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Monsieur Loeb lässt wieder alle stehen

Volkswagen feiert gelungenes Polo-Debüt

Monsieur Loeb lässt wieder alle stehen

Gewann in beeindruckender Manier die Spanien-Rallye: Sébastien Loeb.

Gewann in beeindruckender Manier die Spanien-Rallye: Sébastien Loeb. Getty Images

Die Bilder erinnern sehr stark an die Zeit bis vor zwei Jahren, als sich die Rallyefans dicht an dicht vor dem Volkswagen-Compound drängten. Vier Jahre in Folge hatte hier die Musik gespielt. Wer Weltmeister Sébastien Ogier aus nächster Nähe sehen wollte, musste hierher pilgern. Einen Weltmeister gab es auch diesmal zu entdecken, und die Anhänger waren kaum weniger zahlreich, die sich nun den erstmals eingesetzten Polo GTI R5 genauer ansehen wollten, dazu jenen Mann, der als Letzter vor der seit 14 Jahren andauernden "Sébastienitis" den Weltmeistertitel errungen hatte: der Norweger Petter Solberg (44).

Solbergs Start an sich ist schon eine kleine Sensation. Denn vor einem Jahr diagnostizierten seine Ärzte bei einer Routineuntersuchung nach einem Rennunfall eine äußerst gefährliche Lungenkrankheit. Gerade noch rechtzeitig, um mit Medikamenten dagegen anzugehen. Als heilsam erwies sich für den Norweger zudem der Hunger nach Renneinsätzen: In der Rallycross-WM, einer Mischung aus Rallye und Rundstrecke, setzt er mit seinem Team den derzeit unbesiegbaren Polo R ein, ist dabei Arbeitgeber und Mentor des schwedischen Doppelweltmeisters Johan Kristoffersson, vor allem aber auch Fahrer im zweiten Auto. Das dabei ausgeschüttete Adrenalin überdeckt offenbar alle nach wie vor nicht gänzlich ausgeräumten Beeinträchtigungen.

In Spanien bei seiner ersten klassischen WM-Rallye seit dem Jahr 2012 erfüllt der Routinier exakt die Ansprüche, die Volkswagen an ihn gestellt hatte: die Grenzen des neuen Autos antesten, sie nicht überschreiten, es sicher nach Hause bringen und dabei ein starkes Resultat erzielen. Dies alles gelingt, am Ende ist Solberg in der WRC-2-Klasse, der zweiten Liga der Rallye-WM, starker Gesamt-Dritter. "Ich habe gespürt, dass ich schneller hätte fahren können", sagt er am Ende des zweiten von drei Tagen, an dem sein Teamkollege Eric Camilli (Frankreich) in aussichtsreicher Position mit einem Schaden am Schaltgestänge ausfällt. Der Polo hat da jedoch schon die Gene offenbart, die sich das Team erhofft hatte: Er ist auf Anhieb schnell. Die jetzt schon mehr als 60 vorgemerkten Kunden, die dieses Auto ab der kommenden Saison in Eigenregie einsetzen wollen, werden es mit Zufriedenheit verfolgt haben.

Überzeugende Vorstellung: Der Polo GTI R5 mit Petter Solberg als Fahrer.

Überzeugende Vorstellung: Der Polo GTI R5 mit Petter Solberg als Fahrer. imago

Für Volkswagen und Steuer-Mann Solberg jedoch bleibt Spanien ein einmaliges Erlebnis. Ein werkseitiger Einsatz wird auch nach der geglückten Premiere kein Thema sein, und Solberg kehrt wohl nicht mehr in die Rallye-WM zurück. Sein Fazit des Spanienausflugs: "War doch nicht schlecht für einen solch alten Hund. Ich wollte diese Rallye, und es macht mich glücklich, dass ich es gemacht habe."

Loeb beeindruckt die Stars der Szene

Wenn Spanien die letzte seiner 186 bestrittenen WM-Rallyes gewesen ist, so gilt dies möglicherweise auch für Sébastien Loeb, den besten Autofahrer der letzten zwei Jahrzehnte, den genialsten Rallyefahrer aller Zeiten. In einem Citroën C3, der genau seit einem Jahr nicht mehr siegreich war, kommt Monsieur Loeb entspannt daher, bestreitet seine gerade mal fünfte Rallye in den letzten fünf Jahren, gibt am Sonntagmorgen kurz mal Gas – und schon ist die Messe gelesen. Die Stars der Szene bleiben verdutzt zurück. "Ich bin extrem beeindruckt", applaudiert auch Solberg, sein einstiger Konkurrent. Aber derzeit gibt es keinen Plan, der den 44-jährigen Loeb als Stammfahrer für 2019 vorsähe.

Der WM tut der Elsässer mit seiner Ausnahmeleistung in Spanien – es ist sein 79. Sieg und der erste seit Argentinien 2013 – einen Riesengefallen. Denn die Saison bleibt offen bis zum Finale Mitte November in Australien. So eng wie der Einlauf bei der Rallye Catalunya (fünf Fahrer innerhalb von lediglich knapp 19 Sekunden) ist auch der WM-Stand: Der neue Führende, Titelverteidiger Sébastien Ogier (204 Punkte), hat nun hauchdünne drei Zähler Vorsprung auf den Belgier Thierry Neuville. Theoretische Hoffnungen hegt auch noch der Este Ott Tänak (Toyota) mit 181 Punkten. In Zeiten von Loeb und später Volkswagen herrschte häufig weniger Spannung.

Stefan Bomhard