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Kommentar zur WM-Analyse - Löws Neuanfängchen: Viele Worte, wenig Botschaften

Kommentar von Oliver Hartmann

Löws Neuanfängchen: Viele Worte, wenig Botschaften

Mehr "weiter so" als "alles neu": Joachim Löw und Oliver Bierhoff am Mittwoch in München.

Mehr "weiter so" als "alles neu": Joachim Löw und Oliver Bierhoff am Mittwoch in München. picture alliance

Uli Hoeneß meinte am Dienstagabend in der Allianz-Arena, er halte "überhaupt nichts davon, vor den Medien eine Alibi-Veranstaltung zu machen, um den tollen Hecht zu spielen" . Diese Ausrichtung hatte die erste öffentliche WM-Analyse von Joachim Löw und Oliver Bierhoff am Mittwoch an selber Stelle wahrlich nicht, vor allem der Bundestrainer zeigte sich in der Rückschau bemerkenswert selbstkritisch. Aber die über acht Wochen nach dem historischen Vorrunden-Aus und damit viel zu spät erfolgte Aufarbeitung des Debakels brachte trotz der Überlänge von fast zwei Stunden kaum neue Erkenntnisse.

Und die verkündeten personellen Konsequenzen sowohl im Kader als auch im Team hinter dem Team sind so marginal, dass sie nicht als Initialzündung für den wortreich angekündigten Umbruch taugen. Stellvertretend für diese Halbherzigkeit steht die Entscheidung, Thomas Schneider als Co-Trainer abzusetzen , um ihn sogleich als Leiter der Scouting-Abteilung wieder anzudocken und dem bislang dort installierten Urs Siegenthaler eine "übergeordnete Rolle" im Scouting zu übertragen. Das klingt mehr nach "weiter so" denn nach "alles neu".

Löw hält auch jetzt weiter an seiner Weltmeister-Riege fest

Gleiches gilt für die Zusammenstellung des Kaders für den Auftakt in der Nations League am 6. September in München gegen Frankreich und das Testspiel drei Tage später in Sinsheim gegen Peru. Löw nominierte in Thilo Kehrer, Kai Havertz und Nico Schulz zwar drei Neulinge. Aber in erster Linie hält er an seiner in die Jahre gekommenen Weltmeister-Riege fest, obgleich diese Nibelungentreue ein Grund fürs Scheitern in Russland war. Aus dem Kader von 2014 strich Löw lediglich Sami Khedira und auch dies mit dem Hinweis, dass dies zunächst auf den Moment beschränkt und keine Grundsatzentscheidung sei. 17 Spieler aus dem 23-Mann-Kader waren auch in Russland dabei.

kicker-Chefreporter Oliver Hartmann

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Bei der ersten Pressekonferenz seit der Rückkehr aus Russland präsentierten sich Löw und Bierhoff wie schon zuvor gegenüber dem DFB-Präsidium und den Bundesliga-Managern entschlossen. Und zumindest Löw ließ in der WM-Analyse auch klare Selbstkritik erkennen , als er einräumte, er habe mit seinem auf totalen und hochriskanten Ballbesitzfußball ausgerichteten Spielstil aufs falsche Pferd gesetzt und obendrein in der Mannschaft nicht das richtige WM-Feuer entfachen können. Beides liege in seiner Verantwortung, wie er richtigerweise anmerkte.

Bierhoff zeigt sich eher trotzig denn einsichtig

Wie er bei eben diesen Spielern wieder Leidenschaft, Begeisterung und Teamgeist wecken will, ließ er jedoch im Unklaren. Dass er seinen Führungsstil grundlegend ändert, ist nicht zu erwarten. Löw setzt weiter auf Kommunikation und Vertrauen, nicht auf eine harte Linie und Kontrolle. Und auch der eher trotzig denn einsichtig wirkende Bierhoff ließ in der Frage, wie der zunehmenden Entfremdung zwischen Nationalmannschaft und Basis entgegengewirkt werden soll, keinen Kurswechsel erkennen. Der anmaßende Begriff "Die Mannschaft", von Bierhoff nach dem WM-Erfolg 2014 kreiert, bleibe vorerst bestehen. Da wolle er sich "nicht von Stimmungen und Stimmen leiten lassen". Es wäre angebracht, wenn Bierhoff und Löw künftig mehr auf eben diese Stimmungen und Stimmen achten. Es hätte ihnen eine fatale Fehleinschätzung in der Causa Mesut Özil erspart.

Der Neubeginn in der Nationalmannschaft ist gemacht, aber es war eher ein Neuanfängchen mit vielen Worten und wenig konkreten Botschaften.