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Stabhochspringer Raphael Holzdeppe im exklusiven kicker-Interview: "Das wird in London nicht passieren..."

Stabhochspringer vor der Leichtathletik-WM im kicker-Interview

Holzdeppe: "Das wird in London nicht passieren..."

Hat den Traum vom WM-Titel noch nicht aufgegeben: Stabhochspringer Raphael Holzdeppe.

Hat den Traum vom WM-Titel noch nicht aufgegeben: Stabhochspringer Raphael Holzdeppe. imago

kicker: Herr Holzdeppe, 2016 war für Sie eine verkorkste Saison, die mit dem Aus in der Qualifikation bei den Olympischen Spielen in Rio endete. Haben Sie das Seuchenjahr verdaut?

Raphael Holzdeppe: Rio ist definitiv verdaut. Hinter mir liegt das schwierigste Jahr meiner Karriere. Doch das ist abgehakt. Auf die Saison 2017 konnte ich wirklich gut hintrainieren. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Form für die Weltmeisterschaften - und topfit.

kicker: Stimmt der Eindruck, dass auch diese Freiluftsaison noch nicht rund gelaufen ist? Und woran liegt das?

Holzdeppe: Vorgestellt hatte ich mir das schon anders, weil anfangs wirklich alles super lief. Aber dann gab es doch Störfaktoren. Erst hatte ich einen Stabbruch, dann ist ein weiterer Stab angebrochen - daraufhin habe ich mich entschlossen, das Material zu wechseln, auch, weil weltweit zahlreiche Stäbe anderer Athleten aus demselben Material gebrochen waren. Das hieß natürlich, sich auf neue Stäbe einzustellen. Dann lag ich eine Woche mit Fieber im Bett, was mich gut zwei Wochen Training gekostet hat. Dadurch hat sich der ganze Aufbau nach hinten verschoben, bis ich wieder die Form hatte wie vor den Zwischenfällen.

Je mehr Zeit vergeht, umso mehr denkt man darüber nach, und umso mehr Unsicherheit stellt sich ein.

Raphael Holzdeppe zum Thema Stabbruch

kicker: Stabbruch - das erinnert an einen Horrorcrash im Motorsport. Verunsichert das, und wie gehen Sie damit um?

Holzdeppe: Solange man sich nicht so verletzt, dass man nicht direkt wieder einen Sprung machen kann, ist das eigentlich kein Problem für den Kopf. Je mehr Zeit vergeht, umso mehr denkt man darüber nach, und umso mehr Unsicherheit stellt sich ein. Bei mir war nur das Problem, dass eben zig Stäbe dieser Art schon gebrochen waren und ich einen Konstruktionsfehler befürchtete. Deshalb bin ich auf Nummer sicher gegangen, und das hat einfach seine Zeit gebraucht.

kicker: In Hof am 24. Juni haben Ihnen dann 5,80 Meter die WM-Norm gebracht und das Ticket gesichert. Es fehlte zuletzt noch die Konstanz auf diesem Niveau.

Holzdeppe: Ich habe mich das ein oder andere Mal noch mit dem Abstand zur Latte verkalkuliert, war hoch drüber, bin aber auf die Latte gefallen. Das wird bei der WM in London nicht passieren.

kicker: Welche Erinnerungen haben Sie an London, wo Sie 2012 Olympia-Dritter wurden?

Holzdeppe: Super Erinnerungen natürlich (lacht). Der Wettkampf war spitze. Das Publikum war sensationell. Ich habe noch nie Zuschauer erlebt, die so euphorisch und begeistert dabei sind. So, dass man sein eigenes Wort nicht verstehen konnte. Auch diesmal wird es bei unserem Finale wieder laut werden. Denn parallel wird zum Beispiel Weltrekordler Wayde van Niekerk die 400 Meter laufen. Da wird wieder richtig was los ein - genau darauf freue ich mich sehr. Das beflügelt mich.

Gerade in England muss man auch immer aufs Wetter schauen...

Raphael Holzdeppe über die Chancen bei der WM

kicker: Was passiert noch bis zur WM?

Holzdeppe: Ich trainiere zu Hause, war nur bis Sonntag ein paar Tage im Olympischen Trainingszentrum Kienbaum. Am Freitag geht's dann nach London. Die Quali findet am Sonntag statt, das Finale zwei Tage später.

kicker: Wie schätzen Sie Ihre Konkurrenten ein?

Holzdeppe: Das Niveau ist sehr, sehr hoch. Es wird auf jeden Fall eine spannende WM werden. Renaud Lavillenie dominiert nicht wie in den vergangenen Jahren die Saison. Favorit ist auf dem Papier Sam Kendricks, der Ende Juni sechs Meter gesprungen ist. Es wird wohl die Tagesform entscheiden, wer wo landet. Gerade in England muss man auch immer aufs Wetter schauen...

Und drüber: Stabhochspringer Raphael Holzdeppe will auch in London hoch fliegen.

Und drüber: Stabhochspringer Raphael Holzdeppe will auch in London hoch fliegen. imago

kicker: Mit 5,80 Metern stehen Sie derzeit auf einem geteilten achten Platz in der Welt-Jahresbestenliste. Was, glauben Sie, muss man springen fürs Podium?

Holzdeppe: Ohne extreme Bedingungen, denke ich, muss man mindestens 5,80, wenn nicht 5,85 anbieten, um auf dem Podium zu landen.

kicker: Sie haben im Februar die Parole ausgegeben: 'Nach WM-Silber in Peking will ich in London wieder ganz oben stehen.' Halten Sie das noch für realistisch, oder müssen Sie Ihre Vorgabe korrigieren?

Holzdeppe: Ich halte es für schwer, in dem Sinne, dass eine WM nie einfach ist. Aber auch wenn die bisherigen Wettkampfergebnisse nicht unbedingt für mich sprechen, halte ich es nicht für unrealistisch. Ich weiß, ich kann die Höhen springen, und meine Form gibt das her. Dementsprechend möchte ich mich da noch nicht korrigieren. Es ist nach wie vor mein Traum und mein Ziel, den WM-Titel zurückzuerobern.

Hier geht's zum genauen Zeitplan der Leichtathletik-WM in London...

Interview: Sabine Vögele