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Belgiens Zweifel vor dem Viertelfinale gegen Brasilien: Dreierkette zu naiv? Kevin De Bruyne von Roberto Martinez falsch eingesetzt?

Vor dem Duell mit Brasilien: Taktische Fragen für Martinez

Belgiens Zweifel an der Dreierkette - Wird De Bruyne falsch eingesetzt?

Redebedarf? Kevin De Bruyne im Gespräch mit Roberto Martinez - Carrasco (oben r.) und Meunier liefen gegen Japan oft hinterher.

Redebedarf? Kevin De Bruyne im Gespräch mit Roberto Martinez - Carrasco (oben r.) und Meunier liefen gegen Japan oft hinterher. imago

Der belgische Jubel über den späten Siegtreffer gegen Japan war kaum abgeklungen, da holte die Diskussion Roberto Martinez schon wieder ein. Denn gleich die erste Reporterfrage auf der Pressekonferenz lautete: "Die Leute werden fragen, ob dieses System nicht zu gefährlich ist, mit nur drei Verteidigern und zwei zentralen Mittelfeldspielern. Werden Sie es ändern?" Heute sei "kein Tag, um über Systeme zu sprechen", entgegnete der Spanier.

Viel gesprochen worden war über sein System allerdings schon vor der WM. Dass die Belgier in Martinez' 3-5-2-Formation defensiv auch gegen starke Gegner bestehen können würden, bezweifelten viele. Als große Schwachstelle im belgischen Defensiv-Verbund wurde dabei die von Yannick Carrasco besetzte linke Seite ausgemacht. Für seine Defensiv-Qualitäten ist der 24-Jährige, der in China sein Geld verdient, nicht unbedingt bekannt. Gleiches gilt für Thomas Meunier auf rechts.

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Wenn schon die Japaner nutzen, wie verwundbar Belgien auf den Flügel ist...

Auch die Japaner merkten im Achtelfinale schnell, welche Räume sich für sie hinter den hohen Außenverteidigern auftaten. Die Torschützen Genki Haraguchi und Takashi Inui nutzten sie fast nach Belieben. Ausbaden mussten es die belgischen Verteidiger, die oft auf sich allein gestellt waren.

Gegen Japan konnten die Belgier den Kopf noch einmal aus der Schlinge ziehen, obwohl sie 21 Minuten vor Schluss noch 0:2 hinten lagen , und bewiesen große Moral. Doch was soll erst passieren, wenn in Kasan am Freitag (20 Uhr, LIVE! bei kicker.de) Neymar und Willian über die Flügel attackieren, wo die Belgier so verwundbar sind? Dass Siegtorschütze Nacer Chadli, ebenfalls eher für seine Offensivqualitäten bekannt, wohl für Carrasco in die Startelf rückt, dürfte da kaum ausreichen. An der Dreierkette festzuhalten, erschiene da fast schon naiv.

"25 Meter Unterschied": Martinez beraubt De Bruyne seiner Stärken

Diskussionen werden auch um Kevin De Bruyne geführt. In der Premier League ragt der 27-Jährige aus einem furiosen Manchester-City-Team, das von Rekord zu Rekord eilte, als genialer Spielmacher noch heraus. In der Nationalelf ist davon nur wenig zu sehen. Gegen Japan dauerte es bis in die Nachspielzeit, ehe er sein Können beim Bilderbuchkonter zum 3:2-Siegtor so richtig aufblitzen ließ - mit einem Sprint über den halben Platz samt perfekt getimten Außenristpass auf Meunier.

Kevin De Bruyne

Seine Genialität im Angriffsdrittel kann er kaum zum Ausdruck bringen: Kevin De Bruyne. imago

Warum glänzt "KDB" in der Nationalelf nicht so wie im Verein? "Ganz einfach", meint Belgiens Ex-Nationalspieler Philippe Albert, "weil zwischen seinen Positionen bei ManCity und bei den Roten Teufeln 25 Meter Unterschied liegen." Im Verein genießt De Bruyne als Achter alle Freiheiten, wird dafür von Fernandinho abgesichert, für Belgien spielt er neben Axel Witsel auf der Doppelsechs. Sein volles Potenzial kann er dort kaum entfalten. Und nicht nur das: Gegen Japan leitete ein De-Bruyne-Ballverlust - nach dem er nur zurücktrabte - das zweite Gegentor ein. Ein echter Sechser ist De Bruyne eben nicht, so sehr ihn Martinez als Taktgeber auf dieser Position sehen mag.

Wäre es nicht an der Zeit...?

De Bruyne, der Martinez' Taktik nach dem 3:3 im Test gegen Mexiko vergangenen November auch schon offen kritisiert hatte, zeigt sich - zumindest nach außen hin - verständnisvoll: "Wir spielen eben nur mit zwei Mittelfeldspielern, und davor mit Eden Hazard und Dries Mertens. Meine Position bei City liegt irgendwo zwischen diesen beiden Reihen, aber dann wären wir im Nationalteam zu offensiv eingestellt." Fakt ist dennoch: De Bruynes Genialität im Angriffsdrittel kommt in seiner derzeitigen Rolle genauso selten zum Tragen wie seine Schussqualitäten. Eine von vielen Taktik-Fragen, die sich Martinez stellen (lassen) muss.

Wäre es nicht an der Zeit, sich gegen Brasilien von der Dreierkette zu verabschieden? Das Mittelfeldzentrum, in dem Coutinho beim Rekord-Weltmeister von Fernandinho und Paulinho (Casemiro fehlt gesperrt) abgesichert sein wird wie die Bank von England, zu stärken - zum Beispiel mit der körperlichen Präsenz von Marouane Fellaini? De Bruyne richtig von der Leine zu lassen?

Wahrscheinlicher ist, dass Martinez an seiner 3-5-2-Taktik festhält. Neymar & Co. dürfte es gefallen.

ski