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Ein Denkmal wankt: Karabatic vor dem Ermittlungsrichter

Manipulationsskandal in Frankreich erschüttert Handball-Welt

Ein Denkmal wankt: Karabatic vor dem Ermittlungsrichter

Eine Legende bröckelt: Nikola Karabatic, Frankreichs Sportler des Jahres 2011, auf dem Weg ins Polizeirevier.

Eine Legende bröckelt: Nikola Karabatic, Frankreichs Sportler des Jahres 2011, auf dem Weg ins Polizeirevier. Getty Images

"Die Spieler haben zwar gewettet, aber nicht betrogen", sagte Karabatic-Verteidiger Eric Dupond-Moretti dem französischen Sender "Radio RTL". "Sie haben gewettet, das ist ein sportlicher Regelverstoß, aber keine Straftat. Damit die Justiz intervenieren kann, bedarf es eines manipulierten Spiels, ansonsten kann sie nicht eingreifen", meinte Dupond-Moretti: "Es ist Sache der Staatsanwaltschaft, zu beweisen, dass das Spiel manipuliert wurde. Die Spieler bestreiten auf das heftigste, das Spiel verschoben zu haben. Sie sind keine Betrüger, das Match ist nicht manipuliert worden."

Das sieht die Staatsanwaltschaft, die am Montag auf einer Pressekonferenz einen Einblick zum Stand der Ermittlungen gab, anders: "Es gab enge Verbindungen zwischen den Spielern und den Wettenden, es gibt viele legitime Fragen", sagte Staatsanwalt Brice Robin. Zum Beispiel: "Kann man ein Spiel normal spielen, wenn man persönlich beteiligt ist und auf eine Niederlage seines Vereins setzt?"

Am Sonntagabend war die Polizei direkt nach Montpelliers 24:32-Niederlage bei Paris St.-Germain in der Kabine des amtierenden französischen Meisters vorstellig geworden, hatte Karabatic, seinen Bruder Luka sowie drei weitere Spieler in Gewahrsam genommen und mit heulenden Sirenen zum Verhör in den Pariser Vorort Nanterre gebracht. In Paris und Montpellier seien am Sonntag außerdem zehn weitere Personen, darunter Spielerfrauen verhört worden, berichteten Medien unter Berufung auf die zuständigen Behörden. Neben den Karabatic-Brüdern handelt es sich bei den Spielern unter anderem um den Slowenen Vid Kavticnik sowie um zwei PSG-Handballer, die vergangene Saison in Montpellier unter Vertrag standen. Das triftt nur auf den französischen Nationalspieler Samuel Honrubia und den serbischen Auswahlakteur Mladen Bojinovic zu.

Das Vierzigfache von dem, was sonst mit einer Handballwette umgesetzt wird

Den Spielern wird vorgeworfen, am 12. Mai im Auswärtsspiel beim abstiegsgefährdeten Klub Cesson Rennes, das der zu diesem Zeitpunkt schon sichere Meister Montpellier sensationell mit 28:31 verlor, mit Wetten auf einen Halbzeitrückstand viel Geld kassiert zu haben. Statt eines durchschnittlichen Einsatzes von 5000 Euro sollen 87.880 Euro auf das Spiel gesetzt und damit Gewinne von 252.880 Euro gemacht worden sein. Dies sei der Staatsanwaltschaft zufolge das Vierzigfache von dem, was sonst mit einer Handballwette umgesetzt würde.

Als ich die Fakten in der Hand hatte, konnte ich es nicht glauben.

Staatsanwalt Brice Robin

Die Wetteinsätze sollen über die Ehefrauen beziehungsweise Freundinnen der Spieler in drei Wettbüros in Paris, Rennes und Montpellier getätigt worden sein. Karabatic, im vergangenen Jahr Frankreichs Sportler des Jahres, hatte wie sein mitbeschuldigter früherer Teamkollege Honrubia bei besagtem Spiel verletzungsbedingt gefehlt. "Als ich die Fakten in der Hand hatte, konnte ich es nicht glauben", erklärte Staatsanwalt Robin am Montagnachmittag: "Ich weigerte mich zu glauben, dass so talentierte Spieler in der Lage sind, derartige Fehler zu begehen." Am Dienstag wurden Karabatic und vier weitere Spieler in Montpellier dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Karabatic fuhr gegen 12 Uhr gemeinsam mit seinem Bruder Luka im Auto vor. Eine Stunde zuvor waren bereits Bojinovic und Honrubia von der Justiz empfangen worden. Nach den Verhören wird über die mögliche Einleitung eines Strafverfahrens wegen Korruption entschieden. Im schlimmsten Fall droht der Handball-Ikone Karabatic ein Haftbefehl.

Montpelliers Präsident fordert "exemplarische Strafen"

Selbst die Unterstützung ihrer eigenen Klubs scheinen die Verdächtigen inzwischen zu verlieren. MAHB-Präsident Rémy Lévy forderte auf einer Pressekonferenz am Montag "exemplarische Strafen", falls sich der Verdacht als begründet herausstellen sollte und kündigte selbst "entsprechende Sanktionen an": "Wir werden uns nicht hinter dem langsamen Verfahren verstecken um Verantwortung zu übernehmen. Ein Fehlverhalten kann zur Auflösung des Vertrages führen", meinte Lévy, der gleichzeitig aber betonte, dass er die "Unschuldsvermutung respektiere".

Seit einigen Tagen graut mir vor jeder neuen Stunde. Ich fürchte mich auch vor den kommenden Stunden, vor morgen, übermorgen und den dann folgenden Tagen.

Patrice Canayer, Trainer Montpellier HB

Montpelliers Trainer Patrice Canayer hatte sich konsterniert gezeigt: "Die kommenden Wochen drohen schwierig für uns zu werden", erklärte Canayer: "Seit einigen Tagen graut mir vor jeder neuen Stunde. Ich fürchte mich auch vor den kommenden Stunden, vor morgen, übermorgen und den dann folgenden Tagen." Verbandspräsident Joel Deplanque ergänzte: "Das ist eine harte Probe für die Spieler, den Verein und den gesamten Handball. Es ist eine sehr ernste Angelegenheit, wir müssen sehr schnell die Wahrheit herausfinden."

Auch die deutsche Handball-Szene ist ob der Meldungen aus Frankreich schockiert. "Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass solche hochkarätigen Profis so etwas machen. Aber die Sache muss man natürlich klären", sagte der frühere Welthandballer Daniel Stephan dem SID. Christian Schwarzer, Weltmeister von 2007, ergänzte: "Im Moment sind es ja nur Gerüchte, aber wenn ein Spieler wie Nikola Karabatic involviert sein sollte, wäre das schon arg bedenklich."

Karabatic drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis

Sollten sich die Vorwürfe gegen die Spieler erhärten, drohen Karabatic und Co. wegen "sportlichen Betrugs und Korruption" bis zu fünf Jahre Gefängnis und 75.000 Euro Geldstrafe. Handelt es sich "nur" um Fehlverhalten im Sport, könnten die Beschuldigten mit sechs Spielen Sperre und einer Geldstrafe von 15.000 Euro davonkommen.

Der 28-jährige Karabatic, einer der höchstdekorierten Handballer aller Zeiten und mit Frankreich je zweimal Olympiasieger und Weltmeister, hat bisher noch keine persönliche Stellungnahme abgegeben. Warum er durch Wetten mit für ihn lächerlichen Beträgen seine schillernde Karriere aufs Spiel setzen sollte, bleibt rätselhaft. Dazu der französische Ex-Nationaltrainer Daniel Constantini: "Alle sagen, Karabatic sei intelligent. Wenn sich alles bestätigen sollte, hat er sich wie ein Idiot benommen und seine Karriere für 10.000 Euro aufs Spiel gesetzt."