WM

Elefantastisch?

Die Ivorer gelten als Geheimfavorit

Elefantastisch?

Didier Drogba

Reist als Double-Gewinner mit dem FC Chelsea zur WM nach Südafrika: Didier Drogba. picture-alliance

Seit Montag befindet er sich auf Schnupperkurs. Mit den "Elefanten". 25 Tage vor Beginn der Weltmeisterschaft in Südafrika nahm der schwedische Trainer Sven-Göran Eriksson (62) erstmals die Trainingsarbeit mit dem Team der Elfenbeinküste auf. Nicht in heimatlichen afrikanischen Gefilden, sondern im feinen Schweizer Städtchen Montreux.

Die Mehrzahl seiner neuen Spieler kannte Eriksson, der auch schon als Nationaltrainer in England und Mexiko tätig war, nur von Video und DVD. Und was das Unternehmen der ohnehin so kurzfristigen Zusammenarbeit noch zusätzlich erschwert, ist die Tatsache, dass nicht einmal die Hälfte seines erweiterten WM-Kaders bisher im so malerisch gelegenen Örtchen am Genfer See angekommen ist.

Den zumeist in Europa tätigen Profis von der Elfenbeinküste, die am vergangenen Wochenende bei ihren Klubs noch im Pflichtspieleinsatz waren, wurden ein paar freie Tage nach einer anstrengenden und strapaziösen Saison zugestanden. In Spanien, Frankreich, der Türkei und der Schweiz wurde der letzte Spieltag absolviert. Mit der Mehrzahl der ivorischen WM-Kaderspieler. Und schließlich musste mit Didier Drogba (32) auch noch der charismatische Leader der "Elefanten" dem FC Chelsea im Wembleystadion noch zum Gewinn des FA Cup verhelfen, gleichzeitig das Double der "Blues" perfekt machen.

Elefantastisch, dieser Drogba!

Die kurze Zeit der Vorbereitung ist natürlich ein Handicap.

Sven-Göran Eriksson

Aber unter diesen Voraussetzungen konnte der neue Coach Sven-Göran Eriksson bisher nur mit einem Rumpfkader arbeiten. "Die kurze Zeit der Vorbereitung ist natürlich ein Handicap und macht die Sache nicht leichter", weiß Eriksson, "aber es sind alles erfahrene Profis im Team, die bei den Topklubs in Europa unter Vertrag stehen. Die meisten spielen in der Champions League, die sind es gewohnt, Leistungen auf einem gewissen Niveau abzurufen."

Immerhin konnte er dabei auf die beiden Bundesliga-Profis Guy Demel (HSV) und Arthur Boka (VfB Stuttgart) zurückgreifen. Aber dennoch steht Erikssons lukrativer Job (305 000 Euro pro Monat plus Prämien) unter keinem guten Stern. Der Druck ist enorm. Schließlich war Vorgänger Vahid Halilhodzic extrem erfolgreich. Die Viertelfinal-Niederlage bei der Afrika-Meisterschaft gegen Algerien war die erste nach 24 Spielen. Immerhin erreichten die Ivorer mit einer starken Vorstellung ein viel beachtetes 2:2-Unentschieden in Gelsenkirchen gegen Deutschland, das damals unter dem Eindruck des Enke-Selbstmords stand .

Sven-Göran Eriksson

Seit kurzer Zeit Trainer der Elfenbeinküste: Sven-Göran Eriksson. picture-alliance

Doch der mächtige Verbandspräsident Jacques Anouma kannte keine Gnade mit Halilhodzic. Die Art und Weise der Auftritte seiner sonst so stürmischen "Elefanten" in Angola war inspirationslos und kraftlos, gelähmt von den tragischen Begleitumständen nach dem tödlichen Attentat auf den Mannschaftsbus der Togoer. Nur widerwillig traten Drogba und Co. zu den Spielen in der Enklave Cabinda an. Die Gedanken waren wohl ganz woanders.

Doch in der Heimat kamen diese Auftritte gar nicht gut an. Die sonst so glühenden Anhänger in Abidjan und Umgebung, die normalerweise ihr Gemüt an einem starken Bier der lokalen Marke "Drogba" kühlen, warfen dem Torjäger vor, für die "Elefanten" nicht mit dem gleichen Engagement aufzutreten wie bei Chelsea.

Das soll aber jetzt ganz anders werden. Gilt doch die Elfenbeinküste als spielstärkster aller afrikanischer Vertreter. Und wenn einem Team der große Überraschungs-Coup beim ersten WM-Turnier auf dem Schwarzen Kontinent zugetraut wird - dann den Ivorern.

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Die Schlüsselrolle kommt dabei, wie immer, Didier Drogba zu. Mit dem kraftvollen Torjäger stehen und fallen die Chancen der "Elefanten". Er ist die uneingeschränkte Alpha-Figur der Mannschaft. Mit imponierenden 29 Toren schloss er die Meistersaison in der Premier League ab - so viele Treffer gelangen dem "Spätentwickler", der erst im Alter von 24 Jahren für den Profifußball entdeckt wurde und dann die Fußball-Welt im ICE-Tempo überrollte. Selbst leichte, aber latente Adduktoren-Probleme konnten ihn beim FC Chelsea nicht stoppen. Eine fällige Operation hat er auf einen Zeitpunkt direkt nach der WM verschoben.

Mit Drogba, seinem Einfluss und seiner Dominanz, muss auch Sven-Göran Eriksson leben. Immerhin: Kommunikationsprobleme sprachlicher Natur wirds zwischen Eriksson und Drogba nicht geben. Aber vielleicht gibts die in taktischer Hinsicht. Seit Jahr und Tag spielen die Ivorer in ihrem 4-3-3-System, ganz auf die Vorlieben Drogbas zugeschnitten. Das zudem den Stärken des Kaders vor allem in der Offensive angemessen ist. Salomon Kalou und Gervinho sind Drogbas Angriffskollegen, dahinter lauert mit Keita, Dindane, Doumbia und Sprinter Bakary Koné hochkarätiges Sturmpotenzial auf der Bank.

Elefantastisch, diese Offensive.

Große Stars, aber kein großes Team.

Vahid Halihodzic, Ex-Trainer

Fraglich, ob es Eriksson unter dieser Maßgabe wagen wird, sein bevorzugtes 4-4-2-System zu installieren. Die defensive Doppelsechs wäre zwar mit Yaya Touré und Zokora sehr gut besetzt. Auf den Außenpositionen würden dann aber Leute agieren, die prinzipiell ihren Auftrag nur in der Offensive sehen.

Fraglich, ob das gutgeht in einer WM-Gruppe mit Brasilien, Portugal und Nordkorea. Schon bei der ersten Endrundenteilnahme 2006, landeten die Ivorer in einer so genannten "Todesgruppe", sie flogen gegen Argentinien, die Niederlande und Serbien/Montenegro raus.

"Die Ivorer haben große Spieler, aber kein großes Team", trat Ex-Coach Halilhodzic nach, "einige wollen nicht miteinander spielen." Und Eriksson scheint zu ahnen, was ihn erwartet. "Wenn wir gegen Brasilien nicht als Team auftreten, werden wir nicht gewinnen", glaubt der erfahrene Schwede. Bleiben ihm also noch 22 Tage, um die Gruppendynamik und das Teamwork zu verbessern.

Hardy Hasselbruch