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"Ludwig, du gewinnst auch mit der Gurke"

Erinnerung des Altmeisters an den Norisring

"Ludwig, du gewinnst auch mit der Gurke"

Erfolgsduo: Le-Mans- und Norisringsieger Klaus Ludwig mit seinem Sohn Luca.

Erfolgsduo: Le-Mans- und Norisringsieger Klaus Ludwig mit seinem Sohn Luca. imago

kicker: Aus welcher Entfernung, Herr Ludwig, verfolgen Sie heute die DTM?

Klaus Ludwig: Ganz tief drinnen, aber nicht dabei. Es interessiert mich nach wie vor, aber ich verstehe nicht immer alles. Gerade die ersten beiden Rennwochenenden dieses Jahr waren für mich sehr schwer nachvollziehbar. Ich verfolge die DTM im Fernsehen, und wenn mein Sohn Luca kein Rennen hat, fahre ich auch schon mal hin.

kicker: Striezel Stuck hat vor nicht allzu langer Zeit das Fehlen von Typen bemängelt. Niemand könne die Fahrer auf der Straße erkennen. Wie sehen Sie es?

Ludwig: Hm, hm, jeeein. Also, ich kenne auch viele Fußballer von heute nicht auf der Straße. Zu unserer Zeit gab es halt auch viel weniger Fahrer als heute, den Stuck, den Ludwig, den Mass, Stommelen nicht zu vergessen oder Winkelhock. Der Kreis war kleiner, und weil wir sehr lange sehr viele Rennen gefahren sind, waren wir vielleicht bekannter. Die DTM heute hat absolut ihre wiedererkennbaren Typen, es ist einfach eine andere Geschichte.

kicker: Manche bemängeln, dass es die prominenten deutschen Namen nicht gibt. Warum sind die Söhne Stuck, Winkelhock, Asch und auch der Ludwig-Sprössling Luca nicht in der DTM?

Ludwig: Das steht nicht in meinem Ermessen. Wir haben mit Toto Wolff (dem Mercedes-Sportverantwortlichen, die Red.) gesprochen, und wir hatten dieses Jahr im Januar einen Mini-Test mit gebremstem Schaum, bei dem Luca eine gute Figur abgegeben hat. Nur, uns läuft langsam die Zeit weg. Als Luca 2009 sein erstes GT-Masters-Rennen fuhr und direkt auch gewann, habe ich gesagt: Ein halbes Jahr noch, dann fährt er DTM. Nur damals waren (bei Mercedes, die Red.) noch andere Kräfte am Werk, und die haben uns dann nicht protegiert und nicht unterstützt. Aber heute ist es fast zu spät, er ist 27. Andererseits ist der Luca immer ein Spätstarter gewesen, der, glaube ich, jetzt erst richtig stark geworden ist. Gerade jetzt zeigt er, dass er im Team mit Sebastian Asch der Dominierende ist. Er macht einen riesigen Job, und es tut mir in der Seele weh, dass er nicht dort fährt, wo er eigentlich hingehört. Nur: Ich kann es nicht ändern.

kicker: Was macht den Übergang so schwer?

"Luca hat geliefert, Siege und Titel"

Ludwig: Ich weiß es nicht. Toto Wolff hat uns versprochen, dass wir dieses Jahr noch einen Test bekommen. Da bin ich gespannt. Der Speed ist da, ganz sicher. Aber es ist halt auch schwer, über den eigenen Sohn zu reden. Er hat geliefert, Siege und Titel. Die Jungs selber reden nicht viel drüber. Aber ich muss drüber reden, ich muss sein Fürsprecher sein.

kicker: Sie haben schon angedeutet, dass Sie nicht alles in der aktuellen DTM verstehen beziehungsweise gutheißen. Wie denken Sie über die Performance-Gewichte?

"Das versteht keiner - oder höchstens die, die es wissen . . ."

Ludwig: Zunächst war ich entsetzt, dass man BMW auf Antrag des Herstellers einen breiteren Flügel gibt und weniger Gewicht einräumt. Das! Geht! Gar! Nicht! Man hätte andere Möglichkeiten finden müssen. Jetzt haben wir die Quittung, und ich jedenfalls verstehe es nicht. In Hockenheim am Samstag dachte ich: O, Mortara, jetzt gewinnt Audi jedes Rennen. Ein Tag später war es Di Resta, dass ich dachte, Mercedes wird jedes Rennen gewinnen. Und dann in Spielberg sind die nirgendwo, einfach wirklich nirgendwo, Letzter! Das versteht keiner - oder höchstens die, die es wissen . . .

kicker: Wer unter den Fahrern beeindruckt Sie am stärksten?

Norisring: 2x2 Goldtickets zu gewinnen

Ludwig: Mortara ist schon stark, das muss ich sagen. Er macht einen ganz großartigen Job. Ekström ist gigantisch, hat aber die letzten zehn Jahre auch nichts gewonnen in Form von Meisterschaften. Timo Glock, dem man das bis vor Kurzem noch nicht zugetraut hat, ist jetzt offenbar angekommen in der DTM. Ich aber bin kein Fan von einem bestimmten Fahrer.

kicker: Rund 40 Jahre nach dem Beginn Ihrer Karriere - wo stand der Motorsport in Deutschland damals, wo steht er heute?

"Da war die DTM genauso großartig, wir hatten nur viel mehr Zuschauer"

Ludwig: Es reicht ja, bis in die Mitte der 90er zurückzugehen. Da war die DTM genauso großartig, wir hatten nur viel mehr Zuschauer. Ich erinnere mich an Bilder in Hockenheim, da hatten wir wirklich volles Haus, ob nun 60.000 oder 65.000 da reingehen. Beim Saisonstart vor ein paar Wochen waren es vielleicht 25.000, von mir aus auch 30.000, aber halt bei weitem nicht so wie damals.

kicker: Sind die deutschen Zuschauer müde geworden durch die Erfolge der letzten Jahrzehnte?

Irgendwas wird falsch gemacht, irgendwas ist anscheinend nicht spannend genug.

Klaus Ludwig

Ludwig: Vom Fußball sind sie doch auch nicht müde geworden, die Stadien sind voller als voll. Irgendwas wird falsch gemacht, irgendwas ist anscheinend nicht spannend genug. Ich weiß es nicht. Und wenn ich es wüsste, würde ich es nicht sagen, sondern verkaufen.

kicker: Welche Geschichte fällt Ihnen als erste ein, wenn Sie an den Norisring denken, wo die DTM ab nächsten Freitag gastiert?

Neben Bernd Schneider ist Klaus Ludwig der erfolgreichste Fahrer in der Geschichte von Deutschlands größter Tourenwagenserie.

Neben Bernd Schneider ist Klaus Ludwig der erfolgreichste Fahrer in der Geschichte von Deutschlands größter Tourenwagenserie. picture alliance

Ludwig: An die von 1985. Ich war eigentlich in Amerika unterwegs und hatte keine Starts in Deutschland geplant. Dann kam ein großes Sommerloch, und ich dachte: Du musst den Norisring fahren. Da habe ich bei Erwin Kremer angerufen, der mir sagte: "Ich habe kein Auto für dich, höchstens das von einem Kunden." Das war eine echte Gurke und der älteste 956, der überhaupt existierte. "Egal", sagte ich zu mir, "du bist so gut, Ludwig, du gewinnst auch mit der Gurke." Irgendwie bekam ich über befreundete Sponsoren 50.000 Mark zusammen, gab die dem Typen für sein Auto und hab damit am Sonntag gewonnen. Alle, die in den Werksautos saßen, haben in die Röhre geguckt. Für mich war das eines der geilsten Erlebnisse. Da waren zehn oder zwölf Werksfahrer am Start: Manfred Winkelhock fuhr den Werks-Kremer, Stefan Bellof den Werks-Brun.

kicker: Sie sind 66 und bestreiten keine Rennen mehr. Wo finden Sie heute den Fahrspaß?

"Bevor du dir noch die Knochen brichst, lässt du es lieber sein"

Ludwig: Ich hab ja erst mit 50 aufgehört, aber wer, außer Bernd Schneider vielleicht, fährt mit über 50 noch Rennen? Ich fahre immer noch sehr gerne Auto, in der Eifel, wenn die Straßen frei sind, wo man noch so ein bisschen schön fahren kann - im Cabrio, aber nicht mehr auf der Rennstrecke. Damit war endgültig Schluss, als ich vor drei Jahren am Nürburgring einen blöden Unfall hatte, unverschuldet. "Bevor du dir noch die Knochen brichst, lässt du es lieber sein", habe ich mir danach gesagt. Und es war eigentlich viel zu spät. Mit 63 noch in einen Prototypen zu steigen, war 'ne tolle Nummer - ist aber leider schiefgegangen.

kicker: Gesund aus allem rauszukommen, ist auch ein Geschenk, nicht wahr?

Ludwig: Ganz ehrlich - ich habe mich, darauf bin ich ein bisschen stolz, immer für Sicherheit eingesetzt, habe immer mit den Rennleitern und den Veranstaltern gesprochen. Aber ist schon wahr: Wenn das vor 25 Jahren passiert wäre, wäre ich nicht gesund rausgekommen.

Interview: Stefan Bomhard