Van Gaals Defensivtaktik geht lange auf
Im Duell zwischen Weltmeister und Vize-Weltmeister setzte Spaniens Nationaltrainer Vicente del Bosque auf sein bewährtes 4-3-3-System: Vor Kapitän und Torwart Casillas bildeten Azpilicueta, Sergio Ramos, Piqué und Jordi Alba die Viererkette. Die ständig rochierende Dreierreihe im Mittelfeld bildeten Busquets, Xabi Alonso und Xavi. Etwas offensiver agierten Silva, Iniesta und Diego Costa. Bondscoach Louis van Gaal brach eine lange Tradition im niederländischen Fußball und setzte statt dem bekannten 4-3-3- auf ein 5-3-2-System. Cillessen stand zwischen den Pfosten, davor verteidigten Janmaat, Vlaar, de Vrij, Martins Indi und Blind in einer Fünferreihe. Im Mittelfeld bildeten de Guzman, Sneijder und de Jong das Bindeglied zwischen Defensive und Offensive. Im Sturm agierten van Persie und Robben als Doppelspitze.
Die "Furia Roja" setzte sofort auf Ballbesitz und ließ das Spielgerät gewohnt sicher in den eigenen Reihen zirkulieren. Durch das niederländländische Spielsystem, mit fünf Verteidigern und drei Mittelfeldspielern davor, konnten die variablen Offensivbewegungen der Iberer jeweils erfolgreich abgefangen werden. Nach der Balleroberung setzte "Oranje" dann auf schnelle Konter. Dabei lösten sich die Außenverteidiger jeweils rasch aus dem Defensivverbund und schalteten sich offensiv mit ein. Die erste Großchance verbuchte die "Elftal": Nach einem Gedankenblitz von Robben setzte er Sneijder mit einem Steilpass in Szene. Frei vor Casillas rette der Torwart mit einem Reflex (7.). Diese Aktion verstanden die Spanier als Warnschuss und suchten nun selbst zielstrebiger den Weg nach vorne: Iniestas Distanzknaller strich nur knapp über den Querbalken (11.).
Xabi Alonso fragwürdig - van Persie traumhaft
Gruppe B - 1. Spieltag
Im weiteren Verlauf nahm der Weltmeister das Heft des Handels wieder in die Hand. Die Niederlande zog sich zurück und verbarrikadierte sich mit bis zu acht Feldspielern in oder um den eigenen Strafraum. Die Räume für das gefürchtete spanische Kurzpassspiel waren so zugestellt, und die Iberer bissen sich an diesem Abwehrbeton die Zähne aus. Ein Zuckerpass von Xavi auf Diego Costa hebelte die massierte "Oranje"-Defensive dann aber kurz aus. Diego Costa wurde im gegnerischen Strafraum von de Vrij angelaufen, stieg dem Verteidiger auf den Fuß und rutschte aus. Schiedsrichter Nicola Rizzoli aus Italien zeigte auf den Punkt und gab diesen äußerst fraglichen Strafstoß (26.). Xabi Alonso trat an und versenkte den Elfmeter sicher im linken Eck zum 1:0 (27.).
Die "Elftal" ließ sich vom Rückstand nicht aus der Ruhe bringen und verlagerte das Geschehen geduldig aber auch stetig in Richtung gegnerische Hälfte. Mit Flanken und Distanzschüssen näherten sich die Niederländer dem Tor an. Wirklich gefährlich wurde es aber nicht. Stattdessen schlug Spanien kurz vor der Halbzeit beinahe noch einmal zu: Ein Sahnepass von Iniesta fand David Silva halblinks vor dem Tor. Dessen Heber wischte Keeper Cillessen aber gerade noch weg (43.). Auf der anderen Seite machte es van Persie deutlich besser: Eine Maßflanke von Blind von links fand am Elfmeterpunkt den Stürmer, der Torwart Casillas mit einem sehenswerten Flugkopfball-Lupfer überwand (44.). Ein Traumtor zum 1:1-Halbzeitstand.
Robben dreht die Partie, de Vrij legt nach
Abgehoben: Robin van Persie gelang mit diesem Flugkopfball-Heber ein Traumtor zum 1:1. Getty Images
Nach dem Seitenwechsel wurden die äußeren Bedingungen ein wenig verändert: Plötzlich einsetzender Platzregen sorgte für erschwerte Verhältnisse. Fortan kombinierte die "Furia Roja" nicht mehr so flüssig. Die Niederländer entdeckten hingegen lange Bälle für sich. Ein solcher - erneut von Blind getreten - fand Robben an der Strafraumgrenze. Mit Leichtigkeit tanzte der Flügelflitzer an den gestandenen Innenverteidigern Piqué und Sergio Ramos vorbei und hielt aus zehn Metern drauf. Der noch von Ramos abgefälschte Schuss schlug unhaltbar zum 2:1 im Netz ein (53.).
Eine schnelle Antwort der Iberer blieb aus. Stattdessen starteten die randvoll mit Selbstvertrauen betankten Niederländer die Flucht nach vorne: Van Persie nagelte das Spielgerät aus rechter Position an die Querlatte (60.). Del Bosque musste reagieren und brachte mit Pedro und Fernando Torres zwei frische Angreifer (63.). Doch statt eines Wendepunkts in der Offensive, kassierte Spanien das 1:3: Nach einer Freistoßflanke wurde Casillas im Fünfmeterraum von van Persie behindert, der Pfiff blieb aber aus, sodass de Vrij die Kugel am zweiten Pfosten über die Linie drückte (64.).
"San Iker" patzt - van Persie ist zur Stelle
Robin van Persie (#9) und Arjen Robben (#11) drehen jubelnd ab, Iker Casillas (Mitte) ist bedient. Getty Images
Nun wirkte der Weltmeister angeschlagen und sogar "San Iker", der heilige Casillas, schien seinen Nimbus zu verlieren: Ein Rückpass sprang dem Torwart weit vom Fuß und landete bei van Persie, der diesen Fauxpas sofort zum 4:1 ummünzte (72.). Doch damit nicht genug, denn "Oranje" verteilte weiterhin Ohrfeigen: Sneijder servierte einen Steilpass in den Lauf von Robben, der Sergio Ramos überlief, im gegnerischen Strafraum noch Ramos, Casillas und Piqué wie Slalomstangen stehen ließ und dann zum 5:1 verwandelte (80.).
Die Demütigung des Weltmeisters war perfekt, die "Elftal" hatte aber noch immer nicht genug: Joker Wijnaldum scheiterte aus zwölf Metern an Casillas, den Abpraller nahm Robben aus 18 Metern direkt satt aus der Drehung ab, doch Spaniens Torwart verhinderte mit einer Glanztat eine noch schlimmere Blamage (87.). Sneijder wurde sechs Meter vor dem Tor freigespielt, traf aber die Kugel nicht richtig (90.+1). Sogar das italienische Schiedsrichtergespann um Nicola Rizzoli hatte zum Schluss Erbarmen und pfiff schon 15 Sekunden vor dem Ablauf der offiziellen Nachspielzeit von vier Minuten ab.
Für Spanien geht es im zweiten Gruppenspiel am Mittwoch (21 Uhr MESZ) in Rio de Janeiro gegen Chile weiter. Die Niederlande ist drei Stunden zuvor in Porto Alegre gegen Australien gefordert.