Regionalliga

Mehrwert am Oberwerth

Drei Spieltage vor Schluss feierte TuS Koblenz den Aufstieg

Mehrwert am Oberwerth

Ein Garant für den Erfolg in Koblenz: Trainer Milan Sasic freut sich über den Aufstieg.

Ein Garant für den Erfolg in Koblenz: Trainer Milan Sasic freut sich über den Aufstieg. Kicker

Rund um das Stadion Am Oberwerth ist ein kleines Fußballwunder passiert. Vor vier Jahren war die Turn- und Spielvereinigung Koblenz am Ende. Vier Spieler standen zu Saisonbeginn zur Verfügung, der Oberligist hatte eine Million Euro Schulden.Jetzt steigt der Klub in die Zweite Liga auf, mit einem renovierungsbedürftigen Stadion, ohne Ersten Vorsitzenden. Den Erfolg gibt es mit relativ bescheidenen finanziellen Mitteln. Fans erhalten Mehrwert am Oberwerth.

Der Erfolg basiert in erster Linie auf der Arbeit von vier Personen; Trainer Milan Sasic, der 2002 kam, Ex-Manager Stefan Kuntz, der von Juli 2005 bis April 2006 ein kurzes, aber befruchtendes Gastspiel gab, sowie Walterpeter Twer und Hans-Peter Schössler als Sponsoren und einflussreiche Menschen im Hintergrund, die den Europameister von 1996 ins fußballerische Niemandsland Koblenz lockten.

Die Vita des Coaches ist außergewöhnlich. Sasic, Jahrgang 1958, spielte im kroatischen Karlowatz in der zweiten oder dritten Liga im Tor. Eine größere Karriere verhinderte fehlende Körperlänge, nach 1,78 Meter ist Endstation. Mit 24 Jahren absolvierte er seinen ersten Trainerlehrgang, mit 28 war die Ausbildung bereits abgeschlossen. 1995 trieb ihn der Krieg nach Deutschland, "mit der Familie und einem Koffer". Wenig später übernahm Sasic im Winter auf Empfehlung eines Bekannten den B-Ligisten Gebhardshain/Steinebach: "Ich dachte, B-Liga ist eine zweite regionale Liga." Die Realität war anders: "Ich sah erstmals in meinem Leben einen Aschenplatz. Es wurde zweimal in der Woche trainiert, ich war eher gewohnt, dies zweimal am Tag zu tun. In der Spielerkabine wurde Bier getrunken und geraucht, das hatte ich noch nie erlebt. Sollte ich diesen Job annehmen? Dann habe ich mir gesagt: Milan, tu es. Auch das ist Fußball." Gebhardshain/Steinebach, im Mittelfeld der Tabelle angesiedelt, gewann in der Rückrunde 16 Spiele bei einem Unentschieden und kam in die A-Liga, der erste von fünf Aufstiegen des Milan Sasic in Deutschland.

Einem Gastspiel beim Oberligisten Hamm folgte das Engagement in Koblenz. Im Frühjahr sagte Sasic zu, unter der Prämisse, dass es einen Vertrag mit einem polnischen Investor gebe und die Zielsetzung die Zweite Liga sei. Die aktuellen Fußballer wurden mit der Aussage verärgert, dass sie zu schlecht seien, um dieses Vorhaben zu realisieren. Der Bochumer Klaus Hilpert sollte als Manager kommen. Doch im Sommer war der Sponsor auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Sasic: "Als ich das erste Mal am Oberwerth war, hieß es: Hier geht es nicht um die Zweite Liga, sondern um die nackte Existenz. Machst du es trotzdem? Ich habe gesagt: Kann ich zwei Tage überlegen? Die Antwort: Nein. Wir müssen dem Oberbürgermeister heute Abend einen Trainer präsentieren, sonst ist alles aus. Diese Ehrlichkeit hat mir imponiert." Der Trainingsauftakt wurde verschoben, weil sich nur vier Spieler in der Kabine verloren. Das Abenteuer endete mit dem Klassenerhalt für die TuS und dem Aufstieg in der Folgesaison.

In zwei Jahren Regionalliga hat Sasic sich große Anerkennung erarbeitet. "Wie die TuS gegen uns gespielt hat, so stelle ich mir Fußball vor", sagt Hermann Gerland, Coach von Bayern München II, "die Mannschaft hat eine hervorragende Ordnung und praktiziert ein sehr gut funktionierendes System. Da hat es Spaß gemacht, dem Gegner zuzuschauen." Uli Stielike, DFB-Trainer und Ex-Nationalspieler, hat die TuS mehrfach gesehen, unter anderem beim 2:1 in Hoffenheim, und meint: "Die Mannschaft ist wie ein Zweitligist aufgetreten, sehr aggressiv, jeder hat beim Forechecking mitgemacht. Man sah die Handschrift eines guten Trainers," Milan Sasics Fußball-Philosophie fußt auf mehreren Säulen.


"Wie die TuS Koblenz gegen uns gespielt hat, so stelle ich mir Fußball vor." Hermann Gerland , Trainer des FC Bayern München II


Die erste ist Aggressivität: "Bekämpfen, dominieren, siegen, so lautet die Reihenfolge." Dabei steht Fairness im Vordergrund. Koblenz machte den Aufstieg ohne Platzverweis perfekt. Weiterhin ist Geschick im Zweikampf gefragt. Um es zu erreichen, werden Grätschen im Training häufig verboten. Sasic: "Wer grätscht, ist zu langsam oder denkt zu langsam." Wichtig ist weiterhin das unbedingte Umsetzen eines Systems. Dieses ist nicht starr, es hängt von den eigenen Spielertypen ab und wird je nach Gegner variiert. Unbedingt einzuhalten sind feste Regeln im Umgang miteinander. Diese gelten für alle, ob Star, Nachwuchsmann - oder ihn selbst: "Ich darf in der Öffentlichkeit nicht sagen: Der X ist ein schlechter Spieler. Dann zahlt auch der Trainer."

Für den Durchbruch bedurfte es neben dem Glücksfall Sasic noch eines weiteren. Zu diesem wurde Stefan Kuntz, dessen Verpflichtung Hans-Peter Schössler einleitete. Der Geschäftsführer von Lotto Rheinland-Pfalz hatte im Herbst 2002 entscheidend dazu beigetragen, dass der 1. FC Kaiserslautern vor dem Konkurs gerettet wurde, indem vorab für fünf Millionen Euro Transferrechte an Miroslav Klose erworben wurden. Kuntz war die Initialzündung für Walterpeter Twer, Verleger der örtlichen Rhein-Zeitung, als Hauptsponsor einzusteigen. "Ich hatte ein ganz langes Gespräch mit ihm", erinnert sich Kuntz, "darin hat er mir auf Anhieb meinen vorgeschlagenen Etat zugesichert. Das fand ich sensationell." Beide gingen ohne Groll auseinander, als Bochum Kuntz wollte. "Mir war klar, dass wir Stefan nicht halten können, und wir wollten es auch gar nicht erst versuchen", so Twer, der sich nun freut, dass mit Dragoslav Stepanovic eine kaum weniger öffentlich wirksame Figur als Nachfolger gefunden wurde.

Twer, dem 40 im Medienbereich tätige Firmen gehören, ist als Graue Eminenz im Hintergrund tätig. Seine Kontakte und Beziehungen sind unersetzlich. So wäre es ohne die Hilfe des Unternehmers jetzt unmöglich, rund zwei Millionen Euro aufzutreiben, die für die Sanierung des städtischen Stadions Am Oberwerth, das kurz nach dem Krieg gebaut wurde, nötig sind. Nachbesserungen in 18 Punkten fordert die DFL für die Lizenz, das geht von der Verdoppelung der Lux-Zahl des Flutlichts bis hin zur Überdachung von Sitzplätzen. Zu den Spielen geht Twer selten, ins operative Geschäft will er auch nicht eingreifen, "das haben die zuständigen Leute zuletzt gut erledigt. Immerhin war der Verein vor drei, vier Jahren praktisch kaputt". Aber seine Ideen weisen den Weg. Er will die Fußballabteilung in eine GmbH umwandeln und sagt: "Zweite Liga ist auf Dauer nur mit einem neuen Stadion möglich." Wunder brauchen ein solides Fundament. Auch in Koblenz.

Thomas Roth