Bei der WM in Spanien wurden die letzten Gruppenspiele nicht parallel ausgetragen. Algerien hatte zum Abschluss gegen Chile mit 3:2 gewonnen. Damit war klar: Deutschland, das zum Auftakt sensationell mit 1:2 gegen die Nordafrikaner verloren hatte, musste gegen Österreich unbedingt gewinnen, das sich wiederum eine Niederlage mit höchstens zwei Toren Differenz leisten konnte.
WM-Vorrunde 1982, 3. Spieltag
Zu Beginn sah es tatsächlich so aus, als ob beide Mannschaften dieser Ausgangslage keine Beachtung schenkten. Die DFB-Elf ergriff früh die Initiative, doch die Österreicher hielten zunächst gut dagegen. Schon in der elften Minute gelang Horst Hrubesch nach Flanke von Pierre Littbarski die Führung und das überlegene deutsche Team hatte weitere Chancen. Doch nach etwa 20 Minuten erlahmte der Angriffswirbel und die Österreicher machten ihrerseits keine Anstalten, den größeren Freiraum offensiv zu nutzen. Plötzlich schien niemand mehr ernsthaft Fußball spielen zu wollen. Es begann ein endloses Ballgeschiebe mit seltenen Zweikämpfen, Ballverluste kamen vor allem durch Fehlpässe zustande.
Eine gegenseitige Absprache habe es nie gegeben, sagen bis heute fast alle Beteiligte. Viele österreichische Nationalspieler hatten lange in der Bundesliga gespielt bzw. standen, wie zum Beispiel Reinhold Hintermaier (1. FC Nürnberg) selbst, noch bei deutschen Klubs unter Vertrag. "Das hat sich irgendwie verselbständigt - alle haben nur noch daran gedacht, dass man weiterkommen wollte", erzählt der Österreicher Hintermaier 35 Jahre später. Untereinander habe man aber sehr wohl gesagt: "Lasst uns das nach Hause schaukeln."
Zuschauer sauer - FIFA zog Konsequenz aus dem Spiel
Auf den Tribünen schwenkten die spanischen Zuschauer massenweise weiße Tücher - das Zeichen für eine inakzeptable Leistung der Spieler - andere Fans, die viel Geld für Anreise und Ticket bezahlt hatten, pfiffen lautstark, einige algerische Anhänger witterten Absprache und Betrug zu Lasten der eigenen Mannschaft. Im deutschen Fernsehen mochte Kommentator Eberhard Stanjek nach der Halbzeitpause am liebsten gar nicht mehr weiterreden und in Österreichs TV empfahl Robert Seeger den Zuschauern gar: "Abschalten!"
Bestechung? Algerien-Fans empören sich auf den Rängen imago/Sportfoto Rudel
Nur die Spieler waren sich nach dem Abpfiff erstmal keiner Schuld bewusst: "Hätten wir 4:4 gespielt und wären ausgeschieden, hätten die Algerier Beifall geklatscht", sagte Hansi Müller und Paul Breitner verstieg sich zur Meinung: "Das Publikum ist dumm, wenn es nicht begreift, dass es hier nur ums Weiterkommen ging." Auch Hintermaier warb um Verständnis: "Wir sind froh Gruppenzweiter geworden zu sein. Mit etwas Glück kommen wir ins Halbfinale. Das hat Österreich seit 1954 nicht mehr geschafft. Da muss doch eine schwache Partie vergessen werden können."
Doch dieses Skandalspiel wurde nicht vergessen - es steht bis heute für einen Tiefpunkt in der Fußballgeschichte beider Länder. Die FIFA zog zumindest eine Konsequenz: Seither finden die letzten Gruppenspiele immer zeitgleich statt.
Dieser Text erschien erstmals zum 35-jährigen Jubiläum der "Schande von Gijon" am 25. Juni 2017