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Adidas und der DFB: Hier lagern 64 Jahre Leidenschaft

Besuch im Archiv in Herzogenaurach

Adidas und der DFB: Hier lagern 64 Jahre Leidenschaft

Christian Staatz mit Toni Kroos' Trikot vom Spiel gegen Schweden bei der WM 2018.

Christian Staatz mit Toni Kroos' Trikot vom Spiel gegen Schweden bei der WM 2018. kicker

Es sind die Grasreste an den Stollen, die Schmutzspuren auf den Trikots, die noch Jahrzehnte später an Momente erinnern, die Fußball-Historie schrieben. Hier, im Archiv des DFB-Ausrüsters Adidas, lagern Zehntausende von Schweiß und vereinzelt sogar Blut durchtränkte Kleidungsstücke und Sportartikel, die den Geruch der Vergangenheit verströmen.

Christian Staatz, Senior Asset Manager DFB bei Adidas, schleppt gerade eine Tasche an, die Erinnerungsstücke an die WM 2018 beinhaltet. Er, der den Abpfiff beim WM-Finale 2014 auf dem Rasen erlebt hat, organisiert die Objekte, die später im Archiv einen Platz finden sollen. Es wird nichts gewaschen, sondern mit Flecken archiviert. "Genau das macht die Geschichte aus - die Authentizität der Geschichte", sagt Martin Gebhardt, Senior Manager History Management bei Adidas.

Verborgene Schatzkammer wächst kontinuierlich

Seit etwa zehn Jahren füllt sich die Schatzkammer der Herzogenauracher kontinuierlich. "Eigentlich", so Gebhardt, "eigentlich sollte hier einmal ein Museum entstehen". Als dann die Finanzkrise die Märkte immer fester in den Griff bekam, schnürte man auch in der Herzo Base den Gürtel enger und plante kurzerhand um.

In der Tasche von Staatz findet sich das Trikot, das Toni Kroos trug, als er Ende Juni mit seinem Traum-Freistoß die deutsche Nationalmannschaft gegen Schweden (2:1) rettete und die WM-Hoffnungen weiterleben ließ. Vier Tage später nahm die Weltmeisterschaft in Russland mit dem Vorrunden-Aus bekanntlich dennoch ein vorzeitiges, unrühmliches Ende für die DFB-Elf. "Trotz des unschönen Ausgangs ist das ein wertvolles Stück", sagt Gebhardt. Das Paar Schuhe von Mesut Özil, das Staatz zeigt, wird wohl als das letzte Paar in die Geschichte gehen, das dieser jemals im Dress der DFB-Elf getragen hat.

Die "Schuhe von Bern" markieren den Anfang einer Ära

Adidas und der deutsche Fußball sind eng miteinander verwoben. Ist die DFB-Elf erfolgreich, profitiert davon auch in erster Linie Adidas. Ist sie es nicht, wie jüngst bei der WM in Russland, spürt man die Auswirkungen zuerst in der Herzo Base, dem Hauptquartier von Adidas in der fränkischen Kleinstadt Herzogenaurach. Wie weit diese Verbundenheit zurückreicht, zeigt ein Streifzug durch die Schatzkammer des Sportartikelherstellers.

Ein Highlight des Rundgangs ist der legendäre Schuh von 54er Finaltorschütze Helmut Rahn. Zeugwart des Weltmeister-Teams war Adolf "Adi" Dassler, der damals mit seinen Schraubstollen einen Coup landete - und die gemeinsame Geschichte von Adidas und dem DFB auf den Weg brachte. Mit Bronze überzogen steht das Glanzstück nun im Archiv und darf - wie alle anderen Objekte - nur ganz vorsichtig mit Handschuhen berührt werden. An den Schnürsenkeln sind grünliche Verfärbungen zu sehen - Oxidationsspuren. Der Schuh muss noch etwas feucht gewesen sein, als er seinen Guss bekam. Dennoch befindet er sich in einem erstaunlich guten Zustand. Stücke aus Synthetik seien schwieriger zu erhalten, erklärt Gebhardt, obwohl im Raum mit 18 Grad Celsius und 50 bis 55 Prozent Luftfeuchtigkeit beste klimatische Bedingungen herrschten.

Von Rahns Wunderschuh bis zu Özils letztem Vermächtnis

Staatz, der quasi in die Fußstapfen von Adi Dassler getreten ist, hat zwei "Lieblingsteile" - beide von der mit dem Titel gekrönten WM 2014 in Brasilien: das schwarz-rot-gestreifte Halbfinal-Trikot von Kroos (7:1 gegen Brasilien) und das Final-Trikot von Benedikt Höwedes. Für die Spieler sei es unmöglich, jedes Erinnerungsstück zu Hause in Szene zu setzen, deshalb sei die Bereitschaft hoch, ihm Schuhe oder Trikots abzutreten, erzählt Staatz, der in engem Kontakt zu den Profis steht. Ansonsten seien auch alle Adidas-Mitarbeiter sensibilisiert, alte Stücke vorbeizubringen.

Es geht darum, die Firmengeschichte zu konservieren, die Entwicklung von Kollektionen, von Reihen zu dokumentieren. Gerne lassen sich auch Designer inspirieren. Die seien dann überrascht, was früher schon alles gemacht wurde, erzählt eine Mitarbeiterin. Über 80.000 Objekte - vom Fußballschuh bis zum Tennisschläger - wurden mittlerweile katalogisiert. Viele weitere sollen hinzukommen. Denn das Kredo, so betont es Gebhardt immer wieder, ist, die Geschichte weiterzuerzählen. Mit den Zeugnissen besonderer Momente.

Christina Flohr