Ottmar Hitzfeld, der Nationaltrainer der Eidgenossen, veränderte seine Startelf gegenüber dem 2:1-Erfolg gegen Ecuador auf zwei Stellen - jeweils im Angriff. Der baldige Leverkusener Drmic und der kommende Berliner Stocker machten Platz für Seferovic und Mehmedi - die Torschützen und Matchwinner gegen "La Tri". Frankreichs Coach Didier Deschamps tat es nach dem souveränen 3:0-Auftaktsieg gegen Honduras seinem Gegenüber gleich: Pogba und Griezmann rückten auf die Bank, Giroud und Sissoko durften beginnen.
Benzema startet durch
Nach wenigen Minuten des Abtastens meldete sich als erster Akteur Benzema im Sturm an - einen schönen Haken nach rechts ergänzte der Real-Angreifer mit einem schönen Distanzschuss, der durchaus knapp am rechten Pfosten vorbei schnellte (6.). Dann war das Spiel unterbrochen, weil Giroud mit gestrecktem Bein voraus in den Zweikampf mit von Bergen ging und diesen voll im Gesicht traf. Der Abwehrchef konnte nicht weitermachen, eine offene Wunde gab's obendrein. Es kam Senderos (9.). Davon schienen die Eidgenossen zunächst nicht geschockt zu sein, über Mehmedi lief unter anderem ein ordentlicher Konter, der jedoch versandete (14.). Dennoch war zu erkennen, dass "Les Bleus" langsam aber sicher das Kommando an sich rissen. Gerade das schnelle Angriffsspiel, das über die Außenbahnen in Flanken oder Flachpässen ins Zentrum münden sollte, griff mehr und mehr.
Erst eins, dann zwei - Schweiz in der Schockstarre
Für den ersten Treffer benötigten die Franzosen allerdings eine Standardsituation: Valbuena fand mit einer schönen Ecke im Zentrum Giroud, der wuchtig in Richtung des langen Pfostens köpfte. Dort kam Torwart Benglio nur noch leicht heran, Rodriguez auf der Linie streckte sich vergebens - 1:0 (17.). Die Schweizer munterten sich folglich auf, diesen Gegentreffer schnellstmöglich abzuhaken. Doch daraus wurde nichts, vielmehr nutzte die "Equipe Tricolore" die Schockstarre zum prompten 2:0. Zunächst spielte Behrami blind einen katastrophalen Rückpass direkt auf Benzema, der Tempo aufnehmen konnte. Der Stürmer bediente schließlich knapp 20 Meter vor dem Schweizer Kasten den auf der linken Seite durchstartenden Matuidi. Mit einem Linksschuss überwand dieser Benaglio, der seine Torwartecke nicht richtig schließen konnte (18.).
Xhaka jubelt vergebens - Benzema "verballert"
Einer der Torschützen, die die Schweiz überrollten: Blaise Matuidi. Getty Images
Im Anschluss konnte sich die Nati immerhin mal kurzzeitig aus der Schlinge befreien. Nach einer Flanke von Shaqiri und einigen Umwegen kam der Ball zu Xhaka - der Gladbacher aber stand beim Abspiel hauchzart im Abseits (27.). Dennoch konnte der Blick nicht von den vielen Fehlpässen und individuellen Fehlern abgewendet werden. Die Franzosen hingegen spielten sich in einen wahren Rausch, ergatterten sich gar einen Elfmeter: Benzema zog über links in den Strafraum, der Hamburger Djourou hakte unnötig dazwischen und traf nur den Fuß des Stürmers (32.). Eine Minute später erleuchtete aber nicht das 3:0 auf der Anzeigentafel - und das trotz einer doppelten Riesenchance: Erst scheiterte Benzema mit seinem Elfmeter an einer Benaglio-Parade, den Nachschuss setzte Cabaye frei vor dem blanken Tor an die Latte (32.).
Es nimmt kein Ende
Die Eidgenossen wirkten über große Teile der ersten Halbzeit vollends überfordert. Den Franzosen wurde stets zu viel Plaz gewährt - und das in allen Teilen des Spielfelds. Zugriff in den entscheidenden Zweikämpfen? Nicht vorhanden! So schaffte es die Hitzfeld-Elf letztlich nicht mal, den 0:2-Rückstand in die Pause zu retten: Nach einer eigenen (!) Ecke gewährte die Schweiz dem Gegner noch einen Konter und das gesamte Feld. Varane konnte dadurch Giroud mit einem extrem langen Steilpass schicken, der komplett frei bis in den Strafraum zog und final quer legte. Valbuena brauchte nur noch abzustauben - 3:0 (40.). Benzema hatte gar noch die Chance aufs 4:0, sein Distanzschuss fand aber die Arme von Torhüter Benaglio (43.). Mit hängenden Köpfen schlich die Nati anschließend in die Katakomben, auch Trainer Hitzfeld wirkte etwas ratlos.
Gruppe E - 2. Spieltag
Nicht mehr viel los - außer Benzema
In der zweiten Halbzeit spielte sich das ab, mit dem gerechnet werden konnte: Die Franzosen machten weniger in der Offensive, die Eidgenossen wirkten zwar willig, begnügten sich allerdings erst mit solidem Aufbauspiel. Chancen gerieten so nach dem starken ersten Durchgang zu Magerkost-Produkten. Einige schöne Ballstafetten hatten "Les Bleus" allerdings noch drauf: Evras Flanke vom linken Strafraumeck fand rechts Valbuena, welcher in der Zentrale Benzema bediente. Der Schuss des Goalgetters wurde abgefälscht und schnellte über den Kasten (60.).
Fast immer, wenn Frankreich zielstrebig nach vorne spielte, wurde es gefährlich. Diese Durchsetzungsfähigkeit und Schnörkellosigkeit ließ das Offensivspiel der Schweizer vermissen. Es fehlten nur weitere Tore - bis Benzema kam: Der Real-Angreifer wurde mit einem mustergültigen halbhohen Pass von Joker Pogba bedient, profitierte ferner vom etwas hüftsteifen Klärungsversuch von Senderos und schloss schließlich aus der Nahdistanz unter dem heran fliegenden Benaglio hindurch - 4:0 (67.)! Es roch nach einer kompletten Zerlegung der Schweiz. Bemerkenswert: Bei der WM 2006 schied die Nati ohne ein einziges Gegentor im Achtelfinale aus (0:3 i.E. gegen die Ukraine), 2010 kassierte die von Trainer Hitzfeld ohnehin meistens defensiv sichere Truppe nur eines. Dieses Mal jedoch erwischte es die Eidgenossen heftig ...
Benzema kann auch bedienen
... Und es wollte einfach nicht aufhören: Wieder durfte die Angriffsabteilung bis zum Strafraum unbedrängt vordringen - nicht einmal ein taktisches Foulspiel wurde gewählt. Benzema erkannte mit dem Ball am Fuß an der rechten Seite Sissoko, der komplett frei heran rauschte, gut bedient wurde und eiskalt flach ins linke Eck einnetzte - 5:0 (73.). Damit traf nun auch der letzte der fünf offensiven Akteure, die von Anfang an von Trainer Deschamps aufgestellt wurden.
Dzemailis Abschiedsgruß
Die Schweiz sollte wenigstens nicht zu Null verlieren, dafür sorgte der eingewechselte Dzemaili. Mit einem direkten Freistoß aus knapp 30 Metern, der flach unter der Mauer hindurch rutschte, fand der Schweizer das linke untere Toreck. Schlussmann Lloris streckte sich vergebens (81.). Plötzlich kam die Nati wieder etwas auf: Erst prüfte Shaqiri Lloris aus der Distanz (86.), dann vollendete Xhaka ein tolles Zuspiel über die Abwehr von Inler direkt zum 2:5 (87.). Das war's dann mit den 90 Minuten, die in den letzten Zügen ruhig ausklangen. Während die Franzosen fast sicher fürs Achtelfinale qualifiziert sind, muss die Nati wie schon 2010 nach einem Auftaktsieg um den Einzug in die K.o.-Runde bangen. Kurios: Schiedsrichter Björn Kuipers (Niederlande) pfiff mitten im letzten Angriff der "Grande Nation" ab, sodass das genau in diesem Moment fallende 6:2 durch Benzema nicht zählte.
Honduras trifft im letzten Gruppenmatch am Mittwoch (22 Uhr MESZ) in Manaus auf die Schweiz, Ecuador spielt zur gleichen Zeit in Rio de Janeiro gegen die "Equipe Tricolore".