Nationalelf

Neuer: "Man weiß nicht, wie es weitergeht"

Interview mit dem Nationalkeeper

Neuer: "Man weiß nicht, wie es weitergeht"

Reichlich enttäuscht über das EM-Aus: Nationalkeeper Manuel Neuer.

Reichlich enttäuscht über das EM-Aus: Nationalkeeper Manuel Neuer. Getty Images

Aus Marseille berichtet kicker-Chefreporter Karlheinz Wild

kicker: Herr Neuer, wie bewerten Sie das Halbfinale gegen Frankreich?

Manuel Neuer: Wir haben es ordentlich gemacht und viele Spielanteile gehabt, dazu die eine oder andere Tormöglichkeit. Vor dem Tor hatten wir ein bisschen Pech. Ich will nicht sagen, dass es Unvermögen war.

kicker: Was war es?

Neuer: Es war einfach unglücklich, außerdem haben die Franzosen immer wieder gestört beim Abschluss. Ich glaube, wir hätten es verdient, ein Tor zu erzielen, um dann die Chance zu haben, eventuell in die Verlängerung zu gehen.

kicker: Wie empfanden Sie den Elfmeter, der zum 0:1 führte?

Neuer: Dieser Elfmeter war ganz bitter, weil wir mit dem 0:1 in die Halbzeit gingen. Trotzdem war da noch nichts passiert, wir hatten die Möglichkeit, in der zweiten Halbzeit zurückzukommen. Und wir sind eine Mannschaft, die normalerweise immer ein Tor erzielen kann. Die Gelegenheiten waren da.

kicker: War der Elfmeter das große Thema in der Pause?

Neuer: Wir haben nicht groß darüber gesprochen.

kicker: Wie empfanden Sie diese Situation?

Neuer: Ich hatte sie relativ gut im Blick. Es ist klar, dass der Ball die Hand berührt und Richtung Tor geköpft wird. Da ist es legitim für den Schiedsrichter, Elfmeter zu pfeifen. Aus meiner Torwartperspektive weiß ich allerdings, dass ich den Ball gehalten hätte. Es ist ein schmaler Grat, aber okay, wenn der Schiedsrichter Elfmeter gibt.

Aus meiner Torwartperspektive weiß ich allerdings, dass ich den Ball gehalten hätte. Es ist ein schmaler Grat, aber okay, wenn der Schiedsrichter Elfmeter gibt.

Manuel Neuer über den Handelfmeter

kicker: War der Elfmeter die Schlüsselszene?

Neuer: Man kann diese Situation nicht verantwortlich für die Niederlage machen. Natürlich liegt man dann 0:1 zurück, es ist in der zweiten Nachspielminute der ersten Halbzeit passiert. Eine deutsche Nationalmannschaft hat generell immer die Möglichkeit zurückzukommen - und so sind wir aufgetreten. Aber es fehlte auch das Glück.

kicker: Was bleibt für die deutsche Mannschaft von diesem Turnier?

Neuer: Wenn man etwas Positives herausziehen kann, ist es, dass wir nicht mit einem schlechten Spiel nach Hause fahren. Wenn man dieses Halbfinale mit dem Halbfinale in Warschau 2012 und der damaligen 1:2-Niederlage gegen Italien vergleicht, dann scheide ich lieber aus wie hier gegen Frankreich. Wir waren mindestens gleich gut, haben uns weiter entwickelt und besser präsentiert als bei der EM 2012. Viele Fußballfreunde, nicht nur deutsche, hätten uns gerne im Finale in Paris gesehen.

kicker: Gibt es Punkte, von denen Sie sagen, daran muss die deutsche Mannschaft besonders arbeiten?

Neuer: Wir haben uns die Tormöglichkeiten herausgespielt, diese Chancen bei dieser Europameisterschaft aber das eine oder andere Mal nicht über die Linie gedrückt. Das hat bei dieser EM ein bisschen gefehlt in manchem Spiel. Ansonsten stimmten die Einstellung und die Bereitschaft, guten Fußball spielen zu wollen und dominant aufzutreten. Selbst in einem Halbfinale beim Gastgeber sind wir mit breiter Brust und sehr gut aufgetreten; hätten wir uns in einem Heimspiel so präsentiert wie Frankreich, hätte unser Stadion gepfiffen.

Hätten wir uns in einem Heimspiel so präsentiert wie Frankreich, hätte unser Stadion gepfiffen.

Manuel Neuer

kicker: Der Substanzverlust im deutschen Team gegen Ende des Spiels schien enorm. Lag es letztlich entscheidend an den Ausfällen, dass das Endspiel nicht erreicht wurde?

Neuer: Da muss man auch den Spielstand berücksichtigen. Wir mussten umstellen und ein paar Einwechslungen vornehmen, rannten schlussendlich noch dem 0:2 hinterher, und dann wird alles mit der Brechstange versucht. Aber da wurde aus meiner Sicht fast jeder Ball noch gefährlich für die Franzosen. Es ist natürlich von Vorteil, wenn man auf alle Spieler zurückgreifen kann. Diesen Vorteil hatte Frankreich auf seiner Seite.

kicker: Sahen Sie beim zweiten Tor nicht, dass Benedikt Höwedes zum Kopfball bereit war?

Neuer: Ich meine, Frankreichs Mittelstürmer Giroud wäre an den Ball gekommen. Aber in dieser Situation kannst du nicht überlegen. Außerdem hätten wir die Situation vorher klären müssen. Der Ball war ja in unserem Besitz gewesen.

Manuel Neuer im Duell mit Giroud und Griezmann.

Die Sekunden vor dem 0:2: Manuel Neuer im Duell mit Giroud und Griezmann. Getty Images

kicker: Haben die jungen Spieler die Hoffnungen erfüllt?

Neuer: Einige haben nicht gespielt, sich aber im Training sehr gut gezeigt. Diejenigen, die gespielt haben, machten es sehr gut. Man kann sich auf die Zukunft freuen. Da werden die jungen Spieler schon versuchen, Verantwortung zu übernehmen. Man weiß ja nicht, wie es mit der Nationalmannschaft grundsätzlich weitergeht. Ich denke, dass wir eine sehr gute Mischung in der Mannschaft haben und es positiv ist, wie sich die jungen Spieler eingebracht haben. Insgesamt haben alle deutschen Spieler ein gutes Turnier gespielt.

kicker: Erwarten Sie personelle Veränderungen nach dem Turnier? Wissen Sie mehr?

Neuer: Das war nach der Weltmeisterschaft auch der Fall. Da müssen wir abwarten.

kicker: Mats Hummels sagte, Sie spielen bis 55.

Neuer: Okay, ja, ich hoffe es.