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NFL-Vorschau 2017, Teil 4 von 8: Oakland, Denver & Co. - AFC West: Powerhouse, Carr-Comeback und Denkfehler?

NFL-Vorschau 2017, Teil 4 von 8: Oakland, Denver & Co.

AFC West: Powerhouse, Carr-Comeback und Denkfehler?

In der AFC West darf man sich wie jedes Jahr auf verrückte Outfits der Raider Nation freuen.

In der AFC West darf man sich wie jedes Jahr auf verrückte Outfits der Raider Nation freuen. Getty Images

In der AFC West ist auch in diesem Jahr einiges geboten, das steht nahezu fest. Alle vier Franchises sind stark aufgestellt - und könnten nach Experteneinschätzungen jeweils zehn Siege einfahren. Das wären mindestens 40 Siege einer Division in einer einzigen Regular Season! Die Einschätzung kommt nicht von ungefähr: 2013 standen in der Vierergruppe insgesamt 37 Erfolgserlebnisse auf der Habenseite (Denver, Kansas City und die damals noch in San Diego ansässigen Chargers zogen in die Play-offs ein). 2014 waren es 33 Siege, 2015 waren es 34, letztes Jahr 38.

Kansas City Chiefs (Vorjahr: 12:4)

Apropos Siege: Damit hat Kansas City in jüngster Vergangenheit grandiose Erfahrungen gemacht. Die vor allem im heimischen Arrowhead Stadium bärenstarken Chiefs um den seelenruhigen Quarterback Alex Smith, der in seinen vergangenen sechs NFL-Jahren in 87 Partien nur 38 Interceptions geworfen hat, erreichten 43 Siege in den jüngsten vier Spielzeiten und dadurch dreimal die Play-offs. Zum Vergleich: Zuvor waren nur vier Endrundenteilnahmen in 17 Jahren drin - und bis dato nicht einmal seit 1995 zwei Play-off-Qualifikationen am Stück. Das alles ist in erster Linie Headcoach Andy Reid zuzuschreiben, der eben seit jenen vier Jahren die Chiefs-Geschicke leitet.

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Doch wie steht es um die Aussichten 2017? Kann das Powerhouse KC auch in den Play-offs durchstarten - oder droht ein Einbruch? Eines scheint sicher: Nach dem Divisionssieg 2016 und dem Durchbruch der Broncos-Vorherrschaft (fünf AFC-West-Titel in Folge) geht das NFL-Franchise mit einer gehörigen Portion Zuversicht in die neue Regular Season - vor allem Routiniers wie Spielmacher Smith (33) oder die Linebacker Derrick Johnson (34) und Tamba Hali (33), denen nicht mehr allzu viel Zeit bleibt, gehen in diesem Team voran und wollen den Chiefs die erste Endspielteilnahme seit 48 Jahren bescheren (damals im Super Bowl IV mit 23:7 gegen Minnesota erfolgreich).

Alex Smith

Liefert seit Jahren ab - doch der endgültige Druchbruch fehlt (noch): Chiefs-Quarterback Alex Smith. Getty Images

Doch es wird auch immer wieder Kritik laut im KC-Lager - speziell in Bezug auf Quarterback Smith, der vielen Experten als zu ruhig, in Top-Spielen zu schwach erscheint und deswegen als kein Championship-Gewinnertyp gilt. Aber: Der 33-Jährige hat in vier Jahren eine Bilanz von 41:20 hingezaubert - nur New Englands Tom Brady (47) und Seattles Russell Wilson (45) haben in diesem Zeitraum mehr Siege eingetütet. Mit seiner Top-Anspielstation Travis Kelce (mit 1125 erreichten Yards der beste Tight End 2016) und den vielversprechenden Receivern Chris Conley (44 Catches für 530 Yards) oder Albert Wilson (31 Catches für 279 Yards), die nun einen Leistungssprung vollziehen sollen, ist viel möglich. Außerdem steht Allrounder Tyreek Hill (61 Catches für 593 Receiving Yards bei sechs TDs sowie weiteren 267 Rushing Yards bei drei TDs) zur Verfügung, wenngleich Superstar Jamaal Charles nach Denver weitergezogen ist. Und wenn gar nichts mehr geht, dann ist eben die Defense zur Stelle - Linebacker Justin Houston & Co. haben es viermal in Folge unter die besten zehn Abwehrreihen der gesamten NFL geschafft.
Trainer: Andy Reid
Stars: Alex Smith (QB), Eric Berry (DB), Justin Houston (LB), Derrick Johnson (LB), Travis Kelce (TE)

Oakland Raiders (12:4)

Wohin hätte die Reise wohl mit Quarterback Derek Carr (3937 Yards, 28 Touchdowns, nur sechs Interceptions) geführt? Diese Frage haben sich die Fans der Oakland Raiders in den letzten Monaten wohl oft gestellt. Denn das Team um Headcoach Jack Del Rio hatte vergangene Spielzeit mit einer Bilanz von 12:4 gewaltige Ansprüche angemeldet, Football-Fans weltweit mit spektakulären Matches oder risikoreichen Entscheidungen verzückt. Doch nach dem Wadenbeinbruch von Carr exakt an Weihnachten 2016 verlor das Team das Herzstück - und nach dem sichergeglaubten Divisionstitel in der AFC West (Kansas City) auch noch direkt in der Wild Card Round in Houston mit 14:27.

Oakland Raiders

Auf ein Neues: Die hochmotivierten Oakland Raiders wollen mit Anführer Derek Carr (#4) an das bärenstarke 2016 anknüpfen. Getty Images

Die famose Raiders-Reise nach vielen Jahren der Tristesse (erste Play-off-Teilnahme seit 2002/03) war somit auf extrem harte Weise zu Ende gegangen - was verständlicherweise für getrübte Stimmung und hängende Köpfe gesorgt hatte, im Team und bei den kultigen Fans in ihren schwarzen Piraten-Outfits. Trainer Del Rio hatte trotzdem ein riesengroßes Lob für eine insgesamt überzeugende Saison ausgesprochen: "Wir brauchen uns für das nicht zu entschuldigen. Wir haben stets stark gespielt und alles gegeben. Und das Wichtigste: Wir haben eine große Zukunft vor uns. Das war nur der Anfang."

Das könnte in der Tat zutreffen: Denn mit Spielmacher Carr, der inzwischen einen gewaltigen Vertrag sein Eigen nennt , mit Linebacker Khalil Mack (73 Tackles, elf Sacks, fünf Force Fumbles, eine Interception, Defensive Player of the Year 2016) und vor allem auch mit dem aus dem Ruhestand geholten Running Back Marshawn Lynch scheint vieles möglich. Klar weiß noch niemand, wie sich "Beast Mode" nach seiner Auszeit präsentieren wird - doch an monströser Power und Beinkraft wird noch vieles vorhanden sein. Lynch sang glatt ein Loblied auf seine kalifornische Heimatstadt - und will mit den Raiders vor dem Umzug nach Las Vegas im Jahr 2020 noch Großes erreichen: "Als ich mitbekommen habe, dass sie umziehen, war ich fest entschlossen. Ich bin hier aufgewachsen, bin hier die Gassen runtergerannt, habe hier alles durchgemacht. Und jetzt bekomme ich die Chance, hier noch einmal zu spielen. Wenn die Raiders Oakland verlassen, haben viele Kinder beim Heranwachsen wahrscheinlich nicht mehr die Möglichkeit, ihre Idole zu verfolgen. Wenn ich jetzt hier spiele, bekommen sie nochmal jemanden aus ihrer Heimatstadt zu sehen, der es geschafft hat." Vielleicht ja sogar bis in den Super Bowl.
Trainer: Jack Del Rio
Stars: Derek Carr (QB), Khalil Mack (DE), Sebastian Janikowski (K), Marshawn Lynch (RB), Michael Crabtree (WR), Amari Cooper (WR)

Denver Broncos (9:7)

Was haben die Denver Broncos getan? In erster Linie seit dem Karriereende von Legende Peyton Manning und dem mit einhergehenden Super-Bowl-Sieg ( 24:10 am 7. Februar 2016 gegen Carolina ) nichts allzu Gewinnbringendes: Als amtierender Meister verpasste das Team aus der Mile High City im US-Bundesstaat Colorado direkt die Play-offs (9:7). Warum? Weil die Abwehr nicht das absolute Maximum herausgeholt (aus unerklärlichen Gründen nur 18. gegen das Laufspiel der Gegner) und Brock-Osweiler -Nachfolger Trevor Siemian verständlicherweise nicht konstant genug abgeliefert hatte: 3401 Yards, 18 Touchdowns, zehn Interceptions.

Von Miller

Die Zeit des Ausruhens ist vorbei - vor allem für Denvers Linebacker Von Miller, der nach dem Verlust zweier Abwehrgranaten womöglich noch mehr leisten muss. Getty Images

"Trevor war in der Vorbereitung einfach beständiger, er ist unser Mann", stärkte Headcoach Vance Joseph ( Nachfolger von Gary Kubiak ) am Ende der Preseason seinem Schützling aber den Rücken - und zog ihn Backup Paxton Lynch (ohnehin am Anfang aufgrund einer Schulterverletzung außen vor) vor. "Beide haben hart gekämpft, beide wollten den Job. Wir sind zufrieden mit beiden." Doch Siemian sei in diversen Bereichen einfach einen Schritt weiter - da ändert auch die überraschende Rückkehr von Osweiler nach dessen Entlassung von den Cleveland Browns nichts.

Eines scheint somit klar zu sein: Um Siemian mit seiner gesamten Offense den Job leichter machen zu können, muss die Abwehr einmal mehr als gefürchtete Maschinerie durch die Lande ziehen - dann erscheint ein Play-off-Lauf möglich. Doch liegt vielleicht hier ein Problem vor? Haben die Broncos etwas falsch bedacht?

Ich dachte zunächst, das wären Fake News.

Von Miller über die überraschende Entlassung von T.J. Ward

Denn zunächst brach dem Team mit DeMarcus Ware (35) eine echte Kante weg : Der zurückgetretene Linebacker schaffte es während seiner zwölfjährigen Karriere (Dallas Cowboys zwischen 2005 und 2013 sowie Denver Broncos zwischen 2014 und 2016) ganze neunmal in den Pro Bowl. 2008 sowie 2010 führte der Champion von 2016 zudem die NFL in Sachen Quarterback-Sacks an und ist einer von nur elf Akteuren, die in einer Spielzeit mindestens 20 Sacks setzten (138,5 gesamt). Doch nicht nur das: Kurz vor Ligastart strich Denver auch noch den im Team hoch anerkannten Pro-Bowl-Safety T.J. Ward, der sofort bei Tampa Bay unterkam und verbal nachtrat - "komplett unprofessionell" sei seine Demission abgelaufen sein. Was auch Superstar-Linebacker Von Miller, der künftig ohne die beiden Größen auskommen muss, auf den Plan rief: "Ich dachte zunächst, das wären Fake News. T.J. war und ist ein großartiger Spieler für uns, solche Sachen erwischen einen immer überraschend."

Nichtsdestotrotz ist die Broncos-Defense nach wie vor bockstark aufgestellt: Neben Miller finden sich hier die Cornerbacks Aqib Talib und Chris Harris Jr., Defensive End Derek Wolfe oder der Deutsche Kasim Edebali wieder.
Trainer: Vance Joseph
Stars: Von Miller (OLB), Aqib Talib (CB), Emmanuel Sanders (WR), Demaryius Thomas (WR)

Los Angeles Chargers (5:11)

Los Angeles Chargers

Altes Team, neue Stadt, viel zu tun: die Los Angeles Chargers brauchen wohl noch Zeit. Getty Images

Umzug erfolgt, Erfolg im Anflug? Eine solche Schlagzeile erhoffen sich die Los Angeles Chargers in dieser Saison unter den neuen Gegebenheiten - auch wenn immer noch nicht alles rosig erscheint. Denn der Abgang aus San Diego ging mit jeder Menge Stress einher: Möbelpacker boykottierten den Umzug von San Diego nach L.A., Fans demonstrierten heftig und verbrannten reihenweise Fanartikel .

Der Hintergrund der Wut: Die Chargers, die bereits 1960 als Los Angeles Chargers in der National Football League gespielt haben, haben San Diego nach stolzen 55 Jahren wieder verlassen (1961 bis 2016/17) und sind die 200 Kilometer nordwärts in die Sportmetropole L.A. gezogen. Die nächste Baustelle im wahrsten Sinne des Wortes: Weil das geplante Inglewood Stadium, Heimstätte der Chargers und der Los Angeles Rams, erst ab 2019 fertiggestellt sein wird, spielt das Team zunächst im knapp 30.000 Mann fassenden StubHub Center - der Heimstätte des MLS-Klubs L.A. Galaxy und zugleich das kleinste NFL-Stadion seit dem 1957 von den Philadelphia Eagles genutzten Shibe Park. Saftig sind dabei die Preise, denn die knapp 30.000 Besucher müssen im Vergleich zum landesweiten Rest dem Vernehmen nach kräftiger in die Tasche langen - Nachfrage bestimmt Preis.

Ich hoffe, dass ich noch bis 2020 weiterspielen kann - und das natürlich hier in L.A.

Chargers-Quarterback Philip Rivers

Kann dieses Gesamtszenario nun direkt im ersten neuen L.A.-Jahr zum Erfolg führen? Äußerst fraglich - zumal die sportliche Komponente auch Fragezeichen aufwirft: Nach dem schwachen 2016 (5:11), der Bilanz von 9:23 aus den jüngsten beiden Spielzeiten und dem letztmaligen Play-off-Erreichen 2013 wird die Zeit immer knapper für Star-Quarterback Philip Rivers (35). Ob er im Gespann mit dem neuen Trainer Anthony Lynn nochmals zu einem Run ansetzt? Die Qualitäten hat der Routinier in jedem Fall (viermal über 4000 Yards in den letzten vier Spielzeiten, dabei 125 Touchdowns). Doch auch Rivers weiß, dass sein Team noch etwas Zeit braucht - und deswegen formuliert er lieber vorausschauend: "Ich hoffe, dass ich noch bis 2020 weiterspielen kann - und das natürlich hier in L.A." Trainer: Anthony Lynn
Stars: Philip Rivers (QB), Antonio Gates (TE), Casey Hayward (CB), Melvin Ingram (DE), Russell Okung (OT)

Fazit: Ganz klar ist, dass die "neuen" Los Angeles Chargers, denen wohl auch das noch fehlende Zusammenspiel mit den "neuen" Fans anhaften wird, als krasser Außenseiter in der AFC West an den Start gehen. Die Konkurrenz ist einfach zu stark: Kansas City hat sich unter Coach Reid zu einem schwer bezwingbaren Giganten gemausert (ausgenommen in den Play-offs), während Oakland mit modernstem wie risikobereitem Football glänzt und für Furore sorgt. An Denvers Abwehr werden sich zudem erneut viele Gegner die Zähne ausbeißen. Und so gibt es keinen klaren Favoriten in Sachen Divisionstitel - am Ende schaffen es womöglich in der Tat Chiefs, Raiders und Broncos in die NFL-Endrunde.

Markus Grillenberger

Brady, Rodgers, Prescott, Carr - Quarterbacks 2017