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Play-offs? "Dann würde Fußball-Deutschland beben"

"kicker.tv - Der Talk" - Folge 19

Play-offs? "Dann würde Fußball-Deutschland beben"

Expertenrunde: Thomas Hiete, Uli Köhler, Oliver Kreuzer, Wolfgang Holzhäuser und Moderator Marco Hagemann (v.li.).

Expertenrunde: Thomas Hiete, Uli Köhler, Oliver Kreuzer, Wolfgang Holzhäuser und Moderator Marco Hagemann (v.li.). kicker

2001/02 und 2008/09 war es die letzten Male der Fall, dass noch drei Mannschaften am letzten Spieltag die Meisterschale im Blick hatten. 2002 setzte sich Borussia Dortmund gegen Bayer Leverkusen und den FC Bayern durch, 2009 hatte Wolfsburg die Nase vor dem FC Bayern und dem VfB Stuttgart vorne. Seitdem wurde das Titelrennen stets zuvor entschieden, neunmal ging die Schale dabei nach München - zuletzt viermal in Folge. "Dieser Trend sollte uns zu denken geben", warnte Wolfgang Holzhäuser, der ehemalige Liga-Präsident, und erklärte: "Entscheidend ist, dass die Bundesliga ausgeglichener wird."

Für Holzhäuser ist eine Sache ganz klar: "Die Bundesliga ist ein Kartell, und das funktioniert nur, wenn es gesteuert wird. Es kann nicht sein, dass der Wahnsinn mit den Ablösesummen und den Gehältern so weitergetrieben wird." Holzhäuser möchte vor allem "den mittleren und unteren Bereich" der Bundesliga stärken und schreckt dabei nicht davor zurück, frische und radikale Ideen in Betracht zu ziehen: Salary Cap, eine Reform der Verteilung der Fernsehgelder, Play-offs und sogar ein auf europäischer Ebene abgestimmtes Draft-System - über all das sollte nachgedacht werden. "Man muss sich ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen."

Der vielleicht gravierendste Vorschlag wäre wohl ein Freistellungsantrag bei der EU-Kommission, der einen Salary Cap samt Draft-System nach US-amerikanischem Vorbild in Europa möglich machen würde. Laut Holzhäuser wäre die EU-Kommission auch bereit, auf den "Sport Einfluss zu nehmen". Ernsthafte Überlegungen dazu gab es bislang zwar nicht, aber man sollte "Mut haben, das durchzudenken".

Zwei Wochen Halbfinale und Finale wären sehr interessant, dann würde Fußball-Deutschland beben.

Wolfgang Holzhäuser

Das sieht Oliver Kreuzer (Ex-Bayern-Profi und zuletzt Manager beim TSV 1860 München) eher kritisch: "Das ist unrealistisch. Das würde Jahre dauern, bis man das juristisch hinbekommt." kicker-Redakteur Thomas Hiete wies zudem auf die Problematik der freien Arbeitsplatzwahl hin. Im Falle eines Draft-Systems könnte sich ein Spieler seinen jeweiligen Klub nämlich nicht einfach so aussuchen. Mit dem derzeitigen Arbeitsrecht wäre das nicht vereinbar.

Unbestritten dürfte sein, dass das US-Modell im Grunde funktioniert. "Ich finde amerikanische Sportarten gut, Spannung ist da", fasste Sky-Moderator Uli Köhler die Vorteile kurz zusammen und zeigte sich nicht verschlossen: "Ich kann es mir schon vorstellen."

Modelle, die sich am US-System orientieren, wären aber nur auf europäischer Ebene machbar, und das nicht allein wegen des juristischen Aspekts. Die europäische Lösung wäre notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga im Vergleich zu den anderen europäischen Ligen beizubehalten.

Play-offs: Abschwächung der Liga oder echter Mehrwert?

Waren nicht immer einer Meinung: Oliver Kreuzer und Wolfgang Holzhäuser (re.).

Waren nicht immer einer Meinung: Oliver Kreuzer und Wolfgang Holzhäuser (re.). kicker

Ausscheidungsspiele wären ein anderer Ansatz, um die Liga wieder spannender zu machen. So könnte sich Holzhäuser durchaus vorstellen, dass der Meister durch die ersten vier Mannschaften in Play-offs ermittelt wird. "Zwei Wochen Halbfinale und Finale wären sehr interessant, dann würde Fußball-Deutschland beben", so Holzhäuser, der sich von einem derartigen Modell auch mehr Geld aus der Vermarktung verspricht. Und dieses könnte man dann nutzen, "um es in vernünftige Projekte zu investieren". Mit Verweis auf die Tatsache, dass man es in den letzten zehn Jahren geschafft hat, die Anzahl der Länderspiele fast zu verdoppeln, wies Holzhäuser etwaige Einwände über einen zu engen Spielplan direkt weit weg ("Das ließe sich lösen").

Gegenwind für diesen Vorschlag gab es von Hiete, der hervorhob, dass "eine Play-off-Runde den Liga-Betrieb deutlich abschwächen" würde und auch die Meisterschaft durch etwaige Sondereffekte verfälscht werden könnte: "Es kann nicht sein, dass eine kurzfristige Verletzungsproblematik oder eine ungünstige Schiedsrichterentscheidung über eine Saison entscheidet."

Kreuzer outete sich als "strikter Gegner von Play-offs", die für ihn nur der Versuch wären, "eine künstliche Spannung zu erzeugen". Für Köhler wären Play-offs indes "generell eine gute Idee, auch wenn am Ende die Bayern wahrscheinlich wieder gewinnen würden, weil sie die beste Mannschaft haben. Play-offs sind nicht unfair, man muss nur umdenken."

Kreuzer und Köhler sehen ein Einstellungsproblem

Damit war man beim Stein des Anstoßes: der drückenden Überlegenheit des FC Bayern. Für Köhler hängt diese aber nicht allein mit den Rahmenbedingungen oder der finanziellen Kraft zusammen, er sieht auch ein Einstellungsproblem bei den Gegnern. "Die Dominanz wird von den anderen unterwürfig angenommen. Das hat man in der vergangenen Saison gesehen, als Trainer nicht ihre besten Spieler in München haben auflaufen lassen." Das wäre in England so nicht der Fall: "Wenn Hull City bei ManUnited antritt, dann wollen die gewinnen - und das ist in jedem Spiel so. Der Fußball ist in England vielleicht nicht so ausgefeilt, aber sie wollen immer gewinnen." Ähnlich schätzt Kreuzer die Entwicklung ein: "Es geht darum, dass die Ehrfurcht vor dem FC Bayern abgelegt wird. Zu meiner Zeit war das so. Da war es für die anderen Mannschaften das Spiel des Jahres - und alle wollten uns ein Bein stellen."

Einigkeit bei 50+1-Regel

Große Einigkeit herrschte beim Thema 50+1-Regel. Keiner der Experten wollte diese abschaffen, allerdings herrscht auch da Reformbedarf. So forderte Kreuzer, diese "etwas zu lockern, weil es Investoren und Investoren gibt" - die, die den Fußball nur als Anlage sehen und die, die es ernst meinen. Letzteren sollte man den Zugang erleichtern. Holzhäuser verwies in diesem Zusammenhang auf den FC Chelsea, wo "in den vergangenen Jahren einiges richtig gemacht" wurde.

drm