Europa League

Weshalb es bei Lazio nur 5800 Gästetickets gibt

Hellmann: "Ihr schadet Eintracht Frankfurt und den Fans"

Weshalb es bei Lazio nur 5800 Gästetickets gibt

So viele Eintracht-Fans wie in Bordeaux werden im Rom nicht im Stadion sein.

So viele Eintracht-Fans wie in Bordeaux werden im Rom nicht im Stadion sein. imago

Schon kurz nach der Gruppen-Auslosung war bei vielen Fans die Ernüchterung groß. Ausgerechnet die Eintracht musste beim attraktiven Auswärtsspiel bei Olympique Marseille vor leeren Rängen spielen. Zu diesem Geisterspiel waren die Franzosen wegen Ausschreitungen in der vergangenen Saison verdonnert worden. Von der örtlichen Präfektur erging sogar der Erlass, dass sich Eintracht-Fans am Spieltag nicht in Marseille aufhalten dürfen. Umso größer war die Vorfreude auf Rom, wo das Olympiastadion mit einer Kapazität von etwa 72.000 Plätzen genügend Raum für Gästefans bietet. Theoretisch zumindest.

Die Realität sieht anders aus. "Kartenkontingente bei Auswärtsspielen in Italien sind ein ausgesprochen kompliziertes Unterfangen. Das ist deutlich anders als in Deutschland. Wer im Ligaalltag eine Karte erwerben will, braucht einen Fanpass, der beim Innenministerium beantragt wird. Das Betreten des Stadions ohne Fanpass stellt eine Straftat dar", erklärt Prokurist Reschke. Zwar wäre Lazio Rom durchaus bereit gewesen, der Eintracht mehr Karten zu verkaufen, doch der Klub hat in dieser Frage nicht das letzte Wort. Reschke war mit einer Delegation vor Ort in Rom, wo er im Innenministerium vorsprach. Die Entscheidung über die Größe des Kontingents fiel in der sogenannten Questura, der Polizeibehörde, der ein Questore vorsteht.

Eintracht Frankfurt - Vereinsdaten
Eintracht Frankfurt

Gründungsdatum

08.03.1899

Vereinsfarben

Rot-Schwarz-Weiß

mehr Infos

"Der Questore hat am Ende befunden, wie viele Karten wir bekommen", erläutert Reschke. Auch wenn er das selbst nicht so nennt, so sind die 5800 Tickets bereits ein Verhandlungserfolg. Laut UEFA-Reglement müssen nämlich lediglich 5 Prozent der Tickets an die Gastmannschaft verkauft werden, die Eintracht hätte also auch mit etwa 3600 Karten abgespeist werden können. "Das ist ein ganzer Schluck mehr, aber natürlich deutlich weniger als das, was wir uns vorgestellt haben und als Nachfrage wahrnehmen", sagt Reschke. Vorstand Axel Hellmann ergänzt: "5800 Karten werden viele als Enttäuschung empfinden, weil das immer mit den 12.000 Fans in Bordeaux verglichen wird."

"Wir haben alles versucht und reingeworfen"

Dort stellte die Eintracht am 28. November 2013 einen Auswärtsfans-Rekord in der Europa League auf. Diese Marke hätte in Rom womöglich fallen können. "Wir haben einen Wunsch mit Karten im niedrigen fünfstelligen Bereich platziert", sagt Reschke. Hellmann rechnet in Rom mit "deutlich mehr als 10.000 Frankfurtern". Für das Argument, dass die Sicherheit viel eher gewährleistet werden kann, wenn alle Fans im Stadion sind, statt die Kneipen in der Stadt zu belagern, war der Questore nicht empfänglich. "Wir haben alles versucht und reingeworfen, um die größtmögliche Zahl sicherzustellen", betont Hellmann, der noch eine kleine Chance sieht "ein paar mehr Karten" heraushandeln zu können.

Erschwert wurden die Gespräche über das Kartenkontingent durch die Ausschreitungen beim Hinspiel gegen Lazio Rom, als Gästefans im Bahnhofsviertel und in Stadionnähe von Eintracht-Hooligans überfallen wurden. "Wir müssen uns auch ein bisschen an die eigene Nase fassen", sagt Hellmann und führt aus: "Der Ermessungsspielraum des Questores wurde durch die Vorfälle beim Hinspiel und auch gegen Limassol sehr eingeengt. Das trifft, ärgert und enttäuscht uns." Der Vorstand hebt das große Engagement Hunderter Fans beim Organisieren der beeindruckenden Choreografien hervor und bekräftigt: "Wir geben ein wunderbares Bild ab und tragen dazu bei, dass dieser Wettbewerb erstrahlt, dass die Bundesliga in diesem Wettbewerb erstrahlt, dass dieser Klub in diesem Wettbewerb erstrahlt."

Hellmann kritisiert Krawalle bei den Spielen

Umso schärfer kritisiert er die Krawalle bei den Spielen. "Es gibt eine kleine Gruppe von Gewalttätern, der es mit ihrer Aktion gelingt, vielen Tausend Eintracht-Fans die Möglichkeit zu verbauen, zu solchen Spitzenspielen wie nach Rom zu fahren. Das sage ich in aller Deutlichkeit, das ist ein Problem, das wir haben. Die Überfälle auf gegnerische Fans – ob im Bahnhofsviertel oder am Gleisdreieck – sind keine Kavaliersdelikte", stellt Hellmann klar. Er mahnt vor dem Irrglauben, dass diese Vorfälle "in der UEFA-Bürokratie verschwinden" würden. Auch bei einem möglichen Einzug in die K.o.-Runde werde "sehr genau auf diese Vorfälle" geachtet: "Man wird gucken, inwiefern man Eintracht Frankfurt überhaupt Karten geben kann." Deshalb appelliert er: "Ich kann nur all denjenigen zurufen, die unsere Spiele für gewalttätige Auseinandersetzungen missbrauchen: Ihr schadet damit Eintracht Frankfurt und allen Fans. Unsere europäischen Feste sind etwas Besonderes. Die wollen wir uns nicht nehmen lassen."

Wer hofft, vor Ort in Rom eine Karte ergattern zu können, für den sieht Reschke schwarz: "Für einen Normalsterblichen ist es ohne die entsprechenden Beziehungen nicht möglich, an eine Karte am freien Markt in Rom zu kommen. Auch der Verkauf der Heimtickets ist ausgesprochen reglementiert." Der Verkauf der 5800 Gästetickets beginnt an diesem Donnerstag um 10 Uhr. Wer keine Dauerkarte besitzt und kein Vereinsmitglied ist, ist von der Kartenvergabe von vorneherein ausgeschlossen. Bevorzugt werden Inhaber von Auswärtsdauerkarten, Vielfahrer, Fanclubs und Mitglieder.

Fanmärsche in Italien verboten

In Rom wird es am Spieltag voraussichtlich ein oder zwei zentrale Treffpunkte für alle Eintracht-Fans geben. Von dort aus soll ein Shuttle-Verkehr zum Stadion organisiert werden. Fanmärsche seien in Italien verboten, erklärt Reschke. Was die gesamte Sicherheitslage rund um das Spiel verschärft, ist die Tatsache, dass die aktive Fanszene der Eintracht politisch eher links angesiedelt ist, während Lazio Rom seit Jahren große Probleme mit Rechtsextremisten im Stadion hat.

Hinzu kommt, dass die klar antifaschistisch eingestellten Ultras Frankfurt eine enge Freundschaft zu den Ultras von Atalanta Bergamo pflegen. Deshalb ist damit zu rechnen, dass sich auch Atalanta-Anhänger auf den Weg nach Rom machen werden. Die Fantrennung wird eine Herkulesaufgabe für die italienische Polizei, die nicht gerade im Ruf steht, ein Meister der Deeskalation zu sein. Kaum verständlich ist es, weshalb sie sich die Arbeit durch die Ticketbegrenzung unnötig erschwert. 10.000 bis 15.000 Fans im Stadion lassen sich leichter kontrollieren und durch Pufferblöcke von den Heimfans trennen als Tausende "Touristen" in der Stadt.

Julian Franzke