen Mitstreiter locker ab und feierte somit nach 2005 seinen zweiten Erfolg beim ältesten Radklassiker der Welt.

Nun tauchen massive Zweifel an dem Triumph auf. Demnach soll Winokurow dem Russen 100.000 Euro versprochen haben, damit dieser im Schlussspurt auf eine Attacke verzichtet und Winokurow den Sieg überlässt. Das Magazin L'Illustre beruft sich vor allem auf den E-Mail-Verkehr zwischen Winokurow und Kolobnev. Zudem soll die betreffende Summe auf ein Konto Kolobnevs bei einer Schweizer Bank in Locarno eingegangen sein.

Winokurow kündigt juristische Schritte an

In einer ersten Reaktion wies Winokurow die Anschuldigungen weit von sich und vermutet einen Zusammenhang mit seinen politischen Ambitionen: "Dahinter stecken Leute, die meinen Kopf wollen. Ich kann das Gerede über mich nicht akzeptieren", wird der ehemalige Star des Team Telekom in einer Stellungnahme seines Arbeitgebers Astana zitiert. "Es ist doch eigenartig, dass das ein paar Tage danach passiert, dass ich meine Kandidatur für das kasachische Parlament angekündigt habe. Das verletzt meine Privatsphäre", führte der 38-Jährige weiter aus und kündigte an, juristisch gegen das Magazin vorgehen zu wollen. Winokurow wurde Ende November von Kasachstans Regierungs-Partei Nur Otan als Kandidat für die nächsten Parlamentswahlen nominiert.

Alexander Winokurow gehört zu den stärksten, aber auch umstrittensten Fahrern im Peloton der letzten Jahre. Durch sein ausgeprägtes Ego beanspruchte er bei nahezu jeder seiner Stationen eine Leaderrolle und stellte Eigen- über Gemeinschaftsinteressen. Seine Karriere begann er beim Team Casino, zwischen 2000 und 2005 fuhr er für das damalige Team Telekom bzw. T-Mobile. Seit 2006 fährt er für Astana, wo er nicht nur sportlich das Sagen hat.

Während seiner Karriere konnte er etliche große Erfolge bei Eintages- und Etappenrennen feiern. Im Jahr 2006 gewann er mit der Vuelta seine einzige große Rundfahrt, zudem siegte er 1999 bei der schweren Dauphine Libéré. 2001 stand er bei der Deutschland-Tour ganz oben, Paris-Nizza konnte er 2002 und 2003 für sich entscheiden. Neben seinen beiden Siegen bei Lüttich-Bastogne-Lüttich entschied er im Jahr 2003 auch das Amstel-Gold-Race für sich.

Lange Zeit rankten sich auch Doping-Gerüchte um Winokurow, doch nachweisen konnte man ihm nichts. Bei der Tour de France im Jahr 2007 wurde ihm jedoch Fremdblutdoping nachgewiesen. Auch die B-Probe bestätigte die erste Analyse, Winokurow wurde für zwei Jahre gesperrt. In diesem Jahr stürzte er auf der 9. Etappe der Frankreich-Rundfahrt schwer und zog sich dabei einen Bruch des Oberschenkels zu. In einer ersten Reaktion beendete er daraufhin seine Karriere, machte im September aber einen Rücktritt vom Rücktritt.

Absprachen im Peloton durchaus üblich

Gerüchte um Bestechungen im Radsport sind nicht neu. So beschuldigte der ehemalige Festina-Manager Bruno Roussel in seinem 2001 erschienenen Buch "Tour der Laster" auch Jan Ullrich, im Jahr 1997 Geld vom Franzosen Richard Virenque angenommen zu haben. Dafür überließ der damalige Toursieger dem Berg-König den Etappensieg in Courchevel. Auch der Schweizer Laurent Dufaux und der Däne Bjarne Riis sollen ein Jahr zuvor gegen Zahlung einer bestimmten Summe einen Etappensieg abgesprochen haben.

Juristisch verfolgt wurden solche Verdachtsfälle aber noch nie. Wohl auch, weil Absprachen im Radsport durchaus üblich sind. Meistens werden solche "Gentlemen Agreements" aber aus Dankbarkeit oder Gefälligkeit getroffen, ob finanzielle Mittel dabei im Spiel sind, ist schwer feststellbar. So werden "Wasserträger", die viel Führungsarbeit verrichtet haben, oder zum Ausbau einer Spitzenposition beitrugen, mit einem Tageserfolg belohnt. Aber auch Siege von Fahrern in ihren Heimatregionen werden gerne einvernehmlich geregelt. Allerdings betrifft dies meist einzelne Etappen bei Landesrundfahrten oder kleinere Kriterien.

Dementsprechend defensiv äußerte sich UCI-Präsident Pat McQuaid zu den neuen Vorwürfen. Sollte es Beweise für die Anschuldigungen geben, seien laut dem Iren "Sanktionen" möglich. Allerdings werde er sich nicht persönlich mit dem Fall beschäftigen, sondern die Dokumente an die Rechtsabteilung der UCI weiterleiten. Diese werde dann entscheiden, ob bestehende Regeln überschritten wurden.