Europa League

Bayer 04 Leverkusen: Heiko Herrlich - ein Sieg und viele unangenehme Fragen

Bayer 04 offenbart klare Defizite - die Unruhe bleibt

Herrlich - ein Sieg und viele unangenehme Fragen

Der Druck wächst: Bayer-Trainer Heiko Herrlich.

Der Druck wächst: Bayer-Trainer Heiko Herrlich. imago

Es sind keine leichten Tage für Heiko Herrlich. In der Liga hinkt Bayer 04 den Erwartungen weit hinterher. Und so wird im Zweifelsfall immer der negative Ansatzpunkt aufgegriffen. Und von diesen gibt es viele. Zu viele für eine Mannschaft, die mit dem Ziel in die Saison gestartet ist, sich für die Champions League zu qualifizieren.

Da helfen auch Siege in der Europa League nicht weiter. Selbst ein 4:2-Erfolg nach 0:1-Rückstand nicht. Und das nicht nur, weil er gegen AEK Larnaka aus Zypern erzielt wurde. Vielmehr waren es die Fehler und Unzulänglichkeiten im Spiel der Werkself, die erneut unangenehme Fragen aufwarfen.

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"Es war ein undankbares Spiel, das wussten wir vorher. Es war sicher nicht der große Leckerbissen. Es war ein Pflichtsieg. Das Spiel müssen wir abhaken", erklärte Geschäftsführer Rudi Völler. Der erneut gute Kai Havertz, sowie die Einwechselspieler Lucas Alario (per Doppelpack) und Julian Brandt sorgten dafür, dass Bayer mit dem wenig überzeugenden, aber verdienten Sieg in der Europa League punktemäßig einen idealen Start erwischt hat.

Mehr Wechsel wären möglich gewesen

Mit einer Mannschaft, die Herrlich personell kaum gegenüber dem 2:4 gegen Dortmund verändert hatte. Zur Schonung einiger Dauerspieler wären mehr Wechsel möglich gewesen als die drei, die der 46-Jährige vollzog; Herrlich hatte nur Jonathan Tah, Julian Brandt und Lucas Alario aus der Startelf genommen. Bemerkenswert, hatte der Trainer doch noch am Dienstag über mangelnde Möglichkeiten zur Rotation auf der Doppelsechs sowie den Außenverteidigerpositionen geklagt.

Dennoch ließ er Rechtsverteidiger Tin Jedvaj nicht von Beginn an ran. Und die mit Offensivleuten prall gefüllte Ersatzbank (Alario, Brandt, Paulinho, Kiese Thelin) hätte diverse Optionen geboten, um dem nonstop eingesetzten Havertz, dessen Dauerbelastung Herrlich auch angeführt hatte, zu Spielbeginn eine Pause vor dem richtungsweisenden Spiel in Freiburg einzuräumen. Dass Herrlich trotz zahlreicher Offensiv-Alternativen glaubt, nicht auf den 19-Järigen verzichten zu können, sagt viel aus: Über die Form des Nationalspielers, aber auch offenbar darüber, wie wenig der Trainer seiner Mannschaft selbst gegen ein Team wie Larnaka derzeit ohne das Toptalent zutraut, und somit auch viel über die Verfassung der Werkself.

"Diese Elf hat vier Tore geschossen und zwei reingekriegt. Das hat so gepasst. Deshalb brauche ich nicht erklären, warum ich mich für diese Spieler entschieden und andere draußen gelassen habe", sagte Herrlich genervt, der, den wachsenden Druck spürend, natürlich bemüht war, die guten Dinge zu betonen.

Spieler kritischer als der Trainer

So beurteilte er selbst die holprige Anfangsphase positiv. Seine Spieler gaben sich da deutlich kritischer. "Die ersten 15, 20 Minuten waren wir noch nicht so auf dem Platz, wie wir es uns vorgestellt haben", erklärte Kevin Volland, der zwei Treffer vorbereitete und wie gewohnt auch in der Rückwärtsbewegung hoch engagiert war.

Dass dies nicht für alle Offensivakteure zutraf, ist ein Fakt, der jeden Beobachter, der es gut mit Bayer 04 meint, nachdenklich stimmen wird. Schon gegen Dortmund hatte die nicht gut in der Defensive mitarbeitende linke Seite für einen Wutausbruch von Abwehrchef Sven Bender gesorgt. Gegen Larnaka platzte Volland nach einer halben Stunde der Kragen, als er als Mittelstürmer im Sprint nach hinten einen Flügelspieler überholte und diesen dabei lautstark anfuhr.

Es muss jeder Einzelne für sich in den Kopf reinbekommen, dass wir einfach nach Ballverlust wieder in die Ordnung kommen.

Kevin Volland

Nachlässigkeiten in der Defensivarbeit, die zu häufig passieren in dieser Saison. "Wir haben es als Mannschaft nicht geschafft, in diese Pressingsituationen zu kommen", erklärte Volland zur Startphase und fügte auf besagte Szene bezogen an: "Die Umschaltbewegung war auch noch nicht gut. Es muss jeder Einzelne für sich in den Kopf reinbekommen, dass wir einfach nach Ballverlust wieder in die Ordnung kommen. Das ist entscheidend in unserem Spiel. Wenn wir es gut machen, wir als Team sehr kompakt, sehr intensiv gegen den Ball arbeiten, dann haben wir auch unsere Chancen. Wenn wir es schleifen lassen, kommen wir in die Bredouille und tun uns extrem schwer."

Dann kommt es immer wieder zu Situationen, wie sie gegen Larnaka auch nach der Pause zu sehen waren, in denen sich die Mannschafsteile verlieren, die Abstände zwischen den Pärchen wie der Doppelsechs zu groß werden, weil die defensiven Mittelfeldspieler Löcher stopfen müssen. Schwächen, die ein stärkerer Gegner zu mehr als zwei Treffern nutzt. Schwächen, die schon gegen Dortmund und in Düsseldorf offenkundig wurden.

Unpräzises Passspiel und fehlende Abstimmung

Herrlich muss diese genauso abstellen wie den fahrlässigen Umgang mit guten Angriffssituationen, die durch unpräzises Passspiel und fehlende Abstimmung nicht in einer Torchance mündeten. Ein Defizit, das über weite Strecken gegen Larnaka ein Ärgernis darstellte. "In der ersten Halbzeit haben wir schon diese Situationen gehabt, in denen wir die letzten Pässe nicht an den Mann gebracht haben. Am Ende haben wir es gut ausgespielt", analysierte Volland.

Diesmal führten all diese Nachlässigkeiten wie auch das exemplarische halbherzige Abwehrverhalten vor dem 0:1 nicht zu einem bösen Erwachen. Am Sonntag drohen so aber schmerzhafte Folgen. Volland warnt: "In Freiburg wird es sehr unangenehm. Das sollte eigentlich bei jedem Spieler im Kopf sein, dass es da sehr schwierig wird." Tritt die Werkself im Breisgau genauso inkonsequent auf, drohen Bayer und Herrlich noch viel mehr unangenehme Fragen.

Stephan von Nocks