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Polo GTI R5 in der WRC-2-Kategorie: Volkswagen und die kurze Rallye-Rückkehr

Neuer Polo debütiert diese Woche in Spanien

Volkswagen und die kurze Rallye-Rückkehr

Kraftpaket: VW Polo GTI R5 für die WRC-2-Kategorie.

Kraftpaket: VW Polo GTI R5 für die WRC-2-Kategorie. VW

Generationen von Kindern haben Auto-Quartett gespielt. Und spätestens in der Rennwagenversion war nichts wichtiger als die Topgeschwindigkeit. Unter diesem Aspekt ist der Polo GTI R5 mit einem Topwert von 200 km/h nichts Besonderes. Aber im Rallyesport kommt es nicht so sehr auf die Höchstgeschwindigkeit an, sondern darauf, sie möglichst schnell zu erreichen, ob auf Asphalt oder Schotter. Um beides zu demonstrieren, bot sich die Spanien-Rallye an wie keine andere. Sie ist die einzige im WM-Kalender, die auf Schotter startet und auf Asphalt endet. Für das Team dahinter, die Ingenieure und Mechaniker, liegt darin eine mindestens so anspruchsvolle Aufgabe wie für das fahrende Personal. 4,1 Sekunden bis zur 100-km/h-Marke sind in jedem Falle eine Machtdemonstration des 272 PS starken Reihen-Vierzylinder-Motors mit Abgasturbolader und Ladeluftkühlung. Erreicht werden sie dank des permanenten Allradantriebs, der das 1230 kg schwere Auto (hinzu kommt das Gewicht der Besatzung) zu einer erdverbundenen Rakete macht, die sich in jede Art von Untergrund krallt.

Polo für 226.000 Euro

Wer die vom Weltverband FIA als Obergrenze festgesetzten 190.000 Euro auf den Tisch blättert, bekommt ein Rallyeauto vom Feinsten: Im Polo GTI R5, der nicht nur äußerlich, sondern auch unter der Verkleidung seine Abstammung vom seit 2017 verkauften Serienmodell der sechsten Generation nicht verleugnen kann, finden sich neben den hauseigenen Entwicklungen Komponenten von klangvollen Zulieferern: Dazu gehören das Getriebe von Xtrac, die Motorelektronik von Bosch, die Stoßdämpfer von ZF Sachs oder Bremsen von Alcon. Es sind nicht eben zufällig dieselben Kooperationspartner, die auch schon die Siegesserie zwischen 2013 und 2016 in der Rallye-WM mitbegleitet hatten. Zu den 190.000 Euro kommt übrigens noch die Mehrwertsteuer hinzu - 36.000 Euro, die selbst für den bestausgestatteten zivilen Polo dicke langen würden.

Volkswagen setzt zur Präsentation seines neuesten Rennprojekts alles und alle ein, die in den letzten 15 Jahren Erfahrungen in Topserien gesammelt haben: sei es bei den drei Siegen bei der Rallye Dakar, bei der Erringung von vier Titeln in Serie in der Rallye-WM oder jüngst im Frühsommer 2018 bei der fantastischen Verbesserung des Streckenrekords am legendären Pikes Peak in Colorado.

Das Warten auf den Röhrl-Erben

Einmalig bleiben wird der Werkseinsatz rund um Tarragona deshalb, weil der Polo ein reines Kundenfahrzeug sein soll. Unmittelbar nach der Premiere beginnt in Hannover am Sitz von Volkswagen Motorsport der Aufbau und die Auslieferung der ersten 15 R5-Polo. Im Jahr 2019 folgen 30 bis 40 weitere. "Es gibt wesentlich mehr Nachfrage, als wir bedienen können. Wir sind überwältigt von dem großen Interesse", freut sich Volkswagen-Motorsportdirektor Sven Smeets. Abzuwarten bleibt, ob auf diesem Weg vielleicht endlich auch jenes deutsche Rallyetalent gefunden und behutsam herangeführt werden kann, auf das die Szene im Grunde seit Walter Röhrls Rallyeausstieg vor mehr als 30 Jahren sehnlichst wartet.

Beim Debüt am Wochenende jedenfalls nimmt ein Superstar der Rallyewelt Platz hinter dem Lenkrad. Der Norweger Petter Solberg war 2003 der letzte Rallye-Weltmeister, der nicht den Vornamen Sébastien trug. Seitdem gewannen ausschließlich die beiden Franzosen Sébastien Loeb (2004 - 2012, Citroën) und Sébastien Ogier (seit 2013, viermal mit VW, einmal mit Ford). Solberg, nach seiner Karriere in der Rallye-WM in den Jahren 2014 und 2015 auf Citroën erster WM-Titelträger in der neugeschaffenen Rallycross-WM, fährt in dieser Serie seit 2017 für Volkswagen. Vergangenes Jahr Dritter, hat er 2018 vor dem Saisonfinale Ende November in Südafrika noch die Chance auf den Vizetitel hinter seinem VW-Markenkollegen, dem als Weltmeister bereits feststehenden Schweden Johan Kristoffersson. "Die Gelegenheit, mit Volkswagen ein WRC-Comeback zu feiern, ist einmalig, und ich habe das Angebot sehr gern angenommen", sagt Solberg. "Als ich den Polo GTI R5 bei den Tests in Schweden zum ersten Mal gefahren habe, wollte ich gar nicht mehr aufhören."

Stefan Bomhard