WM

Heiß, heißer, Belgien

"Rote Teufel" setzen unter Marc Wilmots zum Höhenflug an

Heiß, heißer, Belgien

Derzeit kaum zu stoppen: Das belgische Team will wieder an alte Zeiten anknüpfen.

Derzeit kaum zu stoppen: Das belgische Team will wieder an alte Zeiten anknüpfen. Getty Images

Der Hype ist groß, mit seinem erfrischenden Offensivfußball hat das Nationalteam längst das ganze Land angesteckt. Über 3000 Fans verabschiedeten das Team am Mittwoch auf dem Brüsseler Flughafen vor dem Abflug nach Zagreb. Dort reicht ein Remis zum WM-Ticket. Und selbst, wenn die "Roten Teufel" bei Verfolger Kroatien die erste Niederlage der laufenden Quali-Runde kassieren sollten, könnten sie den Trip zum Zuckerhut im abschließenden Heimspiel gegen Wales noch aus eigener Kraft buchen.

Der Aufenthalt in Zagreb begann kurios: Der Busfahrer, der das Team zum Hotel fahren sollte, verursachte auf dem Weg zum Flughafen mit dem Mannschaftsbus in betrunkenem Zustand einen Unfall und flüchtete. Die Polizei nahm den Busfahrer vorläufig in Gewahrsam. Ersatz war nach einer Viertelstunde gefunden: Der Fahrer des Busses für die Journalisten wurde an das Lenkrad des Spielerbusses gesetzt. Die Pressevertreter mussten noch eine Stunde auf einen neuen Chauffeur warten.

WM-Qualifikation Europa - 10. Spieltag
mehr Infos
WM-Qualifikation Europa - Tabelle - Gruppe A
Pl. Verein Punkte
1
Belgien Belgien
25
2
Kroatien Kroatien
17
3
Serbien Serbien
11
Trainersteckbrief Wilmots
Wilmots

Wilmots Marc

Belgien - Vereinsdaten
Belgien

Gründungsdatum

01.01.1895

mehr Infos

Von dieser Randbegebenheit wollten sich die Belgier, bei denen mit Koen Casteels (Hoffenheim), Daniel van Buyten (Bayern München), Sebastien Pocognoli (Hannover) und dem Ex-Nürnberger Timmy Simons (FC Brügge) vier Bundesliga-erfahrene Profis im Kader stehen, auf dem Weg nach Brasilien nicht aufhalten lassen. Auch in Zagreb setzte Trainer Wilmots auf geballte Offensivpower: "Wir werden auch in Kroatien auf Sieg spielen." Nach Jahren der Tristesse hat sich Belgien eindrucksvoll zurückgemeldet, mit mehr als einem Dutzend junger und dynamischer Spieler. Wilmots: "Wir spüren den Respekt in Europa und der ganzen Welt."

Die Premier League staunt über die Belgier

Vor allem in England betrachtet man das belgische Team mit Staunen und Bewunderung. In den Zeitungen wird gerätselt, wie es der kleinen Nation bloß gelingen konnte, so viele erstklassige Profis hervorzubringen. Gleich 13 Belgier stehen in der Premier League unter Vertrag, die meisten von ihnen erfüllen gehobene Ansprüche. Der "Independent" hielt unlängst fest, dass "die sieben besten Teams der Premier League mindestens einen Schlüsselspieler aus Belgien haben".

Beispiele gefällig? Chelsea hat Regisseur Eden Hazard und den Ex-Bremer Kevin de Bruyne, bei Manchester City ist der momentan an der Leiste verletzte Abwehrchef Vincent Kompany unverzichtbar. Beim FC Liverpool hütet Simon Mignolet das Tor, im Nationalteam hinter dem von Chelsea an Atletico Madrid ausgeliehenen Thibault Courtois nur die Nummer zwei. Um den Posten des zentralen Stürmers streiten sich bei Wilmots Aston Villas Christian Benteke, der in Zagreb allerdings wegen Hüftproblemen ausfällt, und Evertons Chelsea-Leihgabe Romelu Lukaku, der sich in blendender Form befindet. Beide haben schon vier Saisontreffer erzielt.

Belgien ist jetzt das heißeste Versprechen im europäischen Fußball. Die anderen haben Angst vor uns.

Ex-Bayern-Torhüter Jean-Marie Pfaff

Bei Tottenham spielen mit Jan Vertonghen, Mousa Dembélé und Nacer Chadli gleich drei Belgier, Lokalrivale Arsenal setzt auf Thomas Vermaelen. Und auch Manchester United hat mit Marouane Fellaini seit dieser Saison eine belgische Spitzenkraft. Mit dem in Brüssel geborenen Adnan Januzaj (ebenfalls ManUnited) steht der nächste Star schon in den Startlöchern. Der 18-Jährige hat sich allerdings noch nicht entschieden, ob er für Belgien spielen wird.

Parallele zu Deutschland: Die EURO 2000 als Knackpunkt

Wie lässt sich die fast schon unheimliche Erfolgsgeschichte erklären? Ganz ähnlich wie in Deutschland war die EURO 2000 ein Knackpunkt. Die fand in Belgien und den Niederlanden statt und endete für die Belgier mit dem Aus in der Vorrunde. "Danach hat der Verband eine Blaupause herausgegeben, nach der Jugendliche trainiert werden sollten. Das war erfolgreich", erklärt Kristof Terreur, Reporter der größten belgischen Zeitung "Het Laatste Nieuws": "Außerdem konnten wir erstmals aus unserer multikulturellen Gesellschaft Kapital schlagen. Diese Spieler haben uns neue technische Qualitäten gebracht."

Eine große Rolle kommt gewiss auch dem einstigen Schalker "Eurofighter" Wilmots zu, der aus einem zerstrittenen Haufen ein verschworenes Team formte, dem nicht wenige zutrauen, an alte Glanzzeiten anknüpfen zu können. 1980 erreichte Belgien bei der EM in Italien das Finale (1:2 gegen Deutschland). 1986 kam das WM-Aus erst im Halbfinale gegen den späteren Weltmeister Argentinien. Die Wettanbieter sehen es ähnlich: Niedrigere Quoten bei Wetten auf den kommenden Weltmeister gibt es nur bei Brasilien, Deutschland, Argentinien und Spanien. Beim letzten großen Auftritt auf internationaler Bühne bei der WM 2002 scheiterten die Belgier im Achtelfinale mit 0:2 am späteren Weltmeister Brasilien . Dabei wurde den "Roten Teufeln" der reguläre Treffer zum 1:0 aberkannt - der Torschütze: Wilmots.