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Führungskrise beim DFB: Grindel verliert Rückhalt

Präsident? Weltmeister Lahm hegt keine Ambitionen

Führungskrise beim DFB: Grindel verliert Rückhalt

Unruhe beim DFB: Präsident Reinhard Grindel bekommt Druck - auch Philipp Lahm spielt dabei eine Rolle.

Unruhe beim DFB: Präsident Reinhard Grindel bekommt Druck - auch Philipp Lahm spielt dabei eine Rolle. picture alliance

Im Zentrum des Wirbels steht erneut Grindel. Diesmal geht es um angeblich verheimlichte Zahlungen von insgesamt 78.000 Euro, die der Verbandschef als Aufsichtsratsvorsitzender der DFB-Medien Verwaltungs-Gesellschaft zwischen Juli 2016 und Juli 2017 zusätzlich zu seinen sonstigen Einnahmen erhalten hat, was vom Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" veröffentlicht wurde. Der DFB erklärte, Grindel habe bei seinem Amtsantritt im Jahr 2016 korrekte Angaben zu seinen Einkünften gemacht. Grindel räumt Zahlungen in dem Zeitraum ein, weist jedoch den Vorwurf zurück, der Öffentlichkeit gegenüber die zusätzlichen Einnahmen verschwiegen zu haben. Den Aufsichtsratsvorsitz der DFB-Tochter habe er erst nach seiner Wahl zum DFB-Präsidenten angetreten.

Der frühere DFB-Schatzmeister und CDU-Bundestagsabgeordnete Grindel wurde am 15. April 2016 zum Präsidenten des größten Sportfachverbandes gewählt, zum Aufsichtsratsvorsitzenden der DFB-Medien GmbH am 6. Juli desselben Jahres. Ihm habe mit der Wahl für diese Tätigkeit dieselbe Vergütung wie seinem Amtsvorgänger zugestanden. Sowohl Wolfgang Niersbach als auch dessen Vorgänger Theo Zwanziger sollen als Aufsichtsratsvorsitzende der betreffenden Tochtergesellschaft entsprechende Vergütungen erhalten haben. Ein im Grunde üblicher Vorgang. Aufsichtsräte, nicht nur ihr Vorsitzender, werden mit Sitzungsgeldern honoriert.

Grindel, früherer ZDF-Journalist und -Studioleiter, hatte nach seiner Wahl an die von der WM-Affäre erschütterte Verbandsspitze größte Transparenz angekündigt sowie versprochen, mit seinem Eintritt in maßgebende Gremien von UEFA und FIFA auf den Verdienstausfall in Höhe von 7200 Euro, der ihm neben der Aufwandsentschädigung als Präsident in Höhe von 7200 Euro zustünde, zu verzichten. Die Tätigkeiten im Welt- und europäischen Verband sind in der Summe mit jährlich rund 500000 Euro dotiert.

Nach der Verschmelzung der DFB-Medien zur DFB-GmbH habe Grindel auch keine Aufwandsentschädigung mehr für den Aufsichtsratsvorsitz erhalten, teilte der DFB mit. Grindels Kritiker meinen, er habe die Aufwandsentschädigung mit dem Verdienstausfall verrechnen müssen. Abgesehen vom moralischen Vorwurf steht die Frage im Raum, ob der Präsident gegen Compliance-Regeln verstoßen hat, deren Bedeutung er selbst ins Zentrum seiner Verbandserneuerung gestellt hatte.

Koch: Keine außerordentliche Präsidiumssitzung

Grindel verliert immer mehr Unterstützung. Nach der "Spiegel"-Veröffentlichung kam aber auch keiner seiner internen Kritiker aus der Deckung. Die neuen Vorwürfe würden aufgearbeitet, heißt es. Eine außerordentliche Präsidiumssitzung werde es aber nicht geben. Das sagte Vizepräsident Rainer Koch dem SID. Weitere Angaben zum Umgang mit dem Thema wollte er allerdings nicht machen.

Dabei müsste auch zur Sprache kommen, dass die Vergütungen eines Aufsichtsratsvorsitzenden der früheren Medien-Verwaltungs-GmbH und der folgenden Gesellschaft kaum geheim sein können, denn Mitglieder des entsprechenden Aufsichtsrates sind Mitglieder des DFB-Präsidiums sowie engsten Führungszirkels des deutschen Fußballs. Im Rumpf-Geschäftsjahr 2016 zählten zum Aufsichtsrat der Medien-Verwaltungs-GmbH unter anderen Liga-Präsident Reinhard Rauball, DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius und -Schatzmeister Stephan Osnabrügge.

Im Aufsichtsrat der im Sommer 2017 eingetragenen DFB GmbH sitzen unter anderen DFB-Vizepräsident Rainer Koch sowie die DFL-Spitzenvertreter Christian Seifert und Peter Peters.

Die Jahresabschlüsse der Wirtschaftsprüfer und damit die Höhe der (eigenen) Sitzungsgelder sollten den Räten, das legt der gesunde Menschenverstand nahe, bekannt sein. Wirklich transparent wäre das gesamte Bild freilich erst, wenn die Vergütungen für Aufsichtsräte in den Geschäftsberichten des DFB und seiner Gesellschaften aufgelistet würden.

Philipp Lahm hat keine Ambitionen

Ein grundsätzliches Problem des DFB bei der Besetzung des Präsidentenpostens wäre damit jedoch noch nicht gelöst: Wie kann er dieses vermeintliche Ehrenamt seiner ersten Führungskraft angemessen vergüten? Verbandsbosse wie Grindel, Niersbach oder Zwanziger kommen in der Regel aus hochdotierten beruflichen Positionen.

Woher kommt der nächste DFB-Chef, wenn Grindel dem internen Hauen und Stechen sowie dem immensen öffentlichen Druck weichen muss und womöglich "nur" noch in den Exekutiven von UEFA und FIFA wirkt? Es gibt seit geraumer Zeit Gedankenspiele um den 2014er Weltmeister Philipp Lahm, dessen Profikarriere mit dem FC Bayern München und Verbundenheit zum Heimatverein FT Gern als vorbildlich erachtet werden. Womöglich ein geeigneter Kandidat beim nächsten Bundestag im September, weil Amateure (DFB) und Profis (DFL) auf einen gemeinsamen Nenner kommen müssen, um die Führungskrise nicht weiter ausarten zu lassen?

Der kicker weiß, Lahm hegt keine Ambitionen. Seine Tätigkeit an der Spitze des Organisationskomitees für die EURO 2024 genießt für ihn Priorität. Seine Arbeit als Botschafter der Bewerbung wurde, wie in vergleichbaren Fällen Usus, auch vergütet, nach kicker-Informationen mit 250.000 Euro.

Aus der Liga ist - vorerst - zu vernehmen, das Thema DFB-Präsident habe vorrangig der Verband zu klären.

Keine Äußerungen

Offizielle Kommentare zu dem Thema gibt es indes noch nicht. Weder Koch noch Grindel selbst wollten sich äußern, am Montagabend kam der DFB-Präsident durch einen Seiteneingang zur Eröffnungsgala der "Hall of Fame" ins Deutsche Fußballmuseum in Dortmund. Insofern bleibt offen, in welcher Form sich der DFB mit den Vorwürfen beschäftigen wird. Laut der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) könnte es eine "informelle Zusammenkunft" wichtiger Präsidiums-Mitglieder geben.

Jörg Jakob