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Fairer Tite: "Belgien hatte alles, aber kein Glück"

Brasilien nach frühem WM-Aus unter Schock

Fairer Tite: "Belgien hatte alles, aber kein Glück"

Fairer Sportsmann: Brasiliens Nationalcoach Tite (rechts) überreicht Belgiens Thomas Meunier den Ball zum Einwurf.

Fairer Sportsmann: Brasiliens Nationalcoach Tite (rechts) überreicht Belgiens Thomas Meunier den Ball zum Einwurf. imago

Aus Kasan berichtet Jörg Wolfrum

Heute, Samstag, ist Abflug, aber nicht nach St. Petersburg, wie es geplant war. Um 17 Uhr geht es für die brasilianische Nationalelf von Kasan aus zurück nach Brasilien, oder zumindest für das, was von ihr übriggeblieben ist nach dem 1:2 im WM-Viertelfinale gegen Belgien . Nationaltrainer Tite wird im Flieger sitzen, der Betreuerstab und auch einige Spieler, etwa der Ex-Wolfsburger Fagner, in der Heimat bei Corinthians unter Vertrag, oder der Ex-Kölner Geromel, Profi bei Gremio Porto Alegre. Aber das Gros der Spieler, die aus den europäischen Klubs, dürften nicht im Flieger sitzen. "Sie sind ab sofort freigestellt", sagte ein Verbandssprecher, und es hörte sich an, als ob sie entlassen wären.

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Sind sie natürlich nicht, die Freizeit hat die Selecao nur schneller eingeholt, als es der gesamten Crew lieb war. Aber der Satz passte in die schockgefrorene Atmosphäre beim fünfmaligen Weltmeister, der sich - spätestens seit der erneuten Leistungssteigerung beim 2:0 im Achtelfinale gegen Mexiko - auf dem Weg zum sechsten Titel sah.

Die Größe dieses Schmerzes ist gar nicht zu quantifizieren.

Brasiliens Nummer eins Alisson

Nicht nur Superstar Neymar stellte sich in der Stunde des Ausscheidens nicht, auch nicht Coutinho, der Mann der Gruppenphase bei der Selecao, oder Marcelo, der nach seinem Hexenschuss zurückgekehrte Linksverteidiger. Alle zogen sie wortlos von dannen.

Es stellten sich andere, die aus der gefühlten zweiten Reihe: "Wir gehen geschlagen", sagte etwa Miranda. Und wie er das so sagte, sah er durchaus geschlagen aus, die Augen ins Nichts starrend: "Wir können nicht der Defensive die Schuld geben und noch viel weniger dem Angriff."

Keeper Alisson, der bei beiden Gegentoren nichts ausrichten konnte, forderte, "dass wir den Kopf oben behalten, auch wenn "die Größe dieses Schmerzes gar nicht zu quantifizieren" sei. Aber man solle "nicht die Meriten vergessen, die sich Belgien verdient hat. Und wir haben zu viel liegen lassen."

"Sie haben uns in der ersten Halbzeit ausgeguckt, das brachte die Entscheidung."

Mittelfeldmann Paulinho

Ein Dutzend Chancen hatte die Selecao, doch nur der Treffer des Ex-Leverkuseners Renato Augusto eine Viertelstunde vor Schluss per Kopf auf Vorlage von Coutinho sprang dabei heraus. Und immer wieder scheiterte der Favorit dabei auch an Belgiens superstarkem Keeper Thibaut Courtois (kicker-Note 1).

Hielt seine Mannschaft mit unzähligen Paraden im Spiel: Belgiens Torwart Thibaut Courtois (links).

Hielt seine Mannschaft mit unzähligen Paraden im Spiel: Belgiens Torwart Thibaut Courtois (links). imago

Das große Chancenplus gab es nach dem Wechsel. Zuvor "haben sie uns in der ersten Halbzeit ausgeguckt, haben viele Spieler ins Mittelfeld gestellt, sechs, sieben, das brachte die Entscheidung, auch wenn wir wirklich bis zum Schluss gekämpft haben", meinte Paulinho, der rechte Achter, der beim zweiten Gegentreffer mit drinhing und vorne kaum Akzente setzen konnte. Vielmehr hätte Belgien unmittelbar vor der Pause auch mit 3:0 in Führung gehen können, erneut De Bruyne per Freistoß und Vincent Kompany ließen die Chance liegen.

Tite gibt den guten Verlierer

Von Nationaltrainer Tite blieb am Freitag nach dem K.o. vor allem ein Satz zum WM-Aus in Erinnerung: "Das ist so hart, härter geht es nicht." Zuvor hatte er vieles gesagt. Etwa, dass er nicht über seine Zukunft als Nationaltrainer reden werde (sein Vertrag läuft aus, einen vielversprechenden anderen Kandidaten als den 57-Jährigen aber gibt es nicht) oder dass die Fans den Einsatz seiner Mannschaft zu schätzen wüssten (in der Tat lag das Ausscheiden nicht an der mangelnden Unterstützung der Anhänger, die das Team für Selecao-Verhältnisse intensiv angefeuert hatten).

Und Tite hatte verquast von "Variablen im Fußball" gesprochen, von den physischen Aspekten, der Technik und der Emotion. Davon, dass seine Mannschaft "zwei Drittel des Spiels in der Hand gehabt hatte", was angesichts des Ballbesitzes von 57 Prozent etwas übertrieben war, aber irgendwo auch richtig. Und wie er da so redete und redete, da merkte man, wie er versuchte, in Worte zu fassen, was viele auf brasilianischer Seite, auch unter den Medien, nicht wahrhaben wollten: "Belgien war gut, war effektiv, hatte mit Courtois einen erleuchteten Torwart. Er hat den Unterschied gemacht. Belgien hatte alles, aber Belgien hatte kein Glück."

Wenn man von Glück spräche, würde das die Leistung des Kontrahenten schmälern. Und Belgien habe nicht weniger Qualität gezeigt als seine Mannschaft.