Europa League

Europa League: Deshalb war der Polizeieinsatz in Frankfurt überzogen

Da Costa: "Gefühl, dass das Stadion zusammenbricht"

Deshalb war der Polizeieinsatz in Frankfurt überzogen

Eine Runde weiter: Danny da Costa und Makoto Hasebe nach dem Weiterkommen gegen Schachtar.

Eine Runde weiter: Danny da Costa und Makoto Hasebe nach dem Weiterkommen gegen Schachtar. imago

Sehnsuchtsort Neapel. Selbst in den tristesten Zweitligazeiten, als Auswärtsfahrten in Fußball-Hochburgen wie Reutlingen noch bedeuteten, 90 Minuten Wind und Wetter ausgesetzt zu sein, lebten in der Kurve die Erinnerungen an große Frankfurter Europapokalnächte. "Oh, ich vergess' das nie, unser letztes Spiel, unser letzter Sieg, in Napoli...", gehörte zu den gerne angestimmten Liedern, war der Europacup auch noch so viele Lichtjahre entfernt. Am 7. Dezember 1994 gewann die Eintracht im Achtelfinale des UEFA-Cups in Neapel 1:0 und zog ins Viertelfinale ein, wo gegen Juventus Turin Endstation (1:1; 1:3) war. Seither stand die Eintracht nie mehr in einem Europapokal-Achtelfinale. Das muss man wissen, um zu begreifen, was der 4:1-Erfolg gegen Schachtor Donezk bedeutet.

Die Fans haben uns so sehr nach vorne gepusht, es war einfach eine Wahnsinnsstimmung.

Danny da Costa
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"Die Fans haben uns so sehr nach vorne gepusht, es war einfach eine Wahnsinnsstimmung. Man hatte das Gefühl, dass das Stadion jeden Moment zusammenbricht, so laut war es", staunte Danny da Costa. Die Atmosphäre half den Spielern dabei, über sich hinauszuwachsen und die laut Trainer Adi Hütter "absolut beste Saisonleistung" abzurufen. Auch Schmerzen wurden an diesem heroischen Abend ausgeblendet. In der 20. Minute wurde da Costa behandelt, nachdem er mit dem linken Sprunggelenk weggeknickt war. Wenige Zeigerumdrehungen später bereitete er mit einem tollen Flankenlauf das 1:0 vor. "Während ich das Tor vorbereitete, dachte ich, dass ich keinen weiteren Schritt mehr machen kann, weil es extrem schmerzhaft war. Das hat schön gepocht, und es pocht auch jetzt gerade wieder ordentlich. Aber das sollte bis Sonntag ausgestanden sein, es ist ja nichts kaputtgegangen. Wenn man wirklich will und die letzte Einsatzbereitschaft da ist, kann man solche Dinge ausblenden", erzählte der offensive Rechtsverteidiger nach dem Schlusspfiff in den Katakomben des Stadions.

Überflüssiger Polizei-Einsatz - Fischers unglücklicher TV-Auftritt

Etwas getrübt wurde der "wunderschöne Europacupabend" (Hütter) allerdings durch einen überflüssigen Einsatz der Polizei. Jedem Kenner der Fanszene war klar, dass die Anhänger gegen Donezk auf Pyrotechnik verzichten werden, da die UEFA nach den Ausschreitungen in Rom eine Bewährungsstrafe verhängt hatte - bei weiteren Verfehlungen werden die Eintracht-Fans für ein Auswärtsspiel in Europa gesperrt. Prokurist Philipp Reschke hatte im kicker schon vor dem Hinspiel erklärt: "Es gab Gespräche mit und unter allen Beteiligten. Ich bin ganz sicher, dass wir uns weder in Charkiw noch in Frankfurt mit diesem Thema werden beschäftigen müssen."

Die Polizei entschloss sich am Donnerstag dennoch dazu, einen äußerst unglücklichen TV-Auftritt von Präsident Peter Fischer zum Anlass zu nehmen, um mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Sie rückte mit einem Durchsuchungsbeschluss an, störte die Vorbereitungen der schlussendlich von den Fans abgesagten Choreografie und marschierte sogar vor dem Block auf, um ein den hessischen Innenminister Peter Beuth beleidigendes Transparent zu beschlagnahmen. Eine solche Maßnahme wegen eines einzelnen Transparentes zu ergreifen, darf durchaus als fahrlässig bezeichnet werden, da sie jeder Deeskalationsstrategie widerspricht. Natürlich sind Fankurven kein rechtsfreier Raum, mit Blick auf die nicht unerhebliche Kriminalität in Frankfurt ist der Verdacht auf den Tatbestand der Beleidigung aber doch ein eher geringfügiges Vergehen ...

Interpretationsspielraum: "Es könnte neblig werden"

Eintracht-Fans

Schals statt "Nebel": Eintracht-Fans am Donnerstagabend. imago

Doch was war im Vorfeld genau geschehen? Bei DAZN hatte Fischer am Mittwoch erklärt: "Das Stadion muss brennen, und wenn ich sage, dass das Stadion morgen brennt, dann brennt das morgen! Und zwar so, dass ihr kaputtgeht, weil ihr viel zu viel Licht habt, und deshalb könnte das Spiel vielleicht ein bisschen neblig für euch (werden)." Vorstand Axel Hellmann weist zwar zu Recht darauf hin, dass in der Fußballersprache mit "brennen" gemeint ist, dass die "Luft brennt" – ein Synonym für außergewöhnliche Stimmung. Fischers Ergänzung, dass es "neblig" werden könnte, erlaubt aber auch eine andere Interpretation. Am späten Donnerstagabend erklärte die Polizei via Pressemitteilung: "Unabhängig davon, wie es gemeint war, musste in Verbindung mit dem zum Teil massiven Abbrennen von Pyrotechnik an vorangegangenen Spielen davon ausgegangen werden, dass Besucher des Spiels sich insbesondere für diese Begegnung dazu aufgerufen fühlen könnten, Pyrotechnik mitzubringen und abzubrennen."

Polizei

Aufräumarbeiten: Polizeikräfte entfernen ein Spruchband. imago

Das Gegenteil ist richtig: Aufgrund der drohenden Auswärtssperre rechnete außer der Polizei niemand damit, dass es tatsächlich "Feuer" auf den Rängen geben könnte. Vorstand Hellmann wies den Frankfurter Polizeipräsidenten Gerhard Bereswill darauf auch in mehreren Telefonaten hin – vergeblich. Dass die Polizei mit ihrer Einsatztaktik falsch lag, zeigt auch das Resultat. In der Pressemitteilung heißt es weiter: "Zum Schutz der Veranstaltung wurden daraufhin mit Sprengstoffspürhunden eine Absuche des Unterrangs der Nord-West-Kurve und den dazugehörenden Toiletten durchgeführt. Ferner wurde auf Grundlage eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Frankfurts ein Raum, der zur Aufbewahrung von Choreographie-Gegenständen dient, nach Pyrotechnik durchsucht. Dies geschah im Beisein des Veranstalters. Im Ergebnis wurden keine verbotenen Gegenstände aufgefunden."

Ultras-Stellungnahme: Polizei zielt offenbar auf Eskalation ab

Die Ultras schreiben in einer Stellungnahme auf ihrer Homepage von mehreren Fans, die durch den Einsatz von Schlagstöcken verletzt worden seien. Sie werfen Beuth einen "Kleinkrieg" vor und erklären: "Damit wurde ein Punkt erreicht, an dem wir als Fanszene nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können. Dementsprechend wurde die in den vergangenen Tagen aufgebaute Choreographie bereits vor dem Anpfiff wieder abgebaut . Für uns war es unter diesen Umständen nicht möglich, den gewohnten festlichen Rahmen für das Spiel zu bieten." Bereits seit Wochen, so die Ultras, hätte es "rund um die Nordwestkurve verschiedenste Polizeieinsätze" gegeben, "die offenbar zum Ziel haben, eine Eskalation herbeizuführen".

Fischers Wortwahl und Hardliner Beuth

Nichtsdestotrotz sollte Fischer die Lehre daraus ziehen, seine Worte künftig besser abzuwägen, auch wenn er mit launigen Sprüchen in der Fanszene gut ankommt. Der harte Kern der Fans wiederum sollte in den kommenden Wochen und Monaten nicht den Fehler begehen, auf Konfrontationskurs mit der Polizei zu gehen. Das würde einem Hardliner wie Beuth, der für das Zünden von Pyrotechnik Gefängnisstrafen fordert, nur in die Karten spielen.

Julian Franzke